Tagung und Fest

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Von Karl Johannes Rechsteiner – Neue Perspektiven trotz Sklavengeschichte: Auch in Bern mach­te man einst Profite mit dem Verschiffen von afri­ka­ni­schen Sklaven und bil­li­gen Rohstoffen aus Übersee. Auf den alten Handelsrouten enga­giert sich die Berner Entwicklungsorganisation cooper­axion und lädt ein zu Tagung und Fest im Kornhausforum.

Stell dir vor, du bist recht­los. Du gehörst jemand ande­rem, der mit dir tun kann, was er will. Stell dir vor, du kannst ver­kauft wer­den, bist eine Ware, wirst gar auf einem Markt beäugt, ob du was taugst. Stell dir vor, du hast kei­nen Anspruch auf see­li­sche Bindungen oder Familienleben. Wenn du fliehst, gibt es die Todesstrafe. Stell dir vor, du musst von früh­mor­gens bis spät­abends arbei­ten, ohne Verdienst, seit du ein Kind bist. Und jetzt stell dir vor, dass es sol­che Sklaverei seit dem Altertum gibt. Immer noch. Bis jetzt. Auch heu­te.
Systematisch ein­ge­fan­gen und ver­kauft wur­den Sklaven vor allem im 17. und 18. Jahrhundert in Afrika – ins­ge­samt etwa 25 Millionen Menschen. Aber auch im Jahr 2010 wer­den bei­spiels­wei­se Kinder aus dem west­afri­ka­ni­schen Mali für 200 bis 300 Euro in die Elfenbeinküste ver­kauft, zur (Gratis-) Arbeit auf Kakaoplantagen. Einst und jetzt schwar­ze Geschäfte mit gros­sem Profit.

Auch der Staat Bern misch­te damals im trans­at­lan­ti­schen Dreieckshandel mit: Bei den afri­ka­ni­schen Fürsten beliebt waren bedruck­te Stoffe aus der Schweiz und Frankreich, so genann­te Indiennes. Solche Produkte wur­den nach Westafrika ver­sandt und gegen Sklaven ein­ge­tauscht, die man für Fronarbeit auf Baumwoll‑, Tabak- oder Zuckerplantagen nach Amerika ver­frach­te­te. Viele von ihnen star­ben bereits auf der Überfahrt. In Übersee wur­den dann gün­sti­ge Rohstoffe gela­den, von Kaffee über Kakao bis Kautschuk. Die Ausbeutung der Sklaven und die Erträge die­ser Handelsrouten waren ent­schei­dend für den Aufbau des Wohlstands in Europa.

Das Ancien Régime der Berner Patrizier woll­te an die­sen Geschäften mit­ver­die­nen und inve­stier­te zum Beispiel in Aktien der bri­ti­schen South Sea Company, wel­che auch im Sklavenhandel zu den füh­ren­den Firmen gehör­te. 1720 war Bern der gröss­te Aktionär des Handelsunternehmens. Dessen Papiere boom­ten und ver­drei­fach­ten ihren Wert innert weni­ger Monate. Der Verkauf brach­te so fet­te Erträge, dass King George I. hims­elf den Bernern zu ihrem Coup gra­tu­lier­te. Während der transatlan­tische Handel auch dank Sklaverei gigan­ti­sche Gewinne abwarf, ver­sprach in Bern zur glei­chen Zeit die Symbolfigur «Berna» Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand. Doch die Freude am Profit dau­er­te nicht lan­ge. Denn die ein­zi­ge Berner Bank Malacrida und die mit ihr ver­bun­de­ne Samuel Müller & Cie. in London wur­den durch Finanzspekulationen zah­lungs­un­fä­hig: Der erste Berner Banken-Crash…

Heute den­ken in Bern enga­gier­te Leute auf ande­re Weise an die Ereignisse. Auf der Webseite www.cooperaxion.ch infor­miert gar eine Datenbank über histo­ri­sche Hintergründe der Sklaverei. Wichtiger aber sind der klei­nen Stiftung für nach­hal­ti­ge Entwicklung neue Perspektiven auf den alten Sklavenrouten. Im west­afri­ka­ni­schen Liberia etwa wird durch das Fussball- und Kulturprojekt «Kick for your Future!» Berufsbildung für Jugendliche geför­dert. In Nordostbrasilien kann sich ein Quilombo-Dorf, einst von ent­lau­fe­nen Sklaven gegrün­det, mit einer Ölmühle für Babaçunüsse eine wirt­schaft­li­che Zukunft auf­bau­en. Am Fest im Kornhausforum gibt’s mehr Infos, Diskussionen, Food und Sound aus den Partnerländern von cooper­axion.

Foto: zVg.
ensuite, November 2010

 

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