Warum gibt es kei­ne Zeitung, die mei­nem Sohn den Irak-Krieg erklärt?

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Von Klaus Bonanomi - Diese Frage stell­te sich im letz­ten Frühling der Zürcher Verlagsmanager René Gehrig. Und da Gehrig ein Mann der Tat ist – er war unter ande­rem für die Lancierung von „Facts“ ver­ant­wort­lich und betreu­te danach die Schülerzeitung „Spick“ – , grün­de­te er kur­zer­hand sel­ber die erste aktu­el­le Zeitung für Kinder zwi­schen 9 und 15 Jahren. Nun ist sie da, heisst „Cracks for Kids“, erscheint jeden Sonntag und – erklärt den Kindern auch nicht, was im Irak vor sich geht. Sondern fasst die Wochenaktualität in weni­gen Meldungen zusam­men, bie­tet eini­ge Hintergrundartikel etwa über den Winterschlaf der Tiere oder über die erste Fahrt des Luxus-Kreuzfahrtschiffs „Queen Mary 2“, prä­sen­tiert Shopping- und Ausgehtipps, eine Multimedia-Seite und Innovatives wie einen inter­ak­ti­ven Sackgeld-Planer… Gross her­aus kom­men „Cracks“ wie das TV-Sternchen Mia Aegerter, Tennisprofi Roger Federer oder der Snowboarder Nicolas Müller. Lesenswert sind Beiträge wie der Text über die Globalisierung, erklärt am Beispiel eines Turnschuhs; über Lawinen und wie man sich als „Freerider“ und „Boarder“ vor ihnen schüt­zen kann; oder das Porträt der jugend­li­chen Fränzi, die mit ihrem Taschengeld nicht umge­hen konn­te und immer tie­fer in die Schuldenfalle geriet. Angefangen hat­te alles mit unbe­zahl­ten Handyrechnungen und mit dem Kauf von tren­di­gen Klamotten: Was die KollegInnen hat­ten, muss­te Fränzi auch haben. Am Schluss stand sie mit meh­re­ren tau­send Franken Schulden da, die sie nun müh­sam abstot­tern muss. „Heute habe ich begrif­fen, dass man mit wenig Geld klar­kom­men kann und die Kollegen einen trotz­dem akzep­tie­ren“, sagt Fränzi am Schluss hoff­nungs­voll. Hier greift „Cracks for Kids“ wich­ti­ge Themen auf und berei­tet sie „art­ge­recht“ für jun­ge LeserInnen auf. Und hier kann auch ein Vater von Kindern, die zur ange­peil­ten Zielgruppe gehö­ren, etwas ler­nen… Obwohl Chefredaktor Mario Aldrovandi sagt: „Wir dür­fen kei­ne Zeitung machen, die den Eltern gefällt – denn dann gefällt sie den Kindern nicht!“

Dass es nicht ein­fach ist, eine Zeitung zu machen, die sowohl bei den Kids ankommt, die sie lesen, als auch den Eltern, die das Abo bezah­len sol­len, zeigt auch eine klei­ne Auswahl der ersten LeserInnen-Mails: „Ich fin­de es auch gut das jetzt auch wir Kids am Sonntag zum Frühstück etwas zu lesen haben nicht nur unse­re Eltern!“ – „Es hat viel zuviel Werbungen in der Zeitung, man könn­te mehr über Probleme reden die im Alltag vor­kom­men und man­che Jugendliche bedrücken.“ – „von etwa 20 Seiten waren 2 sehr gut der Rest war zum kot­zen“ – „Was ich scha­de fin­de, ist, dass ihr nicht auch ein wenig über Politik berich­tet, denn das wür­de vie­le ande­re kids auch sehr inter­es­sie­ren, doch im TV, Radio und in Zeitungen wird nie etwas erklärt.“ – „Ich fin­de eure Zeitung echt die Beste die ich ken­ne! Aber könn­tet ihr viel­leicht mehr über Stars wie Avril Lavigne, Black Eyed Peas u.s.w… schrei­ben?“

Mehr Politik oder mehr Stars, weni­ger Werbung und mehr Hintergrund – das sind wider­sprüch­li­che Anforderungen. Mehr Politik, ein­fach und ver­ständ­lich erklärt, das wäre mög­lich, wich­tig und sinn­voll – das hat auf sehr gute Art zur Weihnachtszeit die erstund ein­ma­li­ge WOZ für Kinder vor­ge­macht. Wer mehr Stars will, kann ja „Bravo“ lesen. Mehr Hintergrund und weni­ger Werbung, das dürf­te hin­ge­gen ein from­mer Wunsch blei­ben: Denn Migros, Media-Markt und die Zürich-Versicherung, die „Cracks for Kids“ auf­fäl­lig und grell bewer­ben und spon­sern, tun dies ganz ein­fach dar­um, weil sie eine attrak­ti­ve Zielgruppe anspre­chen wol­len, die Kids zwi­schen 9 und 15. Möglichst früh schon wer­den die Kinder und Jugendlichen auf Markenbewusstsein getrimmt: Nur wer im coo­len Fubu- oder Chiemsee-Schlabberlook daher­kommt und den rich­ti­gen Klingelton auf sei­nem Handy hat, ist dabei. Das Traurige dabei: Nur dank die­ser Werbung, dank poten­ten Inserenten und Sponsoren, die den Kids das Geld aus der Tasche locken wol­len, kann die Zeitschrift ihren jun­gen LeserInnen Hintergründe über Geldsorgen und über die Schuldenfalle lie­fern.

Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch

ensuite, Februar 2004

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