Belles Vues im Belles Rives

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Von Lukas Vogelsang - Die Côte d’Azur ist noch immer ein Traumferienziel mit gros­ser und berühm­ter Vergangenheit. Obschon: Wenn man an der Küste ein­fährt, ist man ernüch­tert über die bau­li­che Arglosigkeit, mit wel­cher die Franzosen ihren geschichts­träch­ti­gen Pilgerstreifen ver­un­stal­tet haben. Manchmal ist es schwie­rig, zwi­schen Ruinen und noch bewohn­ba­ren Hotels oder Residenzen zu unter­schei­den, und die Einwohner hau­sen in häss­li­chen Blöcken. In Antibes, genau­er in Juan les Pins, steht eine nie fer­tig­ge­bau­te Monsterruine schon seit Jahren her­um und wird immer wie­der einer neu­en Investorengruppe ver­kauft, die dann sel­ber die Pläne wie­der auf­gibt. Das Gebäude erzählt unter­des­sen eine Geschichte, die einer Börsenkurve der letz­ten 80 Jahre gleicht, und ist prunk­ar­tig her­an­ge­wach­sen – nur mit dem ein­drück­li­chen Ziel, jetzt aus­ge­höhlt und leer, als über­di­men­sio­nier­ter Taubenschlag und als Rattenloch sei­nen Zerfall zu zele­brie­ren. Das ist nur eine von vie­len Geschichten.

Ein paar hun­dert Meter dane­ben, direkt am Meer, steht aber das «Belles Rives». Ein über­schau­ba­res Art Deco Hotel, noch immer in Familienbesitz, mit einer Ausstrahlung, die der Côte d’Azur den Glanz alter Tage zurück­gibt. Wer hier ein­kehrt ver­gisst umge­hend den Massentourismus der Hotelketten ent­lang dem Ufer. Die Zeit blieb hier wohl­tu­end hän­gen. Das «Belles Rives» liegt am Fuss vom Cap d’Antibes, auf der Seite von Juan les Pins. Marianne Estène-Chauvin führt heu­te das Hotel. Die Familie woll­te es eigent­lich abstos­sen – doch hat­te sie den Wert die­ses Bijous erkannt und lebt den Traum ihres Grossvaters wei­ter.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Der Russe Boma Estène reist aus Russland nach Paris, um sein Glück zu ver­su­chen – das funkt aller­dings nicht wirk­lich. Im Süden ver­spricht er sich mehr Glück und reist mit dem Zug nach Antibes, lernt dort Simone ken­nen, sie stammt aus einer wohl­ha­ben­den Hotelbesitzerdynastie. Hotels direkt am Meer gal­ten zu die­ser Zeit als «unge­sund» – die bes­se­ren Hotels stan­den wei­ter vom Ufer ent­fernt. Deswegen konn­te er, zusam­men mit sei­ner Frau, 1929 die «Villa Saint-Luis» kau­fen. Es war damals noch ein beschei­de­nes Haus, direkt am Ufer – die bei­den beab­sich­tig­ten, eine Art KünstlerInnen-«Bed and Breakfast» dar­aus ent­ste­hen zu las­sen, und nann­ten es «Belles Rives».

Seit 1925 mie­tet sich näm­lich der Schriftsteller Scott Fitzgerald («The gre­at Gatsby», 1925) mit sei­ner Frau Zelda Sayre in der «Villa Saint-Luis» ein. Neben aus­schwei­fen­den Partys soll er hier angeb­lich «Tender is the Night» (1934) geschrie­ben haben. Was zu der Zeit Rang und Namen hat­te ging hier ein und aus: Josephine Baker, Edith Piaf, Gérard Philipe, Pablo Picasso, und vie­le mehr. Doch in den 30er Jahren wur­de es ruhi­ger um Fitzgerald. Der Alkohol rui­nier­te sei­nen Ruf, der Rummel ging vor­bei, sei­ne Frau erkrank­te psy­chisch. Zwischen 1930 und 1931 wur­de das Haus erwei­tert und auf 42 Zimmer aus­ge­baut. Das «Belles Rives» wur­de zu einem rich­ti­gen Hotel, ver­grös­sert, moder­ni­siert. Die alten Möbel aus den alten Jahren wur­den ein­ge­la­gert. 1970 starb Boma Estène, und sein Sohn Casimir half der Mutter das Hotel wei­ter­zu­füh­ren, bis er es spä­ter ganz über­nahm.

