Stürmische Zeiten

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Von Belinda Meier – Emotionsgeladen, tem­po­reich und mit einer beein­drucken­den Sprachenvielfalt prä­sen­tier­te sich «Eye of the Storm» von Charles Way, das vom Théâtre de la Grenouille unter der Regie von Charlotte Huldi am 9. und 10. März im Tojo zur Aufführung kam. Diese freie Bearbeitung von Shakespeares «Der Sturm» hat zeit­lo­sen Charakter und besticht durch die neue Perspektive der Miranda.

William Shakespeares «Der Sturm», am 1. November 1611 im Whitehall Palace in London auf­ge­führt, ist mit gros­ser Wahrscheinlichkeit sein letz­tes Stück. Verschiedenen Stimmen zufol­ge stecke hin­ter der Figur Prosperos Shakespeare sel­ber: Shakespeare, der am Ende sei­nes Schaffens dem Zauber sei­ner krea­ti­ven Schöpfertätigkeit ein Ende set­ze. Die Tatsache, dass sich Shakespeare nach Fertigstellung des Stücks vom Londoner Globe Theater distan­zier­te und wie­der zu sei­ner Familie nach Stratford zurück­kehr­te, lässt sich eben­falls mit der Figur Prosperos in Verbindung brin­gen.

Im Unterschied zu Shakespeare erzählt «Eye of the Storm» von Charles Way die Geschichte nicht aus der Perspektive Prosperos, son­dern aus jener Mirandas. Miranda lebt mit ihrem Vater Prospero, einem mäch­ti­gen Zauberer, auf einer ein­sa­men Insel. Dem Betrachter wird schnell klar, dass Prospero hier eine Scheinwelt erschaf­fen hat, in der Miranda wohl­be­hü­tet auf­wach­sen kann. Die Idylle droht aber schon bald zu bröckeln, denn Miranda, die mitt­ler­wei­le ein Teenager ist, beginnt ihr Leben zu hin­ter­fra­gen, will wis­sen, wer sie ist und woher sie kommt. Und vor allem will sie wis­sen, was für eine Welt jen­seits der Insel exi­stiert. Nachdem Prospero über Jahre den Wissensdurst Mirandas mit Vertröstungen besänf­ti­gen konn­te, macht Miranda jetzt Schluss damit und erhebt sich gegen ihren Vater. Sie ver­geht sich an sei­ner Zauberkraft und beschwört einen hef­ti­gen Sturm her­auf, der zwei jun­ge Männer der Aussenwelt ans Inselufer spült. Die Berührung mit der rea­len Welt nimmt ihren unauf­halt­sa­men Lauf.

Die Inszenierung von Charlotte Huldi besticht auf vie­ler­lei Ebenen. Zum einen sind es die Schauspieler, die fle­xi­bel und vir­tu­os zwi­schen Mundart, Deutsch, Französisch, Englisch und Spanisch wech­seln und damit unglaub­lich viel Tempo und Dynamik erzeu­gen. Zum ande­ren ist es die Art, wie sie ihren Figuren Ausdruck und Intensität ver­lei­hen. So etwa, wenn Prospero (Arthur Baratta) als auto­ri­tä­rer Vater auf­tritt und mit aller Kraft, wenn es sein muss auch mit Zauberkraft, die Loslösung sei­ner Tochter zu ver­hin­dern ver­sucht. Oder die fan­ta­sie­vol­le Art und Weise, wie Isabelle Freymond dem Luftgeist Ariel Gestalt gibt. Stefania (Liza Baumann), die sich als Mann ver­klei­det und unter dem Decknamen «Stefano» eine heik­le und fol­gen­rei­che Freundschaft mit Trinculo (Stefan Liebermann) ein­geht, wäh­rend sich die­ser in einer anbah­nen­den Liebesbeziehung mit Miranda wie­der­fin­det, ist eben­so viel­schich­tig. Vor allem aber ist es Miranda, gespielt von Pascale Güdel, die mit viel Leidenschaft und gros­sem Körpereinsatz, ihrer Gestik wie Mimik und ihrer uner­müd­li­chen Suche nach Wahrheit die Zuschauer in ihren Bann zieht. Die funk­tio­nal gestal­te­te Bühne (Verena Lafargue Rimann) mit Leinwand, auf die fan­ta­sie­vol­le, magi­sche Bilder und Traumwelten pro­jie­ziert wer­den, geben dem Inhalt eine zusätz­li­che Dimension. Die wun­der­sa­men Klänge und Geräusche (Jonas Kocher), die die Handlung beglei­ten, ver­ei­nen alles zu einem wun­der­voll mysti­schen Ganzen.

«Eye oft he Storm» ist eine stür­mi­sche und lei­den­schaft­li­che Geschichte über den Drang, eigen­stän­dig die Welt und das Leben zu ent­decken.

Infos: www.theatredelagrenouille.ch

Foto: Guy Perrenoud und Thomas Batschelet
ensuite, April 2012

 

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