(Constantin Seibt) –

Früher, bei Partys und Podiumsdiskussionen, lungerte ich herum und sah mir die erfolgreichen Vertreter meines zukünftigen Berufs an. Meist waren es energische Herren, schon etwas aus dem Leim. Bei den meisten dachte ich, dass sie zu Unrecht auf ihrem Posten sassen. Aber trotzdem war ich überzeugt, dass sie etwas entdeckt hatten: ein Geheimnis, das ich noch nicht geknackt hatte.
Heute, bereits etwas aus dem Leim und nach einigen Erfolgen, weiss ich: Nein, es gibt kein Geheimnis. Erfolg ist eine überschätzte Sache.
Im Prinzip gibt es dazu nur folgendes zu sagen:
- Der einzige vernünftige Grund, warum man welchen haben sollte, ist, weil es zum Beruf gehört. Journalismus zielt auf Aufmerksamkeit. Von Zeit zu Zeit muss man das Publikum hinreissen. Sonst macht man seinen Job nicht richtig.
- Welcher Artikel zündet und welcher versinkt, ist nicht vorherzusagen. Es werden nie die schlechtesten populär, aber oft nicht die besten. Denn Erfolg ist nicht die Sache des Artikels, nicht des Autors, sondern die Sache anderer Leute: der Leser.
- Vielleicht ist Erfolg deshalb eine Enttäuschung: Er hat fast nichts mit dir zu tun. Denn Erfolg ist akzidentiell. Er ist eine Zutat, die nicht in der Arbeit selbst steckt. Im Grund zieht man als Journalist mit jedem Artikel ein Los. Die meisten sind Nieten. Mit anderen gewinnt man ein ein grosses oder kleines Echo.
- Junge und hungrige Leute wundern sich manchmal, wie die Bande an älteren Herren und Damen an die Schaltstellen gekommen ist. Besonders, da diese nicht unglaublich begabt wirken. Doch ihr Aufstieg geschah ganz harmlos. Die Leute, mit denen man mit Anfang 20 Billard spielt oder Bier trinkt, sitzen mit 30 alle in irgendwelchen Sesseln. Und mit 40 ist es von grossem Vorteil, sie anrufen zu können und «Du» sagen zu können. Eine ganze Generation steigt hoch, wie der Schimmel im Abwasch eines Junggesellen. Der beste Satz, den man Jugendlichen zu Theorie und Praxis der Karriere sagen kann, ist: Wart mal.
- Als junger Mensch denkt man, es wäre grossartig, geehrt zu werden. Dabei sind Ehrungen nur eine neue Sorte Frechheit: Jeder kann dir dann auf die Schulter schlagen, auch Leute, mit denen du nichts zu tun haben willst. Und Protest ist albern. Er klänge viel zu arrogant. Gegen Beleidigungen und Angriffe kann man sich wehren. Gegen Umarmungen nicht.
- Erfolg bringt erstaunlich viel Verwaltungsarbeit mit sich. Landet man einen Hit, muss man sich vor einer ganzen Menge zurückverbeugen. Bei der wirklichen Arbeit hilft er dagegen nicht: Man sitzt beim nächsten Auftrag genau so ratlos vor dem Papier. Wenn man Pech hat, versucht man, etwas Geniales zu schreiben, statt zur Sache. Und fällt garantiert auf die Nase.
- Aber das Allertraurigste am Erfolg ist: Die Abwesenheit des Geheimnisses. Sicher, als junger Hochstapler, als man noch täglich seine Entlarvung fürchtete, hielt man die Generation an der Macht zwar für alte Säcke. Aber man glaubte, sie habe einen Qualitätssprung gemacht. Ein Moment der Erkenntnis, wo die Verwandlung zu Kompetenz und Seriosität passiert. Heute weiss man, dass man diesen Sprung nie tun wird. Man stapelt noch immer hoch. Nur wird man nie entlarvt werden. Denn erstens haben sich die Leute an dich gewöhnt. Und zweitens: Die stetige Angst vor der Entlarvung – das ist die Seriosität.
Das Gute an all dem Mangel an Glamour ist: Man muss sich im Leben um ziemlich viel kümmern, die Körperpflege, die Laune, die Haltung, das Kindchen, die Einkäufe, die Steuerrechnung, das Aufpolieren des Verstandes, die Freunde – aber um eines muss man sich nicht kümmern: den Erfolg. Er ist eine Art Grippe für Profis. Manchmal hat man ihn und manchmal nicht. Man sollte sich nicht gross darum Gedanken machen.
Und kann stattdessen tun, was man tun will.
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