Sidsel Endresen

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Von Nicolas Richard - Es gibt ja bekannt­lich eine gro­be Einteilung der Musik in so genann­te Eund U‑Musik. E steht dabei für Ernste Musik und U für Unterhaltungsmusik. Ein Verbesserungsvorschlag könn­te doch dadurch bestehen, dass man die Musik nach der Art ihrer Entstehung ein­teilt.

So gibt es mei­ner Meinung nach Musik die beim Spielen ent­steht und sol­che die «schon immer» da war. Musik als Sprache der Götter. Die Musiker haben sich nur «per Zufall» am rich­ti­gen Ort zur rich­ti­gen Zeit «ein­ge­klinkt». Paradebeispiele dafür sind: Jimmy Hendrix, Keith Jarrett, Jan Garbareck etc. Und so auch Sidsel Endresen und Christian WallumroOd in ihrem neu­sten CD-Meisterwerk «Merriwinkle».

Es wur­de bereits eini­ges über die 1956 gebo­re­ne nor­we­gi­sche Ausnahmekünstlerin geschrie­ben. Ausdrücke wie «Stimmhexe, mysti­sche Zauberei, Verkörperung des Dunklen, geheim­nis­vol­len Gegenpol im Jazzgesang» sind dabei zu lesen. Dabei steht fest: Einzigartig ist sie ihre spe­zi­el­le, nuan­cen­rei­che Stimme. Einzigartig auch die vie­len von ihr geschrie­be­nen Texte. Sie schrieb die Musik zu über zehn Bühnensowie Tanztheaterproduktionen und wur­de als nor­we­gi­sche Kulturbotschafterin zu Konzerten nach China ein­ge­la­den.

Christian WallumrOd ihr, 1971 gebo­re­ne momen­ta­ne Duo-Partner beschäf­tigt sich seit 1992 mit Jazzimprovisation und ist einer der pro­mi­nen­te­sten nor­we­gi­schen Musiker der jün­ge­ren Generation.

Sidsel star­te­te als Frontfrau der Jon Eberson Group (1981 bis 1987) ihre Karriere. Zusammen mit dem Gitarristen und Songwriter, nimmt sie fünf Alben auf, von denen zwei jeweils den nor­we­gi­schen Grammy erhal­ten. 1989 unter­zeich­net sie einen Vertrag beim deut­schen ECM-Label. Immer wie­der gelingt es dem ECM-Chef, neue auf­re­gen­de Talente im hohen Norden zu (er)hören. Eine Entdeckung ist Sidsel, deren Texte von durch­gän­gig lite­ra­ri­schem Niveau sind. Es sind stil­le Reflexionen eines den­ken­den Geistes, per­sön­li­che Statements von gros­ser Ausdruckstiefe, klar in der Sprache, packend in ihrer ruhi­gen Emotionalität. Sie singt ohne die vie­len klei­nen Tricks, mit denen Sängerinnen oft Bedeutung schin­den. Und gera­de die­ser Verzicht macht ihre Stimme so spek­ta­ku­lär: Ehrlich und unver­braucht kom­men ihre Worte, wehen und wir­ken.

Sidsel sagt über sich: «Ich bin abso­lut detail­ver­ses­sen. Ich schaf­fe eine Zone, in der die Details leben kön­nen, und fül­le sie spar­sam. Die Stille ist ein äus­serst akti­ver Raum, der vie­le Bewegungsmöglichkeiten gewährt». Sie per­fek­tio­niert ihren expe­ri­men­tier­freu­di­gen Stil, der den gesun­ge­nen Noten so viel Qualität zuspricht, wie den unge­sun­ge­nen. «Ihre Stimme ist Raum, schafft Raum. Wenn sie ein Ding singt, blei­ben min­de­stens vier ande­re Dinge unge­sun­gen» sagt Bugge Wesseltoft. Ihre Stimme wirkt manch­mal mono­ton wie Tanita Tikaram, dann aber wie­der so leben­dig wie Björk.

