Zwischen Bayern und Bern – #3: Musikalisches

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Von Hannes Liechti (München) und Pablo Sulzer (Bern) – Musikalisches, Blitz und Donner. Bern tob­te. Das Gurtenfestival ver­ein­te auch in die­sem Sommer zahl­rei­che hoch­ka­rä­ti­ge Acts, wel­che den Besuchern (und den lärm­ge­plag­ten Anwohnern) noch län­ger in Erinnerung blei­ben wer­den. Auf dem Berner Hausberg tra­fen sich eini­ge der talen­tier­te­sten MusikerInnen der Rock/Pop-Gegenwart. Aus allen Winkeln der Welt waren sie ange­reist, jeder Kontinent war zumin­dest mit einem Künstler ver­tre­ten. Die Schweizer Musikschaffenden muss­ten sich jedoch kei­nen Deut vor dem Rest ver­stecken. Die Organisatoren sind sicht­lich dar­in geübt, den schwie­ri­gen Spagat einer aus­ge­wo­ge­nen Programmgestaltung zu schaf­fen. Die musi­ka­li­sche Bandbreite war folg­lich ein­mal mehr ein­drück­lich, kein Musikstil kam zu kurz. An Angebot wür­de es aber auch ohne die­ses jähr­li­che Gipfeltreffen sicher­lich nicht feh­len.

Setzt man ein­mal Fuss in der Stadt Bern, sieht man sich bald mit einer gewal­ti­gen Ladung an musi­ka­li­schen Events kon­fron­tiert. Auch wenn man sich Augen und Ohren bewusst zuhält, ent­kommt man dem Musiktreiben die­ser Stadt kaum. Ob im ISC abzu­rocken, im Berner Kulturcasino Klaviersonaten zu lau­schen oder den elek­tro­ni­schen Klängen der Dampfzentrale zu ver­fal­len; viel­leicht eher in der Mühle Hunziken zu Los Lobos tan­zen, im Gaskessel dem Reggae-Groove fröh­nen oder im Wasserwerk zu fet­ten Beats mit­wip­pen.

Obwohl das Gurtenfestival der abso­lu­te Musikhöhepunkt des Jahres ist, fin­det man in Bern auch wäh­rend den rest­li­chen Monaten hoch­ste­hen­de Anlässe. Das Buskers Festival, in den Strassen der Altstadt, ist eines davon. Während drei Tagen wer­den die Strassen von unge­fähr dreis­sig Artisten-Gruppen bevöl­kert, und das Angebot kann sich auch in die­sem Jahr wie­der sehen las­sen: von Jazz über Street Funk bis hin zu Celtic Folk. Eine all­jäh­ri­ge Perlensuche im histo­ri­schen Zentrum, bei der jeder auf sei­nen Geschmack kommt.

Ist das alles? Fast. Natürlich hat auch Bern ein Stadion, wo sich ab und zu Showgrössen wie Coldplay, Robbie Williams oder Bruce Springsteen die Ehre geben, doch zuge­ge­ben nicht in Münchner «Olympia»-Grösse. Festivals, wel­che wie ein Tollwoodfestival drei Wochen dau­ern, sind eher spär­lich gesät. Doch was hier sicher­lich nicht fehlt, sind Ausgehmagazine, die die nöti­gen Veranstaltungsinfos lie­fern. So ermög­li­chen «Bewegungsmelder», «Kulturagenda» und natür­lich «ensuite – kul­tur­ma­ga­zin», dass jeder Berner Musikgeniesser zu sei­nem indi­vi­du­el­len Musikerlebnis kommt. Ob man denn am Konzertgeschehen teil­neh­men kann, hängt dann meist an der sorg­fäl­ti­gen Lektüre der Magazine und weni­ger am Willen des Türstehers.


Lust auf Jazz? Kein Problem: Chick Corea im Prinzregententheater. Lust auf Klassik? Kein Problem: Die Münchner Philharmoniker in der Philharmonie am Gasteig. Und Lust auf Ska, Rock, Jazz, Funk, Hip-Hop und Latin? Kein Problem: Entweder nimmt man das Ausgehmagazin «in München» zur Hand oder man besucht das Konzert von The Cat Empire in der Theaterfabrik (Wer kei­ne Lust auf Niveau hat, kann sich auch Lady Gaga im Zenith zu Gemüte füh­ren.).

In München ist also was los, und das auch mit­ten im Sommer. Genauso gehört es sich für eine Grossstadt. Das Angebot ist rie­sig und umso schwie­ri­ger ist es, dar­aus die rich­ti­gen Perlen aus­zu­wäh­len. Eine sol­che Perle ist das Tollwoodfestival im Olympiapark. Während über drei Wochen im Juni und Juli gibt es gra­tis Konzerte und Theateraufführungen. Daneben wird kuli­na­ri­sches aus der gan­zen Welt ange­bo­ten. Dieses Jahr stand unter ande­rem auch das Berner Tanz- und Aktrobatik-Ensemble öff öff pro­duc­tions auf dem Programm. Internationale Topacts wie Amy Macdonald, Simple Minds oder Solomon Burke waren dann lei­der nicht mehr kosten­los, dafür aber umso ful­mi­nan­ter. Man darf sich bereits jetzt auf die Winterausgabe auf der Theresienwiese mit Glühwein & Co. freu­en.

Im Olympiapark geht es auch ohne Tollwood musi­ka­lisch zu und her: Grosskonzerte des Olympiastadions kön­nen näm­lich vom gegen­über­lie­gen­den Olympiaberg zumin­dest aku­stisch her­vor­ra­gend mit­ver­folgt wer­den. Bei Volksfeststimmung sind so Grössen wie Depeche Mode, Bruce Springsteen oder Madonna ohne Eintrittskarte bei einem Picknick zu genies­sen.

Auch an Klassik hat München eini­ges zu bie­ten: Die welt­be­rühm­ten Konzertsäle in der Residenz (Herkulessaal) oder in der Philharmonie am Gasteig prä­sen­tie­ren Klassik auf höch­stem Niveau für ange­neh­me Preise. Dabei kann man sich auch ohne Anzug und Krawatte wohl­füh­len. Gerade in den Sommermonaten gibt es zahl­rei­che Openairkonzerte: Klassik am Odeonsplatz konn­te die­ses Jahr mit dem Klavierduo Katia und Marielle Labèque auf­trump­fen, wäh­rend der Opernstar Anna Netrebko auf dem Königsplatz das Publikum in Scharen anzog.
Wer schliess­lich lie­ber Wetterfestes besucht, fin­det in München zahl­rei­che Jazz- und Nightclubs. Bei letz­te­ren ist aller­dings Vorsicht gebo­ten: Clubs wie Rote Sonne, Erste Liga oder Registratur zie­hen es vor, trotz oder gera­de wegen ihrem hoch­ka­rä­ti­gen Programm, sich das Publikum exklu­siv aus­zu­wäh­len. Nicht sel­ten wird man an der Türe ohne wirk­li­che Gründe abge­wie­sen. Möchte man aber doch an der Münchner Exklusivität teil­ha­ben, gilt: 1) sprich nicht mit dem Türsteher, 2) tu so, als ob du Münchner wärst und 3) kom­me nur in weib­li­cher Begleitung.

Foto: Jonathan Liechti
ensuite, August 2009

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