Eine Geld- und Legitimationsmaschine für Ideologen: Die Frankfurter Schule

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Von Dr. Regula Stämpfli - In «Café Marx» erzählt Philipp Lenhard die Geschichte von Multimillionären, die lin­ke Denkpaläste wie die Frankfurter Schule finan­zie­ren. Die «Geister der Gegenwart» berich­ten von der demo­kra­ti­schen Unzuverlässigkeit der­sel­ben. Über den Historiker Philipp Lenhard und über das Ende der Philosophie des Philosophen Wolfram Eilenberger. Oder über Philipp Lenhard, der die Geschichte des Instituts für Sozialforschung bis zur Frankfurter Schule erzählt, wäh­rend Wolfram Eilenberger mit Theodor W. Adorno bei die­ser beginnt. Zwei Bücher, die wohl con­tre­co­eur, von den Autoren unbe­ab­sich­tigt, das grund­sätz­li­che Hadern der Linken mit der Demokratie erklä­ren.

Beginnen wir zunächst mit «Café Marx», wo die Toten den Nimbus der Frankfurter Schule bis heu­te am Leben erhal­ten. Die Rede ist von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno – athe­isti­sche Götter des hege­lia­ni­schen Geistes. Wie jede Geschichte der Moderne beginnt das Buch mit der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts: mit dem Ersten Weltkrieg. Der «Grosse Krieg» been­de­te nicht nur die Zukunft des deut­schen Kaiserreiches, son­dern auch die kom­mu­ni­sti­schen Hoffnungen für Deutschland. Denn anders als erwar­tet, war die kom­mu­ni­sti­sche Revolution in Deutschland nicht erfolg­reich. Das Rennen mach­te eine bür­ger­lich-sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Republik, das künf­ti­ge Hassobjekt der spä­te­ren Frankfurter Schule. Von Anfang an ging es Max Horkheimer und sei­nem Financier Felix Weil nicht um den Ausbau eines sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Wohlfahrtsstaates, son­dern um die kri­ti­sche Begleitung des­sel­ben, selbst wenn dies bedeu­te­te, die auf töner­nen Füssen ste­hen­de Weimarer Republik wei­ter zu schwä­chen. Das Institut für Sozialforschung inter­es­siert sich denn bis heu­te wenig für Demokratie, dafür umso mehr für Kritik. Es ging um das Versagen des Kapitalismus im Angesicht der gewünsch­ten kom­mu­ni­sti­schen Utopie. Darin glei­chen sich übri­gens die lin­ke Frankfurter Schule und die rechts­extre­men Libertären. Der gute Staat soll bei der Linken ALLES, der schlech­te Staat bei den Libertären NICHTS regeln: Extreme halt. Nicht das Sein bestimmt das Bewusstsein die­ser äus­se­ren Ränder, son­dern die Fiktion.

Seit über 100 Jahren läuft das so und opfert wahl­wei­se Weimarer, Bonner und neu auch die Berliner Republik in Deutschland. Die man­geln­de Begeisterung für Demokratie bleibt des­halb ein typisch deut­sches Phänomen, und die bei­den Bücher erzäh­len, wenn auch unfrei­wil­lig, von die­ser trü­ben Tatsache. Philipp Lenhard beschreibt zum Schluss sei­nes span­nen­den Buches eine typi­sche Szene aus der Frankfurter Schule: «28. Juni 1974, 16.30 Uhr, ein über­füll­ter Hörsaal», mit Herbert Marcuse am Rednerpult. Die trotz­ki­sti­schen, mao­isti­schen und ter­ro­ri­sti­schen Kadertruppen strö­men en mas­se her­bei, um den 75-jäh­ri­gen Heidegger-Schüler und Revolutionär der ersten Stunde – 1918/1919 – zu hören. Im Exil bau­te er den so fashionablen «Heidegger-Marxismus» auf, war der wich­tig­ste Theoretiker der US-ame­ri­ka­ni­schen stu­den­ti­schen Protestbewegungen und starb 1979 bei einem Deutschlandbesuch bei Jürgen Habermas in Starnberg. 1974 sprach Marcuse einen letz­ten Gruss an den 1969 ver­stor­be­nen Adorno aus. Thema der 50-Jahr-Feier des Instituts für Sozialforschung war «Theorie und Praxis». Der Anlass zeig­te, dass das Institut für Sozialforschung nicht mehr DAS Zentrum der Frankfurter Schule war, denn die­se hat­te sich über­all im kapi­ta­li­sti­schen Westen als kom­mu­ni­stisch-kri­ti­scher Stachel per­fekt eta­bliert.

