Saison des Glücks

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Von Barbara Roelli – Alle Jahre wie­der rüsten wir uns für die­sen Kampf. Den Kampf um den Platz am Feuer, den Kampf gegen ver­ständ­nis­lo­se – auch als bünz­lig beti­tel­te – Nachbarn. Kaum scheint uns die Sonne warm ins Gesicht und das Thermometer steigt auf über 15 Grad, bewaff­nen wir uns mit Gitter, Holzkohle und Zeitungspapier. Die Augen wer­den mit einer Sonnenbrille vor den sprü­hen­den Funken geschützt – die win­ter­weis­se Haut wird ein­ge­rie­ben mit Sunblocker Lichtschutzfaktor 40.

Es ist noch lan­ge nicht Sommer – und doch sind wir schon jetzt getrie­ben. Getrieben von der Lust, Nahrung auf Feuer zu bra­ten und uns die­se ein­zu­ver­lei­ben. Erst steigt der Rauch auf und der Bauch wird woh­lig ange­regt vom küh­len Dosenbier. Bis zur per­fek­ten Glut ist es noch weit. Doch die Ungeduld kann uns nichts anha­ben. Wir schal­ten einen Gang zurück, atmen den Rauch tief ein, lau­schen dem Vogelgezwitscher am nun län­ger hell blei­ben­den Abendhimmel und spü­ren es in unse­rem tief­sten Innersten: Sie ist da, die Grillsaison.

Wir legen das Grillgut vor uns aus: Kalbsbratwurst, Koteletts, Spareribs, Steaks, Schweinsbratwurst zur Grillschnecke gerollt, Merguez, Pouletspiessli, Cervelat, Chipolata. Der Magen macht sich knur­rend bemerk­bar. Wir beru­hi­gen ihn schon mal mit Chips. Das Gut auf der Glut schwitzt, das Fett wird flüs­sig und tropft schwer vom Fleisch – die Kohle zischt. Feine Röstaromen stei­gen vom Grill auf und sti­mu­lie­ren unse­re Nasenschleimhäute. Speichel schiesst in unse­re Mundhöhlen. Auch Vegetarier lecken jetzt Blut; denn mit Frischkäse gefüll­te Champignons, knacki­ge Maiskolben, eine präch­ti­ge Forelle und panier­te Käseplätzchen brut­zeln eben­so duf­tend auf dem Feuer.

Was das Grillgut betrifft, so gehen die Geschmäcker weit aus­ein­an­der. Auch die Zubereitungsart kann beim Grillieren vari­ie­ren. Ich emp­feh­le die Abenteurervariante: Eine Cervelat an bei­den Enden kreuz­wei­se ein­schnei­den und sie an einen Holzstecken spies­sen, den man zuvor mit dem Sackmesser ange­spitzt hat. Die Cervelat über einem selbst ent­fach­ten Feuer im Wald brut­zeln las­sen. Und bis die Glut erlo­schen ist, erzäh­len wir uns Räubergeschichten. Hat jemand eine Gitarre dabei, sin­gen wir noch «Country Roads» von John Denver. Dann gibt es die klas­si­sche Variante des Grillierens: Verschiedene Grilladen wie Bratwürste, Pouletschenkel und Schweinssteaks wer­den vom Mann mit dem Grillhandschuh im Gartencheminée zube­rei­tet. Er trägt eine Schürze mit der Aufschrift «Hier grillt der Chef». Die Marinade für Pouletschenkel und Schweinesteaks hat die Frau gemacht. Wir stos­sen mit Rotwein an.

Es gibt auch eine Variante, von der ich träu­me – die bar­ba­ri­sche Variante: Ein Spanferkel (jun­ges Schwein, dass noch gesäugt wird und nur um die sechs Wochen alt ist, bevor es geschlach­tet wird. Sein Fleisch soll beson­ders zart sein) wird am Stück auf einen Spiess gesteckt. Vorher wird es mit einer Marinade aus Olivenöl, Senf, Honig, Knoblauch und Kräutern wie Rosmarin und Majoran ein­ge­rie­ben. Während vie­ler Stunden dreht das Ferkel lang­sam sei­ne Runden; am Spiess über der Glut. Und wer sein gold­brau­nes Fleisch dann von den Knochen nagen darf – der hat Schwein. Damit die Barbaren-Variante aber nicht zur «Sauerei» für die Nachbarn wird, gril­liert man das Spanferkel bes­ser nicht auf dem Balkon eines Wohnblocks. Ich wür­de es mit­neh­men an ein Gewässer; einen See oder Fluss. Dann könn­ten wir essen vom Glück – und auch noch dar­in baden.

Foto: Barbara Roelli
ensuite, Mai 2012

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