Take a Stepp

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Von Barbara Roelli – Wir tref­fen uns kurz vor Weihnachten zum Glühweinapéro im Wald. Dazu: Weihnachtsguetzli. Die essen wir lie­ber jetzt statt nach Neujahr, wenn sie staub­trocken sind und man dar­auf sit­zen bleibt, weil alle andern auch gebacken haben: das Gottenkind, die Nachbarin, und die Leute von der Behindertenwerkstatt, bei denen man am Weihnachtsmarkt ein Säckli abkau­fen und nicht nein sagen konn­te.

Alle Jahre wie­der ertönt, wie auch bei die­sem Glühweinapéro der Firma X im Wald, die­sel­be Leier: Geniessen will man, festen, fei­ern – aber auf kei­nen Fall darf man davon etwas sehen. Wehe, die Weihnachtsschoggi setzt an den Hüften an oder das Rollschinkli lässt den Bauch wach­sen. Und dann die Sorgen um den Alkohol mit den vie­len ver­steck­ten Kalorien, denen man sich nicht ent­zie­hen kann beim Firmenessen, Heiligabend, Weihnachten, Silvesterparty und Neujahr!

Glücklicherweise gibt es ein Kleidungsstück, das sich dem von der Völlerei gezeich­ne­ten Körper annimmt: Die Steppjacke. Stepp- oder auch Daunenjacken genannt, kaschie­ren ele­gant die Röllchen an Bauch und Hüften, indem sie die­se sel­ber imi­tie­ren – die Pölsterchen also zum Stil erklä­ren. Was die­sen Jacken eigen ist: Sie machen äus­ser­lich dick und gleich­zei­tig stark. Menschen mit Daunenjacken schei­nen von der Michelinfigur abzu­stam­men – dem Maskotten des fran­zö­si­schen Reifenherstellers Michelin. Und wenn es schneit, die in Steppjacken Gehüllten die Kapuzen über den Kopf zie­hen und womög­lich noch in Moonboots durch den Schnee stap­fen, dann wäh­ne ich mich auf dem Mond, in einem laut­lo­sen Raum, die Bewegungen auf Zeitlupentempo gedros­selt. Die von Steppjacken Umhüllten spü­ren nichts von den zwei­stel­li­gen Minustemperaturen. Die Dauen, die kur­zen flau­mi­gen Federchen in ihren Jacken, hal­ten dicht. Die Jacken sel­ber sind feder­leicht.

Daunen- und Steppjacken sind Sache des Typus: Der Typus Russin – Winterferien in Gstaad, gros­se Dior-Sonnenbrille, auf­ge­spritz­te Lippen mit Lipgloss befeuch­tet, blon­dier­te Mähne; dazu eine hüft­lan­ge, tail­lier­te Daunenjacke, glän­zend schwarz mit brei­tem Gurt, üppig mit Daunen gefüllt, hori­zon­ta­len Steppnähten, Reissverschluss in gold, ech­tes Fuchsfell um die Kapuze, Preis auf Anfrage.

Der Typus Brite: kräf­ti­ges, rot­brau­nes Haar, Sommersprossen, auf der Jagd: geschul­ter­tes Gewehr, mit dabei zwei Irish Red Setter mit glän­zen­dem Fell wegen Pedigree; dazu eine Steppjacke in tan­nen­grün, regen­ab­wei­sen­der Stoff, gro­bes Rhombenmuster, Kragen aus camel­brau­nem Manchester, Holzknöpfe als Verschluss.

Der Typus Seniorin: auf einem Herbstspaziergang mit dem Hund (Dackel), ein­keh­ren im Tea Room, Café Crème und ein Japonais, grau­es Haar im Kurzhaarschnitt, him­beer­ro­ter Lippenstift, dazu eine beige Steppjacke, fei­nes Rhombenmuster, pfle­ge­leicht aus Polyester, mit leich­ter Wattierung, wenig tail­liert, Länge bis übers Gesäss, mit Druckknopfverschluss, Stehkragen und auf­ge­näh­ten Taschen fürs Nastuch und Hundekotsachet.

Ich habe immer gedacht, ich sei kein Daunen- und Steppjacken-Typ. Bis mir auf einem Mercato im Tessin ein Modell ins Auge gesto­chen ist, das ich haben muss­te. Eine Steppjacke bis zu den Hüften, grob hori­zon­tal gesteppt, perl­mutt­far­be­ner Polyester, auf Schultern und Ärmeln ein bun­tes Blumenmuster aus Mohn, Lilien, Nelken, Margeriten, Rosen, Himbeeren samt Blättern. Verschluss mit Druckknöpfen. Kleiner Stehkragen wie bei den chi­ne­si­schen Satinkleidern. Zwei raf­fi­niert ein­ge­näh­te Taschen – von aus­sen nicht sicht­bar. Typ Frau Anfang Dreissig: sel­ten in Gstaad, nicht auf der Jagd, ohne Hund, zum Glühweinapéro im Wald, fühlt sich wie Michelin auf dem Mond.

Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2013

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