EDITORIAL Nr. 126/127 Bern: Vermittlung von Vermittlung

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Von Lukas Vogelsang – Eine Glanzleistung, was das Schweizer Eishockey-Team da voll­bracht hat: Silber an der Weltmeisterschaft. Sensationell. Dies war nur mög­lich, weil es den Trainern gelun­gen ist, eine Mannschaft zu einen, den selbst­be­wuss­ten Teamgeist auf­zu­bau­en, wel­cher unter Druck bestand hält. Man hat das gese­hen.

Sport ist auch Kultur. Kulturinstitutionen funk­tio­nie­ren näm­lich gleich: Das Publikum sieht bei einer Aufführung des Balletts kei­nen ster­ben­den Schwan, son­dern eine funk­tio­nie­ren­des Team, wel­che oft­mals eine per­fek­tio­nier­te Illusion zustan­de bringt. Das ist nicht Kunst, was wir zu sehen krie­gen, son­dern das per­fek­te Zusammenspiel eines Teams – genau gleich wie bei der Schweizer Eishockey-Mannschaft. Ich höre schon den Aufschrei von eini­gen LeserInnen. Aber ver­su­chen wir uns ein­mal vor­zu­stel­len, 120 Mal den ster­ben­den Schwan auf der Bühne zu tan­zen, Abend für Abend. Die Kunst wur­de dabei zer­teilt, repro­du­zier­bar gemacht, in ein Timing gesetzt, und wur­de zur Funktion, die Emotionen sind geplant und berech­net – egal wie gut der oder die KünstlerIn ist. So gese­hen wird jeder Abend ver­gleich­bar mit einer Zirkusnummer. Mit glei­chem Erfolg kön­nen wir Kunstwerke gros­ser KünstlerInnen kopie­ren – der Unterschied von Original und Kopie ist für die mei­sten nur von psy­cho­lo­gi­schem Wert.

Während einer kul­tu­rel­len Vorstellung über­wiegt des­we­gen das per­fek­te Gefüge des Teams, des Stils, und natür­lich mit dem Ort, wo etwas statt­fin­det. Insofern beklat­schen wir den Kulturbetrieb und bedan­ken uns für die kul­tu­rel­le Unterhaltung – das Künstlerische aber bleibt ziem­lich flach, muss oft­mals gros­se Kompromisse für das Publikum ein­ge­hen und gefal­len. Manchmal ist die Inszenierung noch Bestandteil einer künst­le­ri­schen Diskussion – aller­dings ist auch die­se, nach der Idee, nur noch eine Reproduktion für die Wiederholung. Die effek­ti­ve Kunst hat also viel frü­her statt­ge­fun­den: als das Stück erdacht wur­de, bei den Proben, und viel­leicht ver­ein­zelt mal wäh­rend einer Vorstellung – kaum sicht- oder spür­bar für das nor­ma­le Publikum. Die Beweise dazu fin­den wir in den Programmen der gros­sen Theater oder dem Konzertprogramm eines Symphonieorchesters. Da ist Wohlgefallen und Wohlklang oft wich­ti­ger als Kunst.

Ob die­se Trennung oder Betrachtungsweise wich­tig ist, wer­den Sie sich wohl fra­gen? Ich den­ke schon. Wie oft kom­me ich aus einem Theater und fra­ge mich, was denn nun an die­sem Abend glanz­vol­le Kunst gewe­sen sein soll? Oftmals höre ich Musik-CDs und fin­de die Aufnahmen wesent­lich gereif­ter als die Vertonung live auf der Bühne. Wenn ich mich aber von der Kunstvorstellung löse, fällt die Kritik ganz anders aus. Darauf will ich hin­aus: Unser Urteilsvermögen über Kunst und Kultur ist sehr ungleich, zu unter­schied­lich und ent­spre­chend nicht dia­log­fä­hig. Kultur- und Kunstvermittlung wur­den des­we­gen in den letz­ten Jahren wich­tig. Allerdings för­dert man sehr ein­sei­tig das Kultur- und Kunstverständnis von Jugendlichen und Kindern. Bei den Institutionen bezahlt die Förderung die indi­vi­du­el­len und gra­fisch fleisch­fres­sen­den Programmheftchen mit den unkri­ti­schen Werbetexten. Der Begriff «Kulturmagazin» ist aber im Katalog der Kulturvermittlung noch immer nicht auf­ge­nom­men wor­den. Mit ande­ren Worten: Kulturelle Werbung wird geför­dert und die brei­te, indi­vi­du­el­le Meinungsbildung nicht. Das soll­te uns zu den­ken geben.

