Ressource, die

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Von Frank E.P. Dievernich – Lexikon der erklä­rungs­be­dürf­ti­gen Alltagsphänomene (XXX): Eine schar­fe Unterscheidung ist das, die da in die Welt gekom­men ist: die Ressource. Dinge sind nicht mehr «an sich», sie wer­den etwas, wenn sie ein Versprechen auf ein «Mehr» abge­ben. Erst dann! In den Dingen ist damit bereits der Verweis auf die gan­ze Zukunft ein­ge­baut. Ressourcen haben einen zuge­wie­se­nen Platz in unse­rer Gesellschaft, und die­se liegt in unse­ren Organisationen. Organisationen machen Ressourcen als sol­che erst mög­lich; sie sind es, die die­se her­vor­ge­bracht haben. Die Brille der Organisation sieht vor, die Ressource in den Dingen zu erken­nen, sie als sol­che zu beschrei­ben und aus­zu­wei­sen. Erst mit der Ressource kann der Kapitalismus flo­rie­ren, erst mit dem Glauben an die Knappheit, die den gedank­li­chen Motor allen Erfolges dar­stellt, scheint Wachstum nötig. Es braucht also eine gedank­li­che Einschränkung, eine Versagung, um dann an das Grössere her­an­kom­men zu kön­nen. Dieser Ressourcengedanke beglei­tet uns ab dem Moment, in dem wir auf die­ser Welt sind. Bereits in sehr frü­hen Stadien unse­res Erwachsenwerdens haben sich gan­ze Speziallistenstäbe her­aus­ge­bil­det, die unse­re Ressourcen und deren Entfaltung im Auge haben. Wir begin­nen mit der Bürde, nicht voll­stän­dig zu sein, mit der Bürde, dass erst ein­mal eine Rahmenbedingung geschaf­fen wer­den muss, um unser Sein als eine Ressource erken­nen zu kön­nen, erst dann kann ein­ge­bracht und geför­dert wer­den. So wird die Ressource zu einem Potential ver­edelt. Ressource ist ohne Potential nicht denk­bar, eben­falls auch nicht ohne Effizienz. Eine Ressource ist bereits schon ein Potential, da es ja eine Frage ist, wie man es ein­setzt. Ja, und nun kom­men wir zu dem sprin­gen­den Punkt. Nämlich, wie set­zen wir denn eigent­lich unse­re Ressourcen (wenn wir die­sen orga­ni­sa­tio­na­len Begriff von dort aus­lei­hen und in unser pri­va­tes Leben trans­for­mie­ren) tat­säch­lich ein? Stehen wir vor dem Spiegel des Lebens müs­sen wir uns fra­gen las­sen, inwie­fern wir denn tat­säch­lich effi­zi­ent mit der eige­nen Ressource umge­gan­gen sind. Es gibt genü­gend gute Gründe anzu­neh­men, dass wir das eben nicht getan haben. Je län­ger wir uns in Organisationen auf­hal­ten – und das beginnt bereits mit der Schule, führt über die jewei­li­ge Ausbildungsinstitution und endet in jenen Organisationen, mit und durch die wir unser Geld ver­die­nen – desto mehr führt das zur Verkümmerung unse­rer Ressourcen bis auf die weni­gen, die wir durch die Organisationen kul­ti­vie­ren dür­fen. So war man frü­her im indu­stri­el­len Zeitalter ein­fach nur Arbeitskraft, und damit sehr nahe an einer phy­si­ka­li­schen Beschreibung, die ein Ende/ein Auslaufen sug­ge­rier­te. Das hat sich geän­dert. Heutzutage spie­len eher Wissensressourcen eine Rolle, krea­ti­ve Rekombinationen wer­den wich­tig. Natürlich sind damit auch hier nicht eine Unendlichkeit und die wah­re Potentialität gemeint, son­dern ledig­lich jene, die Organisationen für sich als maxi­ma­len Horizont im Kontext einer bereits defi­nier­ten Nutzenerbringung den­ken kön­nen. Künstlich anmu­ten­de Personalentwicklungsprogramme sind ent­stan­den, die uns dazu gebracht haben, an den opti­ma­len Ressourceneinsatz zu glau­ben; dahin­ter steht letzt­end­lich nichts ande­res als die Verhinderung einer ande­ren