Vrenelis Gärtli

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Von Belinda Meier – Der erfolg­rei­che Roman «Vrenelis Gärtli» des in Glarus auf­ge­wach­se­nen Schriftstellers Tim Krohn wur­de durch die Produktionsplattform thea­ter kon­stel­la­tio­nen erfolg­reich als Theaterstück auf die Bühne gebracht und eröff­net durch Spiel, Sprache, Klang und Musik ein Tor zu einer magi­schen und ver­träum­ten Welt.

Tim Krohn erzählt in «Vrenelis Gärtli», dem Nachfolgeroman von «Quatemberkinder» die fan­ta­sti­sche und aben­teu­er­li­che Geschichte von Vreneli, die­sem «Meitli» und beson­de­ren Wesen der Glarner Bergwelt, das in einem Kosmos erdrücken­der Realität und fan­ta­sti­scher Zauberwelt gren­zen­lo­ser Möglichkeiten auf­wächst.

Sprache und Sage Krohns Markenzeichen, die Sprache, ist gespickt von glar­ner­deut­schen Ausdrücken. Sie ist iden­ti­fi­ka­ti­ons­stif­tend und macht die Welt von Vreneli unmit­tel­bar und loka­li­sier­bar. Der Stoff in «Vrenelis Gärtli» wie auch in «Quatemberkinder» sind Glarner Sagen und Mythen. Daraus hat Tim Krohn sei­ne Figuren geschaf­fen. Vrenelisgärtli ist der Name des Schneefeldes auf dem Glärnisch, dem Heimberg der Glarner. Die Sage besagt, dass die Tochter eines mäch­ti­gen Berggeistes hoch oben auf dem Glärnisch im Verborgenen einst die schön­sten Alpenblumen zog, bis schliess­lich ein Student sie und ihren Garten ent­deck­te und eine ver­bo­te­ne Liebe ihren Lauf nahm.

Vrenelis Welt Vrenelis Mutter stirbt früh; ihrem Vater, dem Fessisbauer, wird des­halb der Pakt mit bösen Mächten nach­ge­sagt. Die Leute wen­den sich von ihnen ab und Vreneli wächst so fern­ab der Gesellschaft auf. Obschon es nicht der Pakt mit bösen Mächten ist, ist es wahr­lich so, dass Vreneli ein beson­de­res Wesen ist. Sie ist ein Quatemberkind, das in einer sagen- und mythen­um­spon­ne­nen Welt lebt, gleich­zei­tig aber auch ein ganz nor­ma­les Leben auf der Alp führt. Ihr selt­sa­mes Wesen hat die Vriinä von ihrer Mutter. Auch sie war kein «rich­ti­ges Mäntsch». Auf dem Urnerboden erlernt Vreneli beim Bersiäneli, die­ser von Gott zur Unsterblichkeit ver­damm­ten Sünderin, das Zauberhandwerk. Schon bald ver­mag sie sich in ein «Füchsli» zu ver­wan­deln und «füchs­let» so oft es geht über die Gletscher. Später ret­tet sie eine rei­che Fabrikantentochter aus der Gefangenschaft eines bösen Hexers. Dieser, in Wut ent­brannt, ver­folgt die Vriinä seit­her unun­ter­bro­chen und bringt auch den Waisenknaben Melk, in den sie sich ver­liebt, in gros­se Gefahr.