Wo fin­det in unse­rer Gesellschaft noch eine öffent­li­che Kulturdiskussion statt? Woran mes­sen wir Kultur- und Kunstentwicklungen? Wo sind die Kultur-Think-Tanks einer Stadt, wel­che über die Vergangenheit und die Zukunft debat­tie­ren – und zwar mal unab­hän­gig von Polemik und Hypes? Ich ver­mis­se die (Vor-)DenkerInnen unse­rer Zeit. Bei der Politik fin­de ich die­se nicht.

Ich hat­te mir als Kind immer einen rau­chi­gen Salon vor­ge­stellt, eine Art Klubhaus für Kultur mit dicken Sesseln. Heute reden wir zwar dau­ernd dar­über, dass wir sowas ger­ne machen wür­den, aber die Zeit hat nie­mand mehr, um es umzu­set­zen. Die KultursekretärInnen und Kulturämter haben sich von den Kulturschaffenden ent­fernt, ver­wei­gern den Denkdialog und ver­schan­zen sich hin­ter ver­meint­li­chen Gesetzen. Man muss sie regel­recht an die Öffentlichkeit prü­geln – und wenn sie dann was sagen, ist es mei­stens nicht ganz so durch­dacht. Doch bei den KünstlerInnen und auf der insti­tu­tio­nel­len Ebene fehlt der Dialog-Geist eben­so. Man hat genug eige­ne Probleme zu lösen. So kann aber kein funk­tio­nie­ren­des Team zustan­de kom­men – das reicht nicht mal für einen Trostpreis.Eine Glanzleistung, was das Schweizer Eishockey-Team da voll­bracht hat: Silber an der Weltmeisterschaft. Sensationell. Dies war nur mög­lich, weil es den Trainern gelun­gen ist, eine Mannschaft zu einen, den selbst­be­wuss­ten Teamgeist auf­zu­bau­en, wel­cher unter Druck bestand hält. Man hat das gese­hen.

Sport ist auch Kultur. Kulturinstitutionen funk­tio­nie­ren näm­lich gleich: Das Publikum sieht bei einer Aufführung des Balletts kei­nen ster­ben­den Schwan, son­dern eine funk­tio­nie­ren­des Team, wel­che oft­mals eine per­fek­tio­nier­te Illusion zustan­de bringt. Das ist nicht Kunst, was wir zu sehen krie­gen, son­dern das per­fek­te Zusammenspiel eines Teams – genau gleich wie bei der Schweizer Eishockey-Mannschaft. Ich höre schon den Aufschrei von eini­gen LeserInnen. Aber ver­su­chen wir uns ein­mal vor­zu­stel­len, 120 Mal den ster­ben­den Schwan auf der Bühne zu tan­zen, Abend für Abend. Die Kunst wur­de dabei zer­teilt, repro­du­zier­bar gemacht, in ein Timing gesetzt, und wur­de zur Funk-

tion, die Emotionen sind geplant und berech­net – egal wie gut der oder die KünstlerIn ist. So gese­hen wird jeder Abend ver­gleich­bar mit einer Zirkusnummer. Mit glei­chem Erfolg kön­nen wir Kunstwerke gros­ser KünstlerInnen kopie­ren – der Unterschied von Original und Kopie ist für die mei­sten nur von psy­cho­lo­gi­schem Wert.

