Seit jeher unter­wegs: Literarische Fragmente 14

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Von Konrad Pauli – Es war die Zeit, in der vie­le Betriebsleiter und hohe Manager ver­ges­sen hat­ten, dass hin­ter dem Mitarbeiter oder in der Mitarbeiterin ein Mensch steck­te, der zwar sei­nen Lohn nicht umsonst zu ver­die­nen ver­mein­te, der frei­lich jedoch etwas ande­res war als ein blos-ser Funktionär und Quotenerfüller. Indessen hat­te die gan­ze Belegschaft Angst, nicht zu genü­gen und mit dem Kündigungsschreiben kon­fron­tiert zu wer­den. Die Betriebsmachthaber wuss­ten natür­lich dar­um, und waren, ent­ge­gen allen Beteuerungen, ins­ge­heim froh, über ein sol­ches Machtinstrument der (auch stum­men) Einschüchterung und Herrschaft zu ver­fü­gen. Wer Angst hat, unter­wirft sich leich­ter.

Als hät­te sich, was indes­sen nicht der Fall war, die Belegschaft abge­spro­chen, griff eine merk­wür­di­ge Unpässlichkeit um sich: Allemal, wenn ein Mitarbeiter eine wie auch immer gear­te­te ekla­tan­te Zumutung ein­stecken mus-ste, reagier­te der­sel­be oder die­sel­be mit einem Hautausschlag. Die Schuppenflechte griff so rasch und ein­schnei­dend um sich, dass die betrof­fe­ne Person nicht mehr in der Lage war, die Tastatur des Computers zu bedie­nen. Das hat­te zunächst Überheblichkeiten, ja, Drohungen und Zurechtweisungen von oben zur Folge – kom­pli­zier­ter wur­de die Lage erst, als sich das Leiden der Angestellten seu­chen­haft aus­brei­te­te, und bald nie­mand mehr imstan­de war, die Sachbearbeitungen rich­tig und frist­ge­recht vor­zu­neh­men. Nach drei vier Entlassungen kam die Firmenleitung zur Einsicht, dass auf die­sem Weg das Problem nicht aus der Welt zu schaf­fen war – und schliess­lich erin­ner­te sie sich an die alte Tatsache, dass jede Obrigkeit auf eine Untrigkeit, das heisst auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ange­wie­sen ist. In einer wei­te­ren, gera­de­zu hel­den­haf­ten Anstrengung such­te man, mit Hilfe von Fachleuten, die Ursachen der Erkrankung zu erfor­schen, und als man eini­ger­mas­sen fün­dig gewor­den war, kam die Firmenleitung, auch auf Rat des alten Patrons hin, den dank­ba­ren Opfern inso­fern ent­ge­gen, als man ver­sprach, das Übel sozu­sa­gen an der Wurzel zu packen und für Abhilfe zu sor­gen. So fing die eigent­li­che Arbeit erst an.

Foto: zVg.
ensuite, Februar 2011

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