Genau hier­in lie­gen die gros­sen Paradoxien der Frankfurter Schule: Antikapitalistisch wird sie von Anfang an von Kapitalisten finan­ziert. Sie ist von Beginn weg anti­na­tio­na­li­stisch auf­ge­gleist und dem­entspre­chend anti­zio­ni­stisch poli­ti­siert – mit einer jüdisch-kom­mu­ni­sti­schen Leitung. Paradox auch, dass die Kommunisten Horkheimer und Adorno trotz Marx- und Lenin-Begeisterung bei der Verfolgung durch die Nationalsozialisten kei­nen Unterschlupf in Moskau, son­dern nur in den USA fan­den. Der Hitler-Stalin-Pakt ver­hin­der­te die Ausreise vie­ler bedroh­ter Kommunisten, und so kam es, dass aus­ge­rech­net das kapi­ta­li­sti­sche Amerika den fana­ti­schen Amerikahassern das Leben ret­te­te. Paradox war auch, dass die viru­len­ten Kritiker des inter­na­tio­na­len Finanzplatzes, Horkheimer und Adorno, ihr schö­nes Vermögen inklu­si­ve fürst­li­cher Rente durch klu­ge Investitionen am Aktienmarkt sowie mit einer Kapitalflucht nach Genf sicher­ten. Der Chronist Philipp Lenhard erzählt dies nur so neben­bei, doch das Gschmäckle bleibt. Während Horkheimer und Adorno kapi­ta­li­stisch klug ein gutes Leben füh­ren, dabei das Hohelied sozia­li­sti­scher Utopien durch mas­si­ve Kritik an Aufklärung, Bürgertum und Kapitalismus sin­gen, ver­recken ihre Genossen und Genossinnen elen­dig­lich in den Gulags der sowje­ti­schen Brüder im Geiste. Während die Nazischergen das euro­päi­sche Judentum ver­nich­ten, sind Horkheimer und Adorno mehr dar­an inter­es­siert, die kom­mu­ni­sti­sche Vision von Internationalität hoch­zu­hal­ten und den ein­zi­gen Rettungsanker, den Juden und Jüdinnen rea­li­sti­scher­wei­se haben, näm­lich einen eige­nen Staat, in Grund und Boden zu ver­dam­men.

So war es nur kon­se­quent, dass die Frankfurter Schule nach dem Krieg kei­ne «jüdi­schen Elemente» auf­wies, um es in den damals noch übli­chen Nazi-Sprechakten zu for­mu­lie­ren. Referenten jüdi­scher Herkunft muss­ten – wie Herbert Marcuse – aus den USA ein­ge­flo­gen wer­den. Die Söhne der Nationalsozialisten waren nun am Drücker.

Nach Adornos und Horkheimers Tod über­nahm Ludwig von Friedeburg die Hauptleitung des Instituts für Sozialforschung. Friedeburg war Sohn des Oberbefehlshabers der deut­schen Kriegsmarine und als Offizier in der Wehrmacht. Der Friedeburg-Vater wur­de noch kurz vor Hitlers Suizid testa­men­ta­risch zum neu­en Reichspräsidenten bestimmt: Hans-Georg von Friedeburg unter­zeich­ne­te denn auch die Kapitulationsurkunde der Wehrmacht. Ludwig von Friedeburg lei­te­te das Institut bis ins Jahr 2001. Der bekann­te­ste Star der Frankfurter Schule, Jürgen Habermas, war auch Sohn eines hohen natio­nal­so­zia­li­sti­schen Würdenträgers. Schon 1933 der NSDAP bei­getre­ten, wur­de Ernst Habermas 1946 als «Mitläufer» ein­ge­stuft und ver­lor sei­ne bis­he­ri­ge Position als Geschäftsführer der Handelskammer in Köln. Weshalb die­se bio­gra­fi­schen Details? In Zeiten lin­ker Identitäts- und Erfahrungseuphorie ist der Verweis der klas­si­schen anti­ame­ri­ka­ni­schen Linken Deutschlands doch sehr auf­schluss­reich und wie­der­um sehr aktu­ell. Denn die gros­sen Frankfurter-Schule-Stars wie Jürgen Habermas und Alexander Kluge ver­ur­tei­len deut­sche Waffenlieferungen an die Ukraine, und die gros­se Israelhasserin Judith Butler, Abkömmling jüdi­scher Säkularer, pro­pa­giert gegen Juden und Jüdinnen in Israel den «bewaff­ne­ten Widerstand», der durch­aus Folter, Vergewaltigung und Mord recht­fer­tigt, selbst wenn die­se Mittel, um mit Butlers Worten zu spre­chen, viel­leicht nicht die ange­nehm­sten sind.

