EDITORIAL Nr. 87

Von

|

Drucken Drucken

Von Lukas Vogelsang – Kulturförderung ist ein heis­ses Eisen. Ich bin nicht – wie oft fälsch­li­cher­wei­se ange­nom­men wird – gegen Kulturförderung oder die Mitmischung der öffent­li­chen Hand in kul­tu­rel­len Angelegenheiten. Aber durch mei­ne Arbeit wer­de ich mit Situationen kon­fron­tiert, die zum Denken anre­gen. Oftmals sind es Relationsfragen, die ich nicht klä­ren kann, also Verhältnisse, die mir suspekt vor­kom­men. Als Aussenstehender und Beobachter erhält man da ganz ande­re Blickwinkel. Ich will aber kei­ne Beispiele nen­nen.

Natürlich ist es immer schwie­rig, wenn die Politik zu sehr in die Förderungsstrukturen ein­greift, weil poli­ti­sche Tendenzen sel­ten etwas mit kul­tu­rel­lem Verständnis oder Interesse zu tun haben. Dumm nur, dass Kulturförderung immer Politik ist. Erfreulich hin­ge­gen ist fest­zu­stel­len, dass jene Politik, die ver­stan­den hat, dass Kulturförderung ein Verwaltungsauftrag ist und kein «Machauftrag», effek­tiv funk­tio­niert und eben zum «Macht Kultur!» moti­viert, die wie­der­um ihren Teil in die Politik, in die Gesellschaft zurück­spie­len kann. In den letz­ten zwei Jahren hat sich in die­ser Hinsicht gesamt­schwei­ze­risch viel bewegt. Zwar wur­den alte Strukturen aus­ein­an­der­ge­ris­sen, wie zum Beispiel beim Film oder bei der Pro Helvetia, und vie­le KünstlerInnen und Institutionen ban­gen des­we­gen um ihre Existenz oder müs­sen sich in einem neu­en und schwie­ri­gen Umfeld defi­nie­ren und behaup­ten. Aber ten­den­zi­ell ist der ein­ge­schla­ge­ne Kurs posi­tiv zu wer­ten. Eben, die öffent­li­che Hand nimmt mehr und mehr die Verwaltungsfunktion in einer ande­ren Form war. Man beden­ke, Kulturförderung ist sel­ber in einem schwie­ri­gen Umfeld einer sich dau­ernd wech­seln­den Struktur. Die poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Winde, per­so­nel­ler Wechsel in Ämtern, ver­än­dern die Kursmöglichkeiten andau­ernd. Umso wich­ti­ger also, dass die Gesetzbebungen, die Konzepte und die Verwaltungsapparate so trans­pa­rent, neu­tral und per­so­nen­un­ab­hän­gig gebaut wer­den wie nur mög­lich. Diese Prozesse sind für aus­sen­ste­hen­de manch­mal schwer nach­zu­voll­zie­hen – ent­spre­chend kön­nen die Reaktionen sein.

Einen solch posi­ti­ven Wandel hat die Stadt Bern hin­ter sich. Die neu ver­öf­fent­lich­te Liste der gespro­che­nen Beiträge 2009 vom Amt für Kulturelles der Stadt Bern (im Internet auf www.bern.ch unter Kulturförderung zu fin­den) ist ein span­nen­des Kulturaktions-Dokument aus der Hauptstadt gewor­den. Zwar könn­te die Liste noch mehr Inhalt lie­fern und dabei auch gleich als Tätigkeitsbericht oder eine Art «Lexikon der städ­ti­schen Kulturprojekte» die­nen, doch wir sind schon froh, über­haupt eine sol­che Transparenz zu haben. Darin liest sich der ein­ge­schla­ge­ne Weg der über­ar­bei­te­ten Abteilung Kulturelles, wel­cher jetzt nach zwei Jahren sicht­bar wird und die Umsetzung oder Interpretation des Kulturkonzeptes die­ser Stadt. Die Abteilung sel­ber ist kaum mehr in den Schlagzeilen, gene­rell in den Medien nicht prä­sent, jedoch beginnt das kul­tu­rel­le Schaffen spür­bar wie­der zu «blub­bern» – wie vor zehn Jahren. Dabei waren die Voraussetzungen vor zwei Jahren alles ande­re als ein­fach.

Sobald die öffent­li­che Hand zu sehr in den kul­tu­rel­len Raum ein­greift, stirbt der Geist der kul­tu­rel­len Selbstfindung. Das heisst zum einen, nicht zuviel Geld zu ver­tei­len und ande­rer­seits, vor­sich­tig zu sein mit dem öffent­li­chen Einfluss. Ich bin des­we­gen über Zürich erstaunt, eine so gros­se bedeu­ten­de Stadt, die im Vergleich zu frü­her (60er- und 70er-Jahre) kaum mehr eine sol­che kul­tu­rel­le Eigendynamik prä­sen­tie­ren kann. Im Vergleich: In Bern zäh­len wir pro Woche 200 bis 250 kul­tu­rel­le Happenings. In Zürich sind es eben­so vie­le – doch die Stadt ist min­de­stens drei­mal grös­ser als Bern.

Kultur stirbt nicht aus, sie ver­än­dert sich nur. Und das Kulturverhalten einer Gesellschaft kann gesteu­ert wer­den – es braucht dafür Raum. Und die­se Räume wer­den durch das poli­ti­sche Bewusstsein defi­niert. Deswegen: Zürich war auch mal an einem ande­ren Punkt – und es kann auch durch­aus wie­der dahin zurück. Bern hat dies ja auch bewie­sen.


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 87, März 2010

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo