Sonnenschein. Das Thermometer klettert auf 24 Grad. Wenn man vor dem von Sonnenlicht erhellten KunstRaum R57 steht, der einem aus der Ferne wie ein gemütliches Café erschien, wird man sofort auf die beiden Bilder rechts und links vom Eingang aufmerksam. Die in kleine, schaufensterähnliche Vitrinen gehängten ersten beiden Bilder, die der Besucher von der Ausstellung zu sehen bekommt, wirken wie zwei flankierende Portalstatuen. Sie gewähren Einlass in den knapp 18 m² kleinen, sehr intimen weissen Ausstellungsraum. Unmittelbar habe ich das Gefühl, dass mir kälter wird – ob es an der Malerei liegt, die um mich herum an den Wänden hängt? Auf seltsame Weise fühle ich mich zwei, drei Monate in der Zeit zurückversetzt. Es ist Winter.
Untitled
Die Ausstellung «The Winter Landscape» der Künstlerin Ann Nelson besteht aus kleinformatigen, an die Wand genagelten Ölbildern auf Papier, die mich durch den Raum führen. Auf ihnen sind die Winterlandschaften Nelsons zu sehen, die im Januar dieses Jahres entstanden sind. Durch Nelsons Interesse an der Landschaft und deren malerische Umsetzung sowie die bei diesem Thema unverzichtbare Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte – namentlich J. M. W. Turners Oeuvre – entstanden 15 einmalige Werke. Die jeweils nur mit dem Titel «Landschaft» bezeichneten Bilder im DIN A4 Format erscheinen in ihrer Darstellung so unterschiedlich und entwickeln durch den bewußten Verzicht einer Ortsangabe ein aussergewöhnliches Eigenleben.
Ein Kennenlernen
Es fällt auf, dass bei der Betrachtung der Bilder eine gewisse Distanz einzuhalten ist, da sich die Pinselstriche ähnlich dem Impressionismus erst dadurch zu einem Gesamteindruck zusammenfügen. Geht man zu nahe an ein Bild heran, geht jeglicher Bezug zum Motiv verloren und das Bild erscheint als eine Ansammlung zahlreicher bunter Farbelemente. So nah betrachtet werden die Landschaften auf ihre Bestandteile reduziert und präsentieren sich dem Betrachter dadurch in einer völlig neuen, abstrakten Form. Im Spiel mit Nähe und Distanz entfalten sich Nelsons winterliche Szenerien in ihrer vollen Pracht. Keine ähnelt der anderen. Wo im einen Gemälde die Farbe grün dominiert, ist es in der nächsten blau.
Als ich den Raum wieder verlasse und an die wärmende Sonne trete, lausche ich einem Gespräch zwischen Künstlerin und Kurator, worin der Kurator festhielt, dass die Bilder in den Vitrinen im Sonnenlicht besonders gut zur Geltung kommen würden. Wie sie wohl später am Abend im Licht der zu beiden Seiten des Eingangs hängenden Lampen aussehen? Die Ausstellung «The Winter Landscape» von Ann Nelson ist noch bis zum 3. Mai zu sehen. Die ideale Gelegenheit, sich noch würdevoll vom verschneiten Winter zu verabschieden.
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