Schwanensee – Ein Traum aus Tüll und Federn

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Von Roja Nikzad – Nachwuchstalente der taZ pro­ben für die gros­se Galavorstellung: Nicht jeder ist dafür gemacht, Ballett zu tan­zen. Nicht jeder ist dafür gestal­tet, schwarz und weiss, hell und dun­kel, Disziplin und Lust zu ver­ei­nen. Dies hat Natalie Portman mit über­wäl­ti­gen­der Kraft in Aronofskys «Black Swan» gezeigt.

Die Frage, wie eine Kunstform gleich­zei­tig so fra­gil, vol­ler Ästhetik sein kann und doch von so gros­ser Grausamkeit gegen den eige­nen Körper zeugt, beschäf­tig­te wohl nicht weni­ge Kinobesucher. Doch die­ser schein­bar unüber­brück­ba­re Widerspruch, der in so man­cher Ballerina ver­eint ist, kann auch ganz anders aus­se­hen. An der Tanzakademie (taZ) in Zürich lau­fen aktu­ell die Proben für die all­jähr­li­che Galavorstellung im Schauspielhaus Zürich. Teil des Programms «fuss­spu­ren VII» ist der 2. Akt von Tschaikowskys Schwanensee.

11.00 Uhr, Montag mor­gen in der TaZ. Die klei­nen Schwäne machen sich bereit für eine kur­ze Probe. Die vier Mädchen sind jung, im besten Fall sech­zehn. Der Ballettsaal ist geräu­mig – aus­ge­stat­tet mit einem schwar­zen Flügel, eine Seite des Raums ganz mit Spiegeln bestückt, ent­lang der rest­li­chen Wände Stangen. Die rus­si­sche Ballettlehrerin nickt freund­lich, aber bestimmt und wirft einen Blick auf die Mädchen. Diese brin­gen sich ganz unauf­ge­for­dert in Position. Die Lehrerin wech­selt eini­ge Worte mit dem Korrepetitor, der an einer Stereoanlage bereit sitzt, um die Musik zu koor­di­nie­ren.

Das Pas de Quatre beginnt. Die Lehrerin wirft kur­ze Korrekturen ein – das Knie muss in Position blei­ben, die Schultern dür­fen nicht nach oben gezo­gen wer­den – die Ballerinas nicken und beher­zi­gen die Anweisungen. Die stäh­ler­nen, jedoch gra­zi­len Körper schei­nen ganz unter Kontrolle; von den Zehenspitzen bis zur Mimik ist alles dem Willen, der Formung und der Ausdauer gewid­met. Und dann lacht eines der Mädchen herz­haft auf und man ver­ge­gen­wär­tigt sich wie­der, dass es doch ganz jun­ge Fräuleins sind, die noch viel Kindliches an sich haben.

11.30 Uhr, Wechsel in den gros­sen Saal. Das Corps de Ballet für den Schwanensee ist bereits im Proben begrif­fen. Alle im glei­chen Tenue – schwar­zes Trikot, weis­se Strümpfe, rosa­far­be­ne Spitzenschuhe. Alle ste­hen in der Formation auf ihren Plätzen. Hier gibt die austra­li­sche Tanzlehrerin den Ton an, die rus­si­sche kommt mit dazu. Auch die Direktorin Steffi Scherzer ist anwe­send, und beob­ach­tet mit Argusaugen Füsse, Schultern, Handposition und Ausrichtung der Mädchen. Es sind viel­leicht 20 Ballerinas, die wie auf­ge­reih­te Zinnsoldaten mit einer engel­haf­ten Grazie die Choreografie umset­zen. Eine Gruppe von Teenagern, die eine Schwanenherde tanzt, ein merk­wür­di­ger Gedanke – man ist erstaunt ob dem nicht vor­han­de­nen Kichern, dem feh­len­den Geschwätz. Nichts ist zu hören aus­ser den Anweisungen der Lehrerinnen und dem Klappern der Gipsverstärkung in den Spitzenschuhen, die bei jedem Sprung uni­so­no auf dem Boden auf­prallt. Es herrscht kon­zen­trier­te Disziplin, von der manch ein Lehrer der Volkschule nur träu­men kann.

