«Trance»

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Von Andreas Meier – Danny Boyles neue­ster Film «Trance» beginnt, wie ein typi­scher Heist-Film übli­cher­wei­se endet. Ein Auktionshaus wird inmit­ten einer Versteigerung von einer Gruppe von pro­fes­sio­nel­len Kriminellen über­fal­len; Schnitt für Schnitt ver­krüp­peln sie die Sicherheitssysteme und Vorsichtsmassnahmen mit einer Kombination aus Finesse und kal­ku­lier­ter Gewalt. Ihr Ziel ist Francisco Goyas Gemälde «Flug der Hexen». Die Räuber sind cool, ent­schlos­sen und in höch­stem Masse fähig; Simon (James McAvoy), ein Angestellter des Auktionshauses und Komplize der Räuber, kom­men­tiert das Geschehen aus dem Off mit der selbst­si­che­ren, gelas­se­nen Stimme von jeman­dem, der genau weiss, was gespielt wird.
Doch der Überfall läuft schief. Simon hin­ter­geht die Räuber und ver­steckt das Bild. Aber auch er hat schluss­end­lich Pech; er lan­det mit einer schwe­ren Kopfverletzung im Spital und kann sich nicht an das Versteck des Gemäldes erin­nern. Nachdem er in den Händen sei­ner ehe­ma­li­gen Komplizen lan­det und alle Folter nichts nützt, zwin­gen die­se ihn dazu, einen Hypnotherapeuten auf­zu­su­chen, um sich zu erin­nern. Die Therapeutin Elizabeth (Rosario Dawson) kommt ins Spiel und bringt mit ihrer Hypnose mehr ans Licht, als Simon oder die Räuber je hät­ten ver­mu­ten kön­nen.

Der Konflikt um das gros­se Geld ver­wan­delt sich plötz­lich in einen psy­cho­lo­gi­schen Konflikt, einer­seits zwi­schen den Mitgliedern der Gruppe, ande­rer­seits zwi­schen Simon und sei­nem Unterbewusstsein. Nach und nach ver­schwin­det die Coolness und Selbstsicherheit der ersten 10 Minuten und macht Verwirrung und all­ge­mei­ner Unsicherheit Platz. «Trance» spielt kon­ti­nu­ier­lich mit den Gegensätzen von Dominanz und Unterlegenheit, (vor­ent­hal­te­nem oder ver­lo­re­nem) Wissen und Ignoranz; das Thema der Hypnose-Trance passt durch sei­ne Ambiguität schön in die­se Dynamik, da es das Klischee «Wissen ist Macht» immer umzu­wer­fen droht; schliess­lich ist das ans Licht gebrach­te Wissen kein schö­nes und zeigt den Charakteren ihre gröss­ten Schwächen, Fehler und Ängste auf. Doch gleich­zei­tig ist der Zweck der Hypnose natür­lich das Überwinden und die Beherrschung all die­ser nega­ti­ven Aspekte der Psyche.

Vergleiche mit «Inception» (2010) drän­gen sich fast auf. Beide dre­hen sich um die Geheimnisse in der mensch­li­chen Psyche. Beide spie­len auf meh­re­ren Ebenen; «Inception» auf meh­re­ren Traumebenen, «Trance» auf meh­re­ren zeit­lich wie psy­cho­lo­gisch getrenn­ten Ebenen; Wachzustand und Hypnosetrance, sowie Gegenwart und Vergangenheit. Der grund­sätz­li­che Unterschied zwi­schen den bei­den Filmen ist die Rolle des Irrationalen und des Surrealen in «Trance» und die Art und Weise, wie sich die Wahrnehmungen von Traum und Realität zu über­schnei­den begin­nen. Die Traumebenen in «Inception» sind intel­li­gent, aber schluss­end­lich nicht viel mehr als eine gute Ausrede, um unge­wöhn­lich ver­schach­tel­te, par­al­le­le Actionsequenzen zu ermög­li­chen. In «Trance» dage­gen fühlt sich selbst die Ebene des Realen ver­stärkt wie ein Traum an; die Verkettung von Ursache und Wirkung und die Motivationen der Charaktere wer­den unklar (was ein wenig an David Lynchs Filme erin­nern kann); und der Rhythmus von Neonlicht und Musik spie­geln gelun­gen das Thema der Trance in der Wahrnehmung des Zuschauers wie­der. Der grös­se­re Fokus und der klei­ne­re, inti­me­re Rahmen lässt «Trance» manch­mal fast wie eine Kammerspielvariante von «Inception» erschei­nen.
Das alles heisst aber nicht gleich, dass «Trance» oder sei­ne Charaktere psy­cho­lo­gi­sche Tiefe haben; die gibt es hier eben­so wenig wie bei «Inception». Sein Fokus ist nicht eine scharf­sich­ti­ge, psy­cho­lo­gi­sche Darstellung sei­ner Akteure, son­dern das Ausgraben von Informationen, die dann die gesam­te vor­he­ri­ge Interpretation des Zuschauers auf den Kopf stel­len sol­len. Der Film bie­tet am Ende eini­ge Twists, die man kaum als Deus Ex Machina oder Fremdkörper im Film bezeich­nen kann. Doch die Darlegung die­ser Informationen hät­te um eini­ges ele­gan­ter sein kön­nen. So wirkt das gan­ze etwas künst­lich, was kaum hilft wenn man bedenkt, dass die Erklärungen sowie­so schon die Glaubensbereitschaft der Zuschauer etwas stra­pa­zie­ren dürf­ten. Seltsamerweise wirkt die Auflösung dann aber gleich­zei­tig im Kontrast zur Irrationalität und Surrealität des Vorhergegangenen etwas pro­sa­isch und anti­kli­mak­tisch. Dass der gan­ze Film offen­sicht­lich mit star­kem Fokus auf die­se Auflösung zusteu­ert, und die­se dann aber bei wei­tem nicht die gröss­te Stärke des Films ist, ist etwas ent­täu­schend.
Ein ver­wand­tes Problem ist die Schwierigkeit, sich mit den Charakteren zu iden­ti­fi­zie­ren. Die Surrealität, die Verwirrung von Kausalität und Motiven, der Fokus auf ver­steck­te Vergangenheiten und die Frage, was real und was Einbildung ist, sind ver­wir­ren­de Aspekte, die den Zuschauer von den Charakteren los­kop­peln kön­nen. An und für sich muss das kein Problem sein, doch es wird zu einem wenn am Ende dann doch alles erklärt wer­den kann und alles Obskure und Irrationale hin­ter einer kohä­ren­ten, linea­ren Erzählung auf­ge­löst wird. Und wenn das Mysterium ein­mal zu bröckeln beginnt, gibt es kaum etwas, an dem man sich sonst fest­hal­ten könn­te.

Doch so lan­ge das Mysterium hält ist «Trance» durch­aus ein sehens­wer­ter, inter­es­san­ter und schwer zu durch­schau­en­der Film.

Regie: Danny Boyle. Drehbuch: Joe Ahearne, John Hodge. Darsteller: James McAvoy, Rosario Dawson, Vincent Cassel u.a. Laufzeit: 101min. UK 2013.

Foto: zVg.
ensuite, August 2013

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