Die Lektüre von «Café Marx» ist des­halb so aktu­ell. Die kri­ti­sche Theorie ist näm­lich weder pazi­fi­stisch noch demo­kra­tisch noch pro­gres­siv, son­dern Werkzeug zur hege­lia­ni­schen Eroberung von poli­ti­schen Theorien. Die kri­ti­sche Theorie zielt dar­auf, Wirklichkeit und demo­kra­ti­sche Reformen in dia­lek­ti­schem Sprachgewusel regel­recht zu ersäu­fen. Deshalb hören wir neu­er­dings vom Genozid als israe­lisch, obwohl die Auslöschung für die Juden und Jüdinnen erfun­den und indu­stri­ell prak­ti­ziert wur­de. Deshalb unter­stüt­zen in Deutschland und in den USA gehät­schel­te Autoren wie Ta-Nehisi Coates palä­sti­nen­si­sche Terroristen und plä­die­ren für das Ende des «Apartheidstaats Israel». Deshalb zie­hen fabu­lie­ren­de sozia­li­sti­sche Prediger durch die Welt und brin­gen bibli­sche Urmotive wie «Authentizität», «Erfahrung» und «Identität» in den in ihren Augen rich­ti­gen anti­ka­pi­ta­li­sti­schen Kampf. Deshalb stel­len sich sog. Klimaschützerinnen wie Greta Thunberg auf die Seite von Terroristen. Es waren mit der Frankfurter Schule eng ver­bun­de­ne ideo­lo­gi­sche Kreise, deren Attentate die west­li­chen Demokratien in den 1970er- und 1980er-Jahren erschüt­tern soll­ten. In Paris char­ter­ten die Kommunisten die Air-France-Maschine für Ajatollah Khomeini. Wie einst die Reise Lenins im plom­bier­ten Zug den Lauf der Weltgeschichte für immer ver­än­der­te und mil­lio­nen­fa­chen Massenmord über die gesam­te Welt ver­teilt ermög­lich­te, wird auch die Reise von Ajatollah Khomeini in die Annalen ein­ge­hen: als Trip, der Millionen von Menschen in die Hölle stür­zen soll­te. Irans Oberhaupt heisst seit­dem ja auch nicht «Präsident von Iran», son­dern poli­tisch kor­rekt «Oberster Führer der Islamischen Republik Iran». Nach der Lektüre von «Café Marx» wird all dies kri­stall­klar. Wer nur kri­ti­siert, zer­stört. Wer Ideologie über Menschen setzt, mor­det. Dass aus­ge­rech­net die Frankfurter Schule bis heu­te kei­ne eige­ne tota­li­tä­re Aufarbeitung gelei­stet hat, liegt dar­an, dass die Linke immer noch meint, der bür­ger­li­che Staat, Freiheit, Liberalismus sei­en ihr ech­ter und ein­zi­ger Feind. «Wir hegen kei­nen Zweifel», heisst es in der Vorrede zur «Dialektik der Aufklärung» 1944, «dass die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unab­trenn­bar ist. Jedoch glau­ben wir, genau­so deut­lich erkannt zu haben, dass der Begriff eben­die­ses Denkens, nicht weni­ger als die kon­kre­ten histo­ri­schen Formen, die Institutionen der Gesellschaft, in die es ver­floch­ten ist, schon den Keim zu ihrer Verkehrung ent­hal­ten, der heu­te überall sich ereig­net. Nimmt Aufklärung die Reflexion auf die­ses rückläufige Moment nicht in sich auf, so besie­gelt sie ihr eige­nes Schicksal.» Sprachhülsen, hin­ter denen sich tota­li­tä­re Fantasien ver­stecken. Auch der bekann­te Satz von Max Horkheimer «Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, soll­te auch vom Faschismus schwei­gen» ver­neint den struk­tu­rel­len Antisemitismus bis heu­te. In der Frankfurter Schule gehö­ren nicht die Schlägertruppen der SA (ver­gleich­bar mit der Hamas, Hisbollah, den Huthi und den Islamischen Garden) zum Aufstieg von Adolf Hitler, nein – vor­wie­gend schul­dig blei­ben bis heu­te in Kultur, Wissenschaft und Medien der bür­ger­li­che Staat und der Kapitalismus. So muss die­ser Satz von Horkheimer gele­sen wer­den. Dahinter ver­steckt sich eine ahi­sto­ri­sche Monstrosität, die die ideo­lo­gi­sche Verblendung in Deutschland 2024 punk­to Islam, Terror und Antikapitalismus ziem­lich gut erklärt.