Viele Rollen – vier Schauspieler Regisseur Jonas Knecht und Dramaturgin Anita Augustin haben Tim Krohns «Vrenelis Gärtli» auf die Bühne gebracht. Das Stück wur­de in Chur urauf­ge­führt, hat anschlies­send in der Roten Fabrik in Zürich die Zuschauer begei­stert, und nun auch die Berner im Schlachthaus Theater wäh­rend drei­er Abende ver­zau­bert. Die SchauspielerInnen Eleni Haupt, Anja Tobler, Matthias Flückiger und Mathis Künzler über­neh­men wäh­rend der Inszenierung sowohl meh­re­re Rollen als auch abwech­selnd die Erzählerstimme. Der Rollentausch erfolgt ganz unkom­pli­ziert am Bühnenrand. Ähnlich mühe­los bewerk­stel­li­gen die Schauspielenden die Veränderungen des Bühnenbildes, indem sie selbst Hand anle­gen und die­sen Akt ins Spiel inte­grie­ren. Die mul­ti­funk­tio­na­le, metal­le­ne Schrägwand (Bühnenbild: Brigit Kofmehl) erzeugt sowohl Gewitter als auch ande­re ohren­be­täu­ben­de Geräusche, und simu­liert gleich­zei­tig die mäch­ti­ge und vom Tal her auf­tür­men­de Glarner Bergwelt. In die­ser engen Welt springt Vreneli als «Füchsli» auf und ab und hin und her. Das Schauspiel und Bühnenbild wird schliess­lich von urchigen und teils selt­sam anmu­ten­den Klängen (Live-Musik: Anna Trauffer und Mathias Weibel) beglei­tet und eröff­net damit eine Welt, in der sich Realität, Traum, Magie, Mythos und Sage bestens ver­mi­schen.

Vreneli, Bersiäneli und der Tod Anja Toblers Verkörperung die­ses ver­spiel­ten, ver­schmitz­ten, muti­gen und stur­köp­fi­gen Vrenelis ist vor­treff­lich. Ihre vol­ler Aufregung dahin­ge­rat­ter­te und immer schnel­ler wer­den­de Erzählung über ihre Flucht vor dem bösen Hexer erzeugt sowohl Dynamik als auch Spannung, und lässt die Zuschauerinnen und Zuschauer Vrenelis Abenteuer vor dem inne­ren Auge haut­nah mit­er­le­ben. Und wenn Anja Tobler nicht gera­de über den Glarner Firn «füchs­let», beweist sie auch in der Rolle eines ein­ge­ses­se­nen und eng­stir­ni­gen Bauers beim «Fyrabigbier» in der «Beiz» ihre schau­spie­le­ri­sche Wandelbarkeit. Eleni Haupt in der Rolle des Bersiäneli über­zeugt eben­so sehr. Diese lebens­mü­de Zauberin mit ihrer kau­zi­gen Rasta-Mähne und ihrer der­ben Aussprache ver­brei­tet sowohl Charme als auch Furcht. Ihr Begleiter in Schwarz, der Tod, wird von Mathis Künzler (Hauptdarsteller der deut­schen Soap «Verliebt in Berlin») ver­kör­pert und wirkt düster, leb­los und apa­thisch. Seine Furcht erre­gen­de Mimik und die dämo­nen­haf­ten Körperverrenkungen rufen ein Gemisch aus Ekel, Abscheu und Entzücken her­vor. Spätestens beim gemein­sa­men Tango von Bärsianeli und dem Tod, der so skur­ril daher­kommt und ein gros­ses komi­sches Potenzial auf­weist, über­wiegt das Entzücken sei­tens des Betrachters voll­stän­dig.

Wie auch schon in frü­he­ren Stücken unter­sucht thea­ter kon­stel­la­tio­nen auch in «Vrenelis Gärtli» den Begriff der Heimat auf spie­le­ri­sche Art und Weise. «Dieses Gefühl, oben auf einem Berggipfel zu hocken, müde vom Aufstieg», erklärt Regisseur Jonas Knecht, «bedeu­tet für mich ganz stark Heimat». In sei­ner Auffassung sei die Auseinandersetzung mit Heimat nicht an einen bestimm­ten Ort gebun­den. Folglich kön­ne man auch die Alpen als meta­pho­ri­sche Landschaft begrei­fen. Sein Fazit: «Auch der urba­ne Flachländler hat sei­ne Alpen.»

Foto: zVg.
ensuite, Februar 2011

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