Menschen & Medien: Ihr könnt’s auch ganz weg­las­sen

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Von Lukas Vogelsang – Endlich, dach­te ich, als ein Journalist (Name der Redaktion bekannt) eines Tages in der Redaktion anrief, inter­es­siert sich mal die Presse um die Qualität und Funktion der Kulturmedien. Die Konsumentenzeitschrift SALDO hat­te den Auftrag erteilt, einen Artikel über Kulturmagazine zu schrei­ben. Über eine hal­be Stunde dau­er­te das Gespräch mit dem Journalisten – mit jeder Minute wur­de das Gespräch span­nen­der und sei­ne Überraschung, was das Thema alles mit sich zog, grös­ser. Sympathisch, gute Fragen, gute Sachkenntnisse – er war sel­ber mal bei der «Programmzeitung» in Basel invol­viert, war also auch ein wenig Insider. So machen Gespräche Spass. Es geht um die Sache und nicht um die Pfanne.

Nach einem Monat war es dann soweit: «Kulturmagazine: Im Dilemma zwi­schen Lesern und Veranstaltern». Das klingt nach einem inter­es­san­ten und recher­chier­ten – vor allem aber nach einem Text, der dem Kern der Problematik der Kulturmagazine auf den Grund geht. ensuite gibt es seit acht Jahren und ich habe noch nie einen Artikel zu die­sem Thema gele­sen.

Auf fast zwei Seiten wer­den Banalitäten über Kulturmagazine wie­der­ge­ge­ben. Teils sogar so falsch, dass es in einer spä­te­ren Ausgabe einer Korrektur bedurf­te. Es wer­den haupt­säch­lich Kulturmagazine auf­ge­zählt, und deren Umgang mit Promo- oder Public Relations-Artikeln erwähnt – das Ganze hat kei­ne Tiefe. Alle wer­den erwähnt: Züritipp (Zürich), Apero (Luzerner Zeitung), Kulturwoche (Basel), Programmzeitung (Basel), Kulturmagazin (Luzern), Saiten (St. Gallen), Kolt (Olten), Juli (Aarau), Berner Kulturagenda – doch von ensuite kei­ne Spur. Kein Wort, kein Hinweis, nicht mal indi­rekt. Wir exi­stie­ren ein­fach nicht.

Dabei hät­ten wir zu die­sem Thema so eini­ges bei­tra­gen kön­nen, was jetzt gar nicht zur Sprache kam: ensuite ist, neben den Beilage-Produktionen der Tageszeitungen, das ein­zi­ge Kulturmagazin, wel­ches nicht von Veranstaltern oder der öffent­li­chen Hand bezahlt ist. Wir sind wirk­lich unab­hän­gig und kein Promo-Magazin für Events. Das Magazin ist das Einzige, wel­ches in zwei über­kan­to­na­len Grossstädten aktiv ist, und ent­spre­chend über ganz ande­re Erfahrungen berich­ten kann. Und es ist schluss­end­lich das Bundesstadt-Kulturmagazin, wel­ches über die Landesgrenzen hin­aus sicht­bar ist (wir wer­den im Deutschen Literaturarchiv geführt). Dass wir mit 70 Personen die gröss­te Kulturredaktion im Land sind, oder dass ensuite gera­de die Eventvorschau, den Kulturkalender, und die redak­tio­nel­len Teile sehr bewusst auf­teilt … das alles hat anschei­nend in der SALDO-Redaktion kein Echo gefun­den. Sogar Google wirft uns an die erste oder zwei­te Stelle. Mir war klar dass der Journalist mit die­sem Artikel nicht mehr viel gemein­sam hat­te. Aber er ist mit­ver­ant­wort­lich.

Logisch, dass dies auf gros­ses Unverständnis stiess. Ich schrieb dem Verlag, und hör­te über ein­ein­halb Wochen nichts, bis sich Rolf Hürzeler, der Redaktionsleiter von SALDO, bei mir tele­fo­nisch mel­de­te. Sowas pein­li­ches habe ich noch sel­ten erlebt. Es war vom ersten Pip an klar, dass sich Hürzeler nicht wirk­lich inter­es­sier­te. Das Telefongespräch hat­te für ihn ein­zig den Zweck, mich mil­de zu stim­men. So von Kollege zu Kollege. Am lieb­sten hät­te er mir wohl eine Bratwurst in die Hand gedrückt und mit der fet­ti­gen Hand die Schulter geklopft. Spätestens als er läp­pisch zu Lachen anfing, als ich ihm erklär­te, dass es einen Unterschied zwi­schen Kulturagenden und Kulturmagazinen gibt, war mir klar, dass er den Artikel zu ver­ant­wor­ten hat­te. So mein­te er eben auch, dass man den Artikel umschrei­ben muss­te, und erst spä­ter das eigent­li­che Thema dar­über stülp­te. Dass ensuite ver­lo­ren ging, war nach ihm ein nicht absicht­li­cher Fehler. Sich zu ent­schul­di­gen kam ihm nicht in den Sinn.

Liebe Chefredaktoren: Nehmen wir doch mal die Recherche aus den Geschichten weg. Wir kön­nen viel Zeit und Geld spa­ren. Streichen wir doch egal was aus den Artikeln raus, und erklä­ren wir der Welt was übrig ist. Aber mit einem gros­sen Bild bit­te. Die LeserInnen kön­nen das schlecht über­prü­fen und nie­mand fragt etwas danach.

Mit kei­nem Wort erwähnt übri­gens der Artikel, dass das auf der letz­ten Seite vom betref­fen­den SALDO bewor­be­ne «kulturtipp»-Kulturmagazin, mit Vorschauartikeln zu Film, Bühne, Kunst und Konzerten, zum eige­nen Verlag gehört. SALDO, K‑Tipp, Kulturtipp – sie alle wer­den iro­ni­scher­wei­se von der Kosumenteninfo AG in Zürich pro­du­ziert. Dass nir­gend­wo steht, dass die­ses Magazin das frü­he­re Radiomagazin vom DRS ersetzt, und ent­spre­chend die Radioprogrammdaten, vor allem deren Finanzierung, und die Übernahme der AbonnentInnen, nicht ganz über alle Zweifel erha­ben sind, steht natür­lich im oben beschrie­be­nen Artikel nicht. Wen soll’s auch inter­es­sie­ren?

Cartoon: www​.fauser​.ch
ensuite, Oktober 2010

 

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