NEUCHÂTEL – EINE HOCHBURG DER KAMMERMUSIK

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Von François Lilienfeld – Das Ensemble Les Chambristes spielt seit eini­gen Jahren im Musikleben Neuenburgs eine zen­tra­le Rolle. Eine Gruppe von sechs Musikern – Erzsébet Barnácz (Geige), Frédéric Carrière (Bratsche), Etienne Frenk (Cello), Birgit Frenk-Spilliaert (Klavier), Pierre-André Bovey (Flöte) und Doruntina Guralumi (Fagott und Geige) – bil­det den Kern und ver­an­stal­tet regel­mä­ßig Sonntagmorgen-Konzerte. Je nach Programm tre­ten ein­ge­la­de­ne Solisten hin­zu; seit eini­ger Zeit sind zwei sehr jun­ge, hoch­be­gab­te Geigerinnen regel­mä­ßig mit dabei, die eine schö­ne Zukunft vor sich haben: Cécile Carrière (15 Jahre) und Marie Carrière (12 Jahre).

Jeweils Ende Juni orga­ni­sie­ren die Chambristes ein Festival; die­ses Jahr dau­er­te es vom 27. bis zum 20. Juni und fand in der Académie de Meuron statt. Neu war die schö­ne Idee, Studenten der Haute École de Musique für Vorkonzerte zu enga­gie­ren. Sie zeig­ten sich der Einladung durch­aus wür­dig.

Ich hat­te Gelegenheit, drei der Anlässe zu besu­chen. Im Mittelpunkt des Konzertes vom Donnerstag, 27. Juni, stand das Klarinettenquintett von Mozart. Solist war Frédéric Rapin, der in der Haute École de Musique von Lausanne Klarinette und Kammermusik unter­rich­tet. Seine Interpretation war unge­wöhn­lich. Nicht die «herbst­li­chen» Spätwerk-Klänge, mit denen die­ses Werk oft in Verbindung gebracht wird, stan­den im Vordergrund. Die Tempi waren eher zügig, und es herrsch­te eine hel­le Atmosphäre vor, ins­be­son­de­re im letz­ten Satz, der dem Ganzen einen Stempel von Fröhlichkeit auf­setz­te. Einmal mehr konn­te man erle­ben, dass auch ein bekann­tes Werk auf ver­schie­de­ne Art musi­ziert wer­den kann, solan­ge dies über­zeu­gend geschieht, was an die­sem Abend ohne Zweifel der Fall war.

Am Samstag bril­lier­te Doruntina Guralumi mit einem Fagottkonzert von Vivaldi (e‑moll, RV 484). Dann amtier­te Pierre-André Bovey mit einer Uraufführung sowohl als Flötist wie als Komponist: «Ninsuna» heißt das Stück für Flöte, Fagott und Streichtrio. Der Titel geht auf das Gilgamesch-Epos zurück: Ninsuna war die Mutter von Gilgamesch. Bovey gelingt es in die­sem Werk sehr effekt­voll, die Streicherklänge den zwei Bläsern ent­ge­gen­zu­stel­len. Besonders der ruhi­ge Anfang, der dem Streichtrio zufällt, lässt sofort auf­hor­chen und ver­setzt die Zuhörer in eine medi­ta­ti­ve Stimmung.

Für Werke von Dvorák und Bach wur­de der mehr­fach preis­ge­krön­te Geiger Vadim Tschizhik als Gastsolist ein­ge­la­den. Er ver­fügt ohne Zweifel über ein beacht­li­ches gei­ge­ri­sches Rüstzeug. Schade, dass über­trie­be­ne Lautstärke und ver­hetz­te Tempi sein Spiel beein­träch­tig­ten und für sti­li­sti­sche Finessen kei­nen Platz lie­ßen.

Ganz anders Alexander Dubach, ein regel­mäs­si­ger Mitspieler der Chambristes, der am Sonntag den Löwenanteil des Programms bestritt. Hier haben wir einen ech­ten, roman­ti­schen Meister der Violine, des­sen Virtuosität begei­stert, ohne dass sie je zum Selbstzweck wird. Dubach musi­ziert aus dem Herzen, und sei­ne oft sehr indi­vi­du­el­len Auffassungen gehen nie gegen den Geist des Werkes. Schönheit des Tons, Fülle an Klangfarben, dyna­mi­sche Finessen und Humor sind prä­gen­de Elemente sei­nes sou­ve­rä­nen Spiels. Eine beson­de­re Leistung war die Tatsache, dass er am glei­chen Abend als Primgeiger das «Quintenquartett» (g‑moll, op. 76 Nr 2) von Haydn spiel­te, nach der Pause dann als Solist mit zwei Bravourstücken von Saint-Saëns auf­trat: der «Havanaise» (Kammermusikfassung von Volkmar Fritsch) und dem «Introduction et Rondo Capriccioso» (Kammermusikfassung von Frédéric Carrière). Keine Feinheit der zwei doch sehr ver­schie­de­nen Stile ging ver­lo­ren!

Zu erwäh­nen auch die Cellistin Anne Colliard, die als Gast aus Toulouse anrei­ste, wo sie als Solocellistin des Orchestre de Chambre tätig ist. Sie prä­sen­tier­te ein Cellokonzert von Vivaldi (h‑moll, RV 424) mit viel Energie und Spielfreude in den Ecksätzen. Dass sie auch zar­te­re Töne kennt, bewies sie im Andante. Es ist ein Vergnügen ihr zuzu­hö­ren, aber auch, sie zu beob­ach­ten: Ihr stän­dig wech­seln­der Gesichtsausdruck ist ein Spiegel der jeweils erklin­gen­den Emotionen.

Die Solisten wur­den durch­ge­hend vom sehr anpas­sungs­fä­hi­gen Stammensemble treff­lich und musi­ka­lisch intel­li­gent unter­stützt. Dass die Chambristes zum Festival im süd­fran­zö­si­schen Mus ein­ge­la­den wur­den, ist eine wohl­ver­dien­te Belohnung! Eine Bereicherung bil­de­ten die geist­vol­len Werkeinführungen durch Jean-Philippe Bauermeister, sei­nes Zeichens Komponist und Weinhändler.

Foto: zVg.
ensuite, August 2013

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