Es war denn auch die gros­se Philosophin Hannah Arendt, die die Frankfurter Schule als das ent­larv­te, was sie war. Eine per­fek­te Geld- und Legitimationsmaschine für Ideologen. Arendt schreibt in einem Brief von 1943 an Gershom Sholem – es ging um den Nachlass von Walter Benjamin: «Mit Wiesengrund (Arendt nann­te Adorno nie bei des­sen selbst gewähl­tem Promi-Namen …) zu ver­han­deln, ist schlim­mer als sinn­los. Was die mit dem Nachlass ange­stellt haben oder anzu­stel­len geden­ken, weiss ich nicht. Ich habe mit Horkheimer, der im Sommer hier war, gespro­chen: ohne jedes Resultat. Behauptet, die Kiste sei in einem Safe (dies ist wohl sicher gelo­gen) und er sei noch gar nicht her­an­ge­gan­gen … Hinzu kommt, dass das Institut selbst auf dem Aussterbeetat ist. Sie haben immer noch Geld, aber sie sind mehr und mehr der Meinung, dass sie sich damit einen ruhi­gen Lebensabend sichern müs­sen. Die Zeitschrift kommt nicht mehr her­aus, ihr Ruf hier ist nicht gera­de erst­klas­sig, sofern man überhaupt weiss, dass sie exi­stie­ren. Wiesengrund und Horkheimer leben in Kalifornien in gros­sem Stil. Das Institut ist hier rein admi­ni­stra­tiv. Was admi­ni­striert wird aus­ser Geldern, weiss kein Mensch.»

So beginnt Wolfram Eilenbergers Buch «Geister der Gegenwart», das natür­lich auch nicht ohne Frankfurter Schule aus­kommt. Eilenberger ist, im Unterschied zu Lenhard, ein Causeur. Der dick­lich-gemüt­li­che Philosoph liebt Klatsch, und dar­in ist er auch enorm gut. Es ist amü­sant, mit den Augen Eilenbergers den lin­ken Besserwissern mit guter Buchhaltung auf dem Weg zur revo­lu­tio­nä­ren Politik zuzu­schau­en. Theodor W. Adorno, Michel Foucault, Susan Sontag und Paul K. Feyerabend bil­den dies­mal das Quartett, zu dem Eilenberger einen «phi­lo­so­phi­schen Roman» kon­stru­iert. Eilenberger ver­knüpft ihre Biografien, mischt ein paar ande­re Prominente hin­zu, bleibt frag­men­ta­risch wie eh und je, aber eben: amü­sant. Bis zu dem Punkt, wo Eilenberger der Postmoderne Aufklärung drü­ber­klei­stert, völ­lig unmo­ti­viert und unar­ti­ku­liert. Seinen Exit for­mu­liert er so: «Wie jeder phi­lo­so­phi­sche Roman ist auch der vor­lie­gen­de, mit ande­ren Worten, ein Entbildungsroman.» Wie bit­te? Nachdem er sich über 400 Seiten ziem­lich lustig über die No Future der wohl­ha­ben­den Philosophin und der Philosophen gemacht hat, weint er zum Schluss über eine «fun­da­men­ta­le Unpässlichkeit» und über «Verlorenheit und Enge»?
Tja. Manchmal ver­ste­hen die Autoren die eige­nen Bücher nicht. Was hier unbe­dingt für die Bücher spricht.

Philipp Lenhard, Café Marx: Das Institut für Sozialforschung. Von den Anfängen bis zur Frankfurter Schule. Verlag C.H. Beck 2024. (Foto links: Autor Bild oben)
 
Wolfram Eilenberger. Geister der Gegenwart. Die letz­ten Jahre der Philosophie und der Beginn einer neu­en Aufklärung. Klett-Cotta 2024. (Foto links: Autor Bild unten)

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