Marianne Estène-Chauvin hat Kunstgeschichte stu­diert und arbei­te­te in Paris in einer Galerie. Nach dem Studium rei­ste sie nach Marokko, hei­ra­te­te und gebar einen Sohn. In Marokko, in ihrer eige­nen Galerie für Contemporary Art, mach­te sie gute Geschäfte. Sie war eine der ersten GaleristInnen, wel­che die noch unbe­kann­te Kunst in Marokko ver­kauf­te. Selber meint sie, sie hät­te die Kunst last­wa­gen­wei­se ver­kau­fen kön­nen. Doch 1986 ging es zurück an die Côte d’Azur – sie meint dazu nur: aus Herzensgründen. Sie half ihrem Onkel Casimir im Hotel, lern­te das Geschäft ken­nen.

belles21999 dis­ku­tiert man in der Familie, ob man das Hotel wei­ter behal­ten will, oder ob man das Familienvermögen ver­teilt und ver­kauft. Marianne Estène-Chauvin ent­schei­det sich für das Hotel und kauft es. Eine finanz­schwe­re Bürde, aber zusam­men mit einer Bank stemmt sie die Verantwortung. Sie fin­det die alten Möbel aus den frü­hen Jahren im Depot und lässt das Inventar restau­rie­ren. Das Hotel wird in der alten Tradition her­ge­rich­tet, auf­wän­dig restau­riert und reno­viert. Es ist eine Augenweide. Wenn Côte d’Azur, dann so! Die Hotelgänge auf den Stockwerken wur­den den­je­ni­gen eines Schiffes nach­emp­fun­den, und wir­ken mit den blau-weiss gestreif­ten Tapeten und den gol­de­nen Handläufen wun­der­bar ver­spielt. Die Zimmer sind nicht über­mo­dern, und man hat dar­auf geach­tet, stil­voll und dem Haus ent­spre­chend ein­zu­rich­ten. Die Farben sind char­mant gewählt, die Möblierung macht Lust, und der Blick aus dem Fenster auf das Meer ver­schlägt einem die Sprache.

In der Empfangshalle wur­den die alten Sessel neu gepol­stert und mit fri­schem Leder bezo­gen. Solche Sessel kosten heu­te ein Vermögen, doch hier wirkt es nur ange­passt und kor­rekt. Es ist nicht prunk­voll und über­la­den, son­dern wirkt zeit­ge­mäss – ein­fach wie damals. Es ist ein Luxushotel, und die Preise sind wäh­rend der Saison für nor­ma­le Budgets schmerz­haft. Aber aus­ser­halb der Saison lohnt es sich, das Hotel zu besu­chen. Gerade im Frühling, wenn die Poesie der Farben und die Stimmung noch nicht von den vie­len Touristen zer­tram­pelt wird.

In die­sem Winter wur­de das haus­ei­ge­ne Restaurant für über eine hal­be Million Franken auf Hochglanz gebracht, und das hat sich mehr als gelohnt: Das «La Passagère» hat im Januar einen Michelin-Stern erhal­ten, zusam­men mit dem Chef Yoric Tièche und dem Chef-Patisserie Steve Moracchini, die je von Gault & Millau als Chef des Jahres gewür­digt wur­den.

Die Hotelbar lädt zum Abhängen ein – oder tags­über zum Träumen. Solch idyl­li­sche Orte fin­det man heu­te kaum noch in Hotels. Draussen ist eine nicht enden­de Terrasse, eine Treppe hin­un­ter zum Uferplatz, der im Sommer mit Liegestühlen und einer eige­nen Bar zum Show-Lauf ein­la­den.

Wichtig bei einem Hotel die­ser Klasse ist selbst­ver­ständ­lich, dass das Personal gleich tickt und mit dem Gebäude zusam­men­spielt. Im «Belles Rives» wird ein­drück­lich gezeigt, was von einem Hotel erwar­tet wer­den kann. Das ist kei­ne auf­ge­setz­te Freundlichkeit, son­dern es sind stol­ze Mitarbeiter (fast aus­schliess­lich männ­lich), die das Hotel sel­ber auch lie­ben. Luca Enrico, Head Concierge, ist nur ein Beispiel für einen Mitarbeiter, den man Klonen soll­te. Die Welt braucht sol­che Menschen – sie machen jeden Ferienaufenthalt zum wirk­li­chen Traum. Das Hotel «Belles Rives» betritt man als Gast und ver­lässt eine Familie. Man sieht sich wie­der. Das ist das Versprechen, wel­ches man beim Hinausgehen hin­ter­legt.

Hôtel Belles Rives
33, bd Édouard Baudoin
06160 Juan-les-Pins (Cap d’Antibes)
www.bellesrives.com

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