Während einer kul­tu­rel­len Vorstellung über­wiegt des­we­gen das per­fek­te Gefüge des Teams, des Stils, und natür­lich mit dem Ort, wo etwas statt­fin­det. Insofern beklat­schen wir den Kulturbetrieb und bedan­ken uns für die kul­tu­rel­le Unterhaltung – das Künstlerische aber bleibt ziem­lich flach, muss oft­mals gros­se Kompromisse für das Publikum ein­ge­hen und gefal­len. Manchmal ist die Inszenierung noch Bestandteil einer künst­le­ri­schen Diskussion – aller­dings ist auch die­se, nach der Idee, nur noch eine Reproduktion für die Wiederholung. Die effek­ti­ve Kunst hat also viel frü­her statt­ge­fun­den: als das Stück erdacht wur­de, bei den Proben, und viel­leicht ver­ein­zelt mal wäh­rend einer Vorstellung – kaum sicht- oder spür­bar für das nor­ma­le Publikum. Die Beweise dazu fin­den wir in den Programmen der gros­sen Theater oder dem Konzertprogramm eines Symphonieorchesters. Da ist Wohlgefallen und Wohlklang oft wich­ti­ger als Kunst.

Ob die­se Trennung oder Betrachtungsweise wich­tig ist, wer­den Sie sich wohl fra­gen? Ich den­ke schon. Wie oft kom­me ich aus einem Theater und fra­ge mich, was denn nun an die­sem Abend glanz­vol­le Kunst gewe­sen sein soll? Oftmals höre ich Musik-CDs und fin­de die Aufnahmen wesent­lich gereif­ter als die Vertonung live auf der Bühne. Wenn ich mich aber von der Kunstvorstellung löse, fällt die Kritik ganz anders aus. Darauf will ich hin­aus: Unser Urteilsvermögen über Kunst und Kultur ist sehr ungleich, zu unter­schied­lich und ent­spre­chend nicht dia­log­fä­hig. Kultur- und Kunstvermittlung wur­den des­we­gen in den letz­ten Jahren wich­tig. Allerdings för­dert man sehr ein­sei­tig das Kultur- und Kunstverständnis von Jugendlichen und Kindern. Bei den Institutionen bezahlt die Förderung die indi­vi­du­el­len und gra­fisch fleisch­fres­sen­den Programmheftchen mit den unkri­ti­schen Werbetexten. Der Begriff «Kulturmagazin» ist aber im Katalog der Kulturvermittlung noch immer nicht auf­ge­nom­men wor­den. Mit ande­ren Worten: Kulturelle Werbung wird geför­dert und die brei­te, indi­vi­du­el­le Meinungsbildung nicht. Das soll­te uns zu den­ken geben.

Wo fin­det in unse­rer Gesellschaft noch eine öffent­li­che Kulturdiskussion statt? Woran mes­sen wir Kultur- und Kunstentwicklungen? Wo sind die Kultur-Think-Tanks einer Stadt, wel­che über die Vergangenheit und die Zukunft debat­tie­ren – und zwar mal unab­hän­gig von Polemik und Hypes? Ich ver­mis­se die (Vor-)DenkerInnen unse­rer Zeit. Bei der Politik fin­de ich die­se nicht.

Ich hat­te mir als Kind immer einen rau­chi­gen Salon vor­ge­stellt, eine Art Klubhaus für Kultur mit dicken Sesseln. Heute reden wir zwar dau­ernd dar­über, dass wir sowas ger­ne machen wür­den, aber die Zeit hat nie­mand mehr, um es umzu­set­zen. Die KultursekretärInnen und Kulturämter haben sich von den Kulturschaffenden ent­fernt, ver­wei­gern den Denkdialog und ver­schan­zen sich hin­ter ver­meint­li­chen Gesetzen. Man muss sie regel­recht an die Öffentlichkeit prü­geln – und wenn sie dann was sagen, ist es mei­stens nicht ganz so durch­dacht. Doch bei den KünstlerInnen und auf der insti­tu­tio­nel­len Ebene fehlt der Dialog-Geist eben­so. Man hat genug eige­ne Probleme zu lösen. So kann aber kein funk­tio­nie­ren­des Team zustan­de kom­men – das reicht nicht mal für einen Trostpreis.


Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 126/127, Juni/Juli 2013

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