Um 12 Uhr ist die Probe been­det; die Mädchen knik­sen aus Respekt vor den Lehrerinnen und klat­schen. Erstaunlich – Ballett ver­strömt immer noch eine myste­riö­se Kombination von Respekt und Disziplin, jedoch auch einen roman­ti­schen Touch von Nostalgie.

Um 14.00 Uhr fin­de ich mich wie­der in der taZ ein, um den Höhepunkt der heu­ti­gen Proben zu sehen. Das berühm­te Pas de Deux im 2. Akt des Schwanensees. Siegfried schwört Odette, der Schwanenkönigin, die ewi­ge Liebe und ver­spricht sie so vom bösen Zauber des Rotbart zu erlö­sen.

Die 19-jäh­ri­ge Schwanenkönigin Caitlin Stawaruk tref­fe ich bereits in UGG Boots und Kapuzenpulli allei­ne gemüt­lich durch die mit­täg­lich ver­las­se­nen Gänge wan­deln. Sie ist eine der gros­sen Stars der Schule. Als Preisträgerin eines Stipendiums am Prix de Lausanne 2010 und Silbermedaillengewinnerin am Tanz-olymp Berlin 2011 hat sie die ersten Hürden in die gros­se Welt des Tanzes genom­men. Nach ihrem Abschluss war­tet für sie eine Anstellung in der Truppe von Heinz Spoerli im Opernhaus Zürich.

Eine sym­pa­thi­sche jun­ge Dame, die nichts von der kli­schier­ten, stu­ten­bis­si­gen Ballerina auf­weist. Pünktlich fin­det sie sich, genau wie ihr Partner Oleksy Grishun, im Tanzsaal ein. Es blei­ben eini­ge Minuten, um schnell ein paar Drehungen und Griffe zu per­fek­tio­nie­ren. Ein sel­ten schö­ner Anblick, wie die zwei jun­gen Tänzer mit­ein­an­der umge­hen. Er hilft ihr, das Tutu zu schlies­sen, sie weist ihm den Weg, wenn er nicht weiss, wo er sie stüt­zen muss. Ein inti­mes Zueinanderfinden in der Choreographie zeigt die fei­nen, ein­fühl­sa­men Momente der tän­ze­ri­schen Begegnung. Konzentriert und ernst üben die bei­den ihr Zusammenspiel. Zwischendurch sind sie aber auch wie­der unge­stüm und jung.

Die Probe mit der Direktorin ist kon­zen­triert; Feinheiten wer­den aus­ge­ar­bei­tet für die gros­se Galavorstellung. Sowohl Steffi Scherzer wie auch die bei­den Tänzer haben die Choreographie und die Musik völ­lig ver­in­ner­licht. Es ent­steht eine von aus­sen fast extra­ter­re­stri­sche Art der Kommunikation. Als wür­den sich die drei irgend­wie ohne gros­se Worte oder zusam­men­hän­gen­de Sätze, son­dern ein­zig durch eine Handbewegung bereits ver­ste­hen.

Ein schö­ner Ausflug in die Welt von Tüll und Spitzenschuhen, der nur wenig mit der Leidensgeschichte von Portmann gemein hat.

Wer als Kontrast zu «Black Swan» auch den «White Swan» sehen möch­te, darf sich auf die ver­heis­sungs­vol­le Gala im Schauspielhaus freu­en. Die Studierenden der taZ wer­den neben den Klassikern auch Modernes von Jochen Heckmann, Raimondo Rebeck, Marina Stocker-Diakova und Kinsun Chan zur Aufführung brin­gen.

Foto: zVg.
ensuite, April 2011

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