Flache Erde von rechts!

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Von Patrik Etschmayer - Das Internet hät­te uns Wissen und Bildung brin­gen sol­len. Zugang zu allem, was Kunst, Philosophie und Wissenschaft zu bie­ten hät­ten. Eine Generation von Menschen, wel­che die Welt bes­ser und tie­fer als alle zuvor ver­ste­hen soll­te, wür­de her­an­wach­sen.

Stattdessen herrscht unter vie­len Internetnutzern Unklarheit dar­über, ob die Welt nun flach oder eine Kugel sei, und es gibt ernst gemein­te Diskussionen dar­über, wie man das eta­blier­te, kuge­li­ge Weltbild zugun­sten der unter­drück­ten, fla­chen «Wahrheit» eta­blie­ren könn­te.

Das Internet und ein neu wach­sen­der Wissenschaftshass haben es also geschafft, Wissen, das schon seit über zwei­tau­send Jahren exi­stiert, in gewis­sen Kreisen zu eli­mi­nie­ren. Bereits den alten Griechen war klar: Die Erde ist eine Kugel – denn Schiffsmasten ver­schwin­den hin­ter dem Horizont. Ja, anhand gewis­ser Beobachtungen und Berechnungen schaff­te es Eratosthenes um 200 vor unse­rer Zeitrechnung den Erdumfang mit nur 4,2 Prozent Abweichung zu berech­nen.

Jeder und jede kann die Erdkrümmung an einem kla­ren Tag selbst beob­ach­ten, indem er/sie auf einen Berg steigt und fest­stellt, wie sich die Entfernung des Horizonts ver­än­dert, je höher man kommt.

Doch trotz unzäh­li­ger Beweise (Luftaufnahmen, Plattentektonik, Form des Erdschattens bei einer Mondfinsternis, Messungen, Weltumsegelungen und ‑umflü­ge) und der Tatsache, dass alle Naturgesetze ganz klar für run­de Planeten spre­chen und eine fla­che Erde unmög­lich machen, erfreut sich die­se Blödheit zuneh­men­der Beliebtheit.

Dieser Schwachsinn ist nur die letz­te Stufe der Anti-Wissenschaftlichkeit, die sich vie­le Personen stolz unter dem Begriff «Skepsis» ans Revers hef­ten. Um es mal so zu sagen: Flacherdler, Evolutionsleugner, Klimawandelbestreiter und Rassisten sind eigent­lich auf dem glei­chen Niveau anzu­sie­deln.

Aber halt, mag nun man­cher sagen, es ist doch wohl ein Unterschied, ob jemand a) glaubt, dass die Erde ein Pfannkuchen sei, oder b) behaup­tet, sein/ihr Gegenüber sei aus bio­lo­gi­schen Gründen weni­ger wert als er/sie selbst, nur weil des­sen Hautton drei Schattierungen dunk­ler als der eige­ne ist.

Und das ist – auf die indi­vi­du­el­le Situation bezo­gen – wirk­lich ein wesent­li­cher Unterschied. Denn bei a) zeigt die Person ein­fach, dass sie ein Idiot ist, bei b) hin­ge­gen, dass sie ein wider­li­cher Idiot ist. Doch der idio­ti­sche Teil bleibt gleich.

Warum? In bei­den Fällen miss­ach­tet die Person belast­ba­re, nach­prüf­ba­re und veri­fi­zier­te Daten und Forschungsergebnisse. Unterschiede zwi­schen Individuen der­sel­ben «Rasse» sind, was die Biologie angeht, viel­fach grös­ser als die gene­rel­len Unterschiede zwi­schen den soge­nann­ten «Rassen», von denen für einen Rassisten prak­tisch ja eh nur Äusserlichkeiten von Belang sind, um ein Vorurteil zu fäl­len. Desgleichen bei den Flacherdlern, die glau­ben, dass, nur weil sie nicht sofort die Erdkrümmung wahr­neh­men, die Erde platt sein müs­se.

