Unser Garten Eden

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Von Lukas Vogelsang – Für vie­le Menschen ist ein Schrebergarten ein rotes Tuch, den Plastikgartenzwergen gleich ein ober­bünz­li­ges Kleinbürgertum. Schrebergärten – die Namensgebung stammt vom Leipziger Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber, und der Begriff tauch­te 1864 auf – sind eigent­lich ganz ein­fa­che Klein- oder Familiengärten. Sie wur­den vor allem für Arbeiterfamilien bereit­ge­stellt, damit sich die­se sel­ber zu Fleiss und Familiensinn erzie­hen und dem Alkohol und der Politik fern­blie­ben. Natürlich ver­än­der­te sich der Sinn eines Schrebergartens, je nach Versorgungslage. Im Ersten Weltkrieg war das Bedürfnis nach dem eige­nen Gemüsegarten ein gros­ses Thema. So wuchs das Bedürfnis und die Anzahl der «Kleinbauern», sodass 1925 der erste Dachverband all die Kleingärtnervereine betreu­te. Im Jahr 2005 zähl­te der Schweizer Familiengärtner-Verband rund 28›500 Mitglieder und 375 Gartenareale. Städte und Gemeinden stel­len die Areale dau­er­haft zur Verfügung, Genossenschaften ver­wal­ten die Gartengrundstücke.

In die­sen klei­nen grü­nen Oasen, in die­ser krea­ti­ven Stadtbegrünung wer­kelt ein bun­ter kul­tu­rel­ler Mix von Menschen aller Welt. Hier arbei­ten – oft fried­lich – die gegen­sätz­lich­sten Traditionen und Religionen unter der ganz eige­nen Nationalflagge. Diese klei­nen Ländereien mit ihren FürstInnen und KönigInnen tei­len sich ein Stück Schweizer Demokratie, ob man jetzt tür­ki­scher, kur­di­scher, slo­we­ni­scher, bos­ni­scher, alba­ni­scher, kroa­ti­scher oder auch ganz ein­fach schwei­ze­ri­scher Herkunft ist.

Diesem Phänomen hat sich Mano Khalil, ursprüng­lich syri­scher Herkunft, als Regisseur, Produzent und Kameramann genä­hert. Für die Musik ist Mario Batkovic zustän­dig, einer der Berner Gruppe «Kummerbuben», sel­ber auch ein Kroate aus Bosnien. Der fast skur­ri­le Kulturmix ist also per­fekt.

Ebenso fast per­fekt ist der Film. Es ist gro­tesk, dass wir ZuschauerInnen eben gera­de durch die­ses Universum von Kulturen unse­re Heimat lie­ben ler­nen. Neben wirk­lich lusti­gen Szenen und äus­serst humor­vol­len Menschen hat die­ser Film einen Charme, der Herzen öff­net.
Mano Khalil ver­steht es, die­se manch­mal fast par­odie­ar­ti­gen Menschen so zu fil­men, dass wir ihnen mit Respekt und lie­be­vol­lem Verständnis begeg­nen kön­nen. Es ani­miert sogar, sich sel­ber nach so einem Schrebergarten umzu­se­hen – um ein Teil die­ser berüh­ren­den, mensch­li­chen und hoff­nungs­vol­len Welt zu wer­den.

Wer eine Aversion oder eine (oder kei­ne) Vorstellung hat­te, was ein Schrebergarten ist oder den Faden zur Realität der Schweiz ver­lo­ren hat, soll­te sich unbe­dingt die­sen Film anse­hen. Ein über­ra­schen­der Film, ein über­ra­schen­der Spiegel einer Schweiz, an die wir uns gewöh­nen dür­fen. Phantastisch!

Bild: Keine trü­ge­ri­sche Idylle! / Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010

 

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