Sidsel Endresen öff­ne­te sich der Improvisation und der Neuen Musik, und ver­öf­fent­lich­te «So I wri­te» (1990) und «Exile» (1994). Auf bei­den CDs arbei­te­te sie bereits mit Nils Peter MolvAEr zusam­men. Während der Aufnahmen zu «Exile» lern­te sie Bugge Wesseltoft ken­nen, den füh­ren­den Kopf der nor­we­gi­schen Jazzszene, mit dem sie eine bis heu­te andau­ern­de Duokooperation begann. Gemeinsam rea­li­sier­ten sie die Alben «Nightsong» (1994) und «Duplex Ride» (1998), die für Furore in ganz Europa sorg­ten. Die Lust am Experimentieren leb­te Sidsel von 1995 bis 1999 zusätz­lich in ihrem Acapella-Trio ESE aus. Mit ihrem Solo-Projekt «Undertow» (2000) tour­te sie aus­gie­big. Drei nor­we­gi­sche Grammys und der Buddy Award (Norwegens höch­ste Jazzauszeichnung) bestär­ken dabei ihren Erfolg. Mit «Out Here, in There» (2002) erscheint bereits die drit­te Zusammenarbeit mit Endersen / Wesseltoft.

Wesseltoft ergeht sich in mini­ma­li­sti­schem Klavierund Keyboard-Spiel, streut kur­ze rhyth­mi­sche Patterns ein hier eine klei­ne Melodie in sei­nem war­men E‑PianoSound, da ein tie­fes elek­tro­ni­sches Brummen und ein hel­les Beat-Geknister. Ihr neu­stes Album «Merriwinkle» (2004) ist ein magi­sches Album eine sehr zeit­ge­nös­si­sche Version des klas­si­schen Duo-Formats.

Keith Jarrett, der Ausnahmepianist, sagt über Improvisation: «There‘s never been a time when impro­vi­sa­ti­on was given the respect it deser­ved.» Wer weiss ob die­se Zeit da ist oder noch kom­men wird. Sidsel hat jeden­falls einen gros­sen Beitrag dazu gelei­stet.

«Ich möch­te dahin kom­men, wo sich eine Menge sagen lässt, ohne gro­ße Gesten und ohne alles für den Hörer zu erklä­ren.» Das ist der sin­gen­den Poetin gelun­gen: Ihre medi­ta­ti­ven Texte spre­chen für sich. Eine beschau­li­che bis weh­mü­ti­ge Atmosphäre wird auf­ge­baut. Anspruchsvolle Pophörer wer­den sicher eben­so Gefallen fin­den wie ver­wöhn­te Jazz-Genießer.

Diskografie:

 2004 Merriwinkle (Mit Christian WallumrOd)
Eine unglaub­li­che Scheibe. Diese Zusammenstellung von Klängen ist wirk­lich frisch und neu­ar­tig, nahe an der Klangkunst und Improvisation. Elektronik und Gesang gehen eine selt­sa­me Symbiose ein und wer­den zu einem wirk­lich inno­va­ti­ven Sound.

2002 Out Here, In There (Bugge Wesseltoft / kbd)
Ein musi­ka­li­sches Paradies bril­lant. Ein «Must Have Album».

2001 Undertow (P. S. Iversen, R. Ludvigsen, A.
Kleive, Bugge Wesseltoft, N. P. Molvaer) Sidsel eine Hexe, die es ver­steht, der Natur ihr Geheimnis abzu­lau­schen.

1999 Nightsong (Bugge Wesseltoft / kbd)
Das geht unter die Haut. Der Mut zum Eigensinn macht sie gewöh­nungs­be­dürf­tig und span­nend Sie ist Meisterin der Improvisation ein Muss für alle die ande­ren Gesang ken­nen ler­nen möch­ten.

1998 Duplex Ride (Bugge Wesseltoft / kbd)
Sidsels Stimme ist ein Phänomen für sich klar, viel­fäl­tig und ein­fach wun­der­schön. Einige Stücke haben einen sehr inti­men, expe­ri­men­tel­len Charakter.

1994 Exile (Nils Petter Molvaer)

1990 So I wri­te (Nils Petter Molvaer, Django Bates, Jon Chrisensen)

Bild: zVg.
ensuite, Oktober 2005

 

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