Stromgitarre sel­ber bau­en

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Von Thomas Kohler – Gitarristen brau­chen nicht unbe­dingt den finan­zi­el­len Ruin zu gewär­ti­gen, um mit einem Instrument hin­rei­chen­der Qualität auf der Bühne zu ste­hen. Gut klin­gen­de Gitarren gibt es schon für sehr klei­nes Geld. Und wer es noch bil­li­ger mag, greift zum Eigenbau-Set.

Die drei Figuren auf der klei­nen Club-Bühne wir­ken ein wenig ver­lo­ren. Sie ham­peln nicht ener­gie­ge­la­den rum wie die Mannen von Red Hot Chili Peppers, und sie ver­zich­ten auch auf Helden-Posen im Heavy-Metal-Stil. Das der­zeit wohl ange­sag­te­ste bri­ti­sche Indie-Trio Wave Pictures steht ein­fach nur da und spielt. Erschwerend kommt hin­zu, dass Gitarrist Dave Tattersall den übli­chen Tricks sei­ner Zunft abschwört: Er zieht den kla­ren Ton vor, und spielt gänz­lich ohne Verzerrer. Das ver­leiht der Band, die prak­tisch aus­schliess­lich von Live-Konzerten lebt, den sprö­den Charme von Vorgängern aus den spä­ten 1950er Jahren – etwa der schwe­di­schen Spotnicks oder der bri­ti­schen Shadows. Der Unterschied: Wave Pictures rat­tern ihre Songs nicht Note für Note deckungs­gleich mit der Studioversion her­un­ter, son­dern impro­vi­sie­ren ihre Soli durch­aus. Auf die ein­fäl­ti­gen Foxtrott-Tanzschritte und den sägen­den Twang-Sound der genann­ten Vorbilder ver­zich­ten sie sowie­so.

Guter Sound aus bil­li­gen Gitarren Wirklich ver­blüf­fend ist, dass Wave Pictures auch beim Equipment auf jeg­li­ches Posing ver­zich­ten. So spielt Gitarrist und Sänger Tattersall haupt­säch­lich auf einer bil­li­gen Gitarre, die in China gebaut wird – einer Danelectro ’63. Die Dano ’63 steht beim euro­päi­schen Branchenriesen, dem auf Versand spe­zia­li­sier­ten deut­schen Musikhaus Thomann, der­zeit für schlap­pe 159 Euro im Katalog.

Zum Vergleich: Eine Les Paul, die legen­där­ste aller Rockgitarren, kostet im vol­len Ornat (mit Binding am Körper und Einlagen in Perlmutt-Optik im Griffbrett) beim Originalhersteller Gibson min­de­stens 2’500 Franken. Und wer ein streng nach den ursprüng­li­chen Spezifikationen gear­bei­te­tes Instrument haben möch­te, muss dafür rund das Doppelte berap­pen. Echte Sammlerstücke aus den Produktionsjahren 1959 und 1960 wech­seln an Auktionen gar für 100’000 bis 250’000 Franken den Besitzer (je nach Zustand des Instruments). Die Gibson Les Paul gilt ent­spre­chend auch als «Stradivari» der Gitarristen.

Am unte­ren Ende der Preisskala liegt ein Les-Paul-Bausatz, den Thomann ver­treibt: Das Eigenbau-Instrument kostet 79 Euro. Kunden aus der Schweiz zieht Thomann die deut­sche Warenumsatzsteuer ab, was den Kaufpreis auf 75 Euro ver­rin­gert. Dafür fal­len beim Verzollen in der Schweiz 8 Prozent zusätz­lich (Fr. 6.–) an. Praktisch ist, dass das Versandhaus und DHL den gan­zen Papierkram erle­di­gen.

Für uner­fah­re­ne Heimwerker geeig­net «Ein gewis­ses Mass an hand­werk­li­chem Geschick ist Voraussetzung», wird Thomann nicht müde, in sei­nem online-Katalog zu beto­nen. Sogar auf der Rechnung fehlt die­ser Vermerk nicht. Diese Warnung stammt frei­lich aus ver­gan­ge­nen Tagen. Einst hat­ten die Bausatz-Käufer die elek­tri­schen Bauteile eigen­hän­dig ver­lö­ten müs­sen. Und das war mit­un­ter recht kniff­lig.

Den heu­ti­gen Bausätzen lie­gen jedoch Tonabnehmer und Potentiometer bei, die nicht ver­lö­tet, son­dern ein­fach per Ministecker ver­bun­den wer­den. Das ist kin­der­leicht, weil die Kabel zwi­schen den ein­zel­nen Bauteilen in ihrer Länge so bemes­sen sind, dass nur die rich­ti­ge Montage mög­lich ist. Wer sich an die mit­ge­lie­fer­te Bauanleitung hält, kann gar nicht falsch vor­ge­hen. Der Verfasser die­ses Textes, selbst mit zwei bemer­kens­wert lin­ken Händen geseg­net, schaff­te die mit über­trie­ben gros­sen Befürchtungen in Angriff genom­me­ne Elektromontage pro­blem­los. Auch die übri­gen «Bauarbeiten» sind jeder und jedem leicht mög­lich und set­zen kein Ingenieur-Studium vor­aus.

Die Bausatz-Les-Paul kommt unlackiert ins Haus. Aber auch das stellt selbst unge­schick­te Handwerker nicht vor unlös­ba­re Rätsel. Das weis­se Binding am Korpus und am Hals der Gitarre lässt sich leicht mit Maler-Klebeband (aus Papier) abdecken. Danach ist das Instrument bereit fürs Lackieren. In Do-it-yours­elf-Geschäften fin­den sich dazu Holzlacke in diver­sen Farben (von «Mahagoni» über «Ahorn» bis zu dunk­lem «Walnuss»). Den Lack dünn mit einem bil­li­gen Schaumstoff-Roller (Stückpreis mit Griff um die 6 Franken) auf­tra­gen, und Korpus und Hals zum Trocknen auf­hän­gen. Die lackier­ten Bauteile haben bei­de Bohrlöcher und las­sen sich somit ein­fach zum Trocknen auf­hän­gen. Drahtkleiderbügel, wie man sie in der Chemisch-Reinigung bekommt, eig­nen sich dafür beson­ders gut.

Die Löcher zum Anbringen/Festschrauben der Beschläge (Stimmschlüssel am Hals, Saitensteg und ‑hal­ter sowie Klinkenbuchse am Korpus) sind alle­samt vor­ge­bohrt. Nach einer knap­pen Stunde Arbeit kann die Erbauerin oder der Erbauer das fer­ti­ge Instrument stolz in den Verstärker ein­stöp­seln.

Kann sich hören las­sen Dort erwar­tet sie die letz­te und freu­dig­ste Überraschung des Eigenbaus: Die Billig-Les-Paul klingt wirk­lich gut. Und das, obwohl ihre Klanghölzer nicht mit dem Original von Gibson über­ein­stim­men. Beim Eigenbau besteht der Korpus aus Linde, der Hals aus Ahorn mit Palisander-Griffbrett. Ahorn ver­baut zwar auch Gibson ­– nament­lich bei sünd­haft teu­ren Jazz- und Semiakustik-Gitarren. Aber Linde (engl. «Basswood») als Klangholz wird anson­sten nur beim gros­sen Gibson-Konkurrenten Fender ein­ge­setzt. Dennoch steht schon nach den ersten gespiel­ten Licks fest: Das Billigteil kann sich durch­aus sehen, respek­ti­ve hören las­sen.

Foto: zVg.
ensuite, August 2012

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