Papier-Riese

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Von Simone von Büren – In «Kleiner Riese Stanislas» erzählt das Figurentheater Lupine mit Papierfiguren und Schattentheater eine Geschichte über das Anderssein für Grosse und Kleine ab 6 Jahren. Vier Wochen vor der Premiere tra­fen sich die Figurenspielerin Kathrin Leuenberger, die Theaterpädagogin Nina Knecht und die Dramaturgin Simone von Büren zu einem Gespräch.

ensuite – Kulturmagazin: Was hat dich zu die­sem Stück inspi­riert?

KL: Ein Artikel über einen über­durch­schnitt­lich gros­sen Ukrainer. Ich hat­te den vor Jahren in ein Notizbuch geklebt und gedacht, das könn­te mal eine Geschichte geben.

Du schnei­dest und fal­test live eine Welt aus Papier. Ist das tech­nisch anspruchs­voll?

KL: Ja, ich übe zur Zeit inten­siv die Handgriffe, sie müs­sen sich auto­ma­ti­sie­ren. Das Kostüm hat vie­le Taschen, in denen ich Dinge ver­stau­en kann.

Mich erstaunt, wie selbst­ver­ständ­lich man als Zuschauerin auf die Puppe fokus­siert, obwohl dahin­ter eine gros­se Person steht, die dau­ernd spricht und sich bewegt.

NK: Der Prozess im Spiel eines Figurenspielers unter­schei­det sich kom­plett von dem eines Schauspielers. Als Puppenspieler setzt du dei­ne Stimme und dei­ne Gestik ein, um leb­lo­ses Material zum Leben zu brin­gen. Die gan­ze Konzentration wird auf die Figur gerich­tet. Im dem Moment, in wel­chem die­se zu atmen anfängt, wird die Spielerin «unsicht­bar» fürs Publikum. Schauspieler, die mit einer Puppe zusam­men auf der Bühne ste­hen, machen die lei­di­ge Erfahrung, dass sie neben ihr völ­lig unter­ge­hen. Eine Puppe klaut den Fokus von A‑Z. Figuren kön­nen aber natür­lich auch eini­ges mehr als Schauspieler (grinst).

Ja, stell mal einen Riesen dar mit einem Schauspieler.

NK: Genau! Das Papier in «Stanislas» zeigt so wun­der­bar die Ungelenkigkeit des Riesen. Wie er sich in die Schulbank rein­fal­tet und wie es dazu raschelt! Das ver­mit­telt sei­ne Grösse und sein Nicht-in-die-Welt-Passen so viel ein­drück­li­cher, als wenn ein Schauspieler das mit sei­nem Körper spie­len müss­te. Es ist das Beglückende an Figurentheater, dass Inhalt und Form in die­ser Weise mit­ein­an­der ver­schmel­zen kön­nen.

KL: Dabei erfüllt eine rudi­men­tär aus Papier zusam­men­ge­knit­ter­te Puppe ihren Zweck unter Umständen bes­ser als eine wun­der­schön rea­li­stisch gestal­te­te.

NK: Die Papierfigur kann ja nicht anders, als sich über­all zu stos­sen und zu fal­ten, wenn sie sich set­zen möch­te. Das sieht und glaubt man. Es wird nichts behaup­tet. In der Künstlichkeit einer Puppe steckt sehr viel Wahrhaftigkeit.

In dei­nen Stücken bespielst du nicht nur die Figuren, du spielst oft auch dich selbst als Figurenspielerin. Wie ist das in «Stanislas»?

KL: Ich bin die Erzählerin, manch­mal ins Riesenhafte ver­zerrt durch eine Projektionslinse. Diese Linse hat­te ich schon lan­ge in mei­nem Atelier. Irgendwann habe ich gemerkt, dass sie sehr gut zu die­ser Geschichte passt.

Ein Gesicht wirkt rie­sig, ist es aber eigent­lich gar nicht. Die Relativität von Grösse?

KL: Genau. Dasselbe geschieht beim Schatten. Der Riese ist ein Papierfötzeli, sein Schatten aber wirkt rie­sig.

NK: Die Linse ver­zerrt die Dinge auch ins Abnormale, was ein Hauptthema des Stücks ist: Stanislas ist ein­sam, weil er so gar nicht nor­mal ist.

KL: Er passt nicht in die genorm­te Welt. 76 Zentimeter ist die Normhöhe für Tische. Aber es gibt Leute, die brau­chen einen Tisch, der 1.10 Meter hoch ist. Für uns, die wir im Durchschnitt funk­tio­nie­ren, scheint alles selbst­ver­ständ­lich. Daneben gibt es aber vie­le ande­re. Stanislas steht für alle, die aus dem Rahmen fal­len.

Premiere ist am Mittwoch, 11. November im Schlachthaus Theater Bern (www.schlachthaus.ch). Vorstellungen im Theater am Stadelhofen in Zürich vom 21. bis 29. November (www.theater-stadelhofen.ch).

Idee, Spiel, Ausstattung: Kathrin Leuenberger; Regie: Sibylle Heiniger; Musik: Simon Hostettler; Kostüm: Barbara Schleuniger; Produktion und Kontakt: Monika Manger.
Info: www.figurentheaterlupine.ch

Foto: zVg.
ensuite, November 2009

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