In bei­den Fällen küm­mert die Betreffenden nicht, was das kri­ti­sche Hinterfragen und Prüfen der eige­nen Position brin­gen könn­te. Stattdessen wer­den absur­de «Beweise» vor­ge­bracht, die kei­nem ernst­haf­ten Test stand­hal­ten, und die Realitätsleugner son­nen sie sich in den sozia­len Medien in Gruppen, deren Mitglieder sich gegen­sei­tig in ihrer Idiotie bestär­ken.

Das Motiv der Rassisten ist dabei klar, bezie­hen sie aus ihrem Glauben ja einen Ego-Boost, die Idee, dass sie – egal, wie nich­tig sie auch per­sön­lich sein mögen – immer noch bes­ser als ande­re sind, nur weil sie die «rich­ti­ge» Hautfarbe haben.

Die Motive der Flacherdler sind weni­ger ein­deu­tig. Der Wunsch, sich gegen den «Mainstream» zu stel­len, zu den weni­gen zu gehö­ren, die wirk­lich durch­blicken, spielt sicher eine Rolle; zu einer Meinung (denn Wissen ist das ja nicht) zu ste­hen, auch wenn alle ande­ren es tat­säch­lich bes­ser wis­sen.

Irgendwo zwi­schen Flacherdlern und Rassisten bewe­gen sich Evolutions- und Klimawandelleugner. Und wer zu die­sem Thema die Position von so man­chen SVP‑, AfD‑, FPÖ‑, AKP- oder Republikaner-Exponenten sieht, muss zur Folgerung kom­men, dass Vertreter die­ser poli­ti­schen Richtung, in der sich ja auch Rassismus als Kernkompetenz hält, ganz klar Probleme damit haben, die Mittel der Realitätsfindung durch die wis­sen­schaft­li­che Methode zu akzep­tie­ren, wenn die gefun­de­ne Realität nicht dem eige­nen Weltbild ent­spricht.

(Einschub: An Faktenresistenz lei­den Vertreter aller poli­ti­scher Richtungen, doch da die Resultate aktu­el­ler wis­sen­schaft­li­cher Forschung und neo­li­be­ra­le Gedankengebäude spe­zi­ell inkom­pa­ti­bel sind, erge­ben sich hier auch die extrem­sten Konflikte)

Nun ist es so, dass es nir­gends eine genaue Untersuchung dar­über gibt, wie das poli­ti­sche Spektrum unter den Flacherdlern aus­sieht, aber – dies ganz in der Tradition der Rechtspopulisten – es spricht ja nichts dage­gen, aus nicht voll­stän­di­gen Daten eine Behauptung abzu­lei­ten, für die sich kei­ne kon­kre­ten Beweise fin­den. Aber die sich ver­dammt rich­tig anfühlt. Denn: Kack auf Tatsachen, aufs Gefühl kommt es an, genau so, wie es sich flach anfühlt, wenn ich auf der Erde ste­he!

Also: Unter den Flacherdlern fin­det sich garan­tiert eine über­pro­por­tio­nal gros­se Anzahl von Rechtspopulisten und Rechtsextremen, denn deren «skep­ti­scher» Zugang zu wis­sen­schaft­li­chen Fakten prä­de­sti­niert sie, an eine fla­che Welt zu glau­ben. Es dürf­te nicht mehr all­zu lan­ge gehen, bis irgend ein Parlamentarier die­ser Parteien for­dert, dass im Geografieunterricht end­lich auch die fla­che Erde als alter­na­ti­ve Variante zur Kugel unter­rich­tet wird, schliess­lich steht ja auch in der Bibel irgend­wo was davon.

Ich kanns kaum erwar­ten … und wenn dann das Verbot von Schraubenziehern zugun­sten von Faustkeilen ver­langt wird, ist eh alles klar!

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