Ressourcennutzung. Das ist für Organisationen zweck­mäs­sig, wäre die voll­um­fäng­li­che Ressourcenentfaltung, gar nicht zu han­deln. Erst also die Beschränkung schafft die Voraussetzung für einen Umgang. Anders stellt sich die­se Situation jedoch in Krisensituationen der Organisationen dar. Dann näm­lich ist immer mal wie­der zu beob­ach­ten, dass eine orga­ni­sa­tio­na­le Erinnerung ein­setzt, die sich der poten­ti­el­len Grenzenlosigkeit ihrer Mitglieder bedient. Jetzt wer­den die Potentiale des Lebens inter­es­sant. Jetzt wer­den Mitarbeitende danach abge­sucht, was sie denn sonst noch kön­nen, was sie denn sonst noch den­ken, und wel­che Ideen sie denn im stil­len Kämmerlein hegen, die dazu bei­tra­gen könn­ten, die Organisation mit ent­spre­chen­dem Ressourcenpotenzial für das Überleben zu ver­sor­gen. Jetzt dür­fen sich plötz­lich Ressourcen zei­gen, die zuvor nie als sol­che im Blickpunkt der Organisationen stan­den. Gerade Krisen bewir­ken, dass jen­seits der Organisationen Menschen nun in ihren pri­va­ten Räumen zu fra­gen begin­nen, was sie sonst noch mit sich selbst, also mit ihren eige­nen Ressourcen anfan­gen kön­nen. Das tun sie aber nicht mehr, ohne den Referenzpunkt ande­rer Organisationen zu bemü­hen. Man kann sich selbst nicht mehr ohne ande­re Organisationen den­ken, die das Nadelöhr der kon­kre­ten Ressourcen- und Potentialnutzung dar­stel­len. Offensichtlich ist, dass dabei die Beschränkung natür­lich bereits ein­ge­baut ist, da die Menschen sich selbst nur mehr unter der Brille ande­rer Ressourcen- und Potentialbeobachtungen betrach­ten kön­nen. Dadurch wird nicht mehr wahr­ge­nom­men, dass die Ressource und das Potential etwas Unbeschränktes ist. Es ist immer noch die gan­ze Welt, die in den Kopf eines ein­zi­gen Menschen passt, weil er es ist, der sie erschöpft. Die Menschen sind es, die die Welt wahr­neh­men, sie sind es, die ent­schei­den, bewusst oder unbe­wusst, wie sie die­se Welt zim­mern, was sie wahr­neh­men wol­len und was nicht. Alles, also wirk­lich alles auf die­ser Welt passt in die Köpfe der Menschen. Was eine unge­ahn­te Ressource, die sich da in uns befin­det. Die beste Ressourcennutzung ist nun jene, aus Organisationen aus­zu­bre­chen, um mit sich selbst, jen­seits der künst­li­chen Ressourcenbeschränkungen, in Kontakt zu kom­men. Die Kunst ist es, sich vom Gedanken frei zu machen, dass Ressourcenförderungen in Organisationen statt­fin­den. An genau die­ser Stelle des Ausstiegs wird erst ersicht­lich, wie vie­le Ressourcen tat­säch­lich noch vor­han­den sind, oder wie viel die Organisationen über die Zeit bereits abge­so­gen haben. Wir müs­sen ler­nen, dass es eben nicht um jene spe­zi­fi­schen Ressourcen geht, die wir täg­lich pro­fes­sio­na­li­siert ein­brin­gen, son­dern um den dadurch unge­nutz­ten Ressourcenüberschuss, der uns plötz­lich nicht mehr zur Verfügung steht, obwohl wir mit der Potentialität einer Grenzenlosigkeit zu Beginn des Lebens aus­ge­stat­tet wur­den. Wer sich auf die Ressourcendiskussion ein­lässt, lässt sich auf die Beschränkung als Handlungsleitendes Prinzip ein. Vieles wäre mög­lich, aber weil wir dekla­riert haben, dass unse­re Ressourcen beschränkt sind, geht eben nur noch sehr wenig. Die dafür ent­wickel­ten Controlling-Systeme tun ihr Übriges dazu. Sie hel­fen uns, das zuvor als beschränkt Erklärte zu ver­wal­ten. Sie zim­mern die Grenze zu den mensch­li­chen Potentialen, die es uns eigent­lich mög­lich machen soll­ten, die Welt stän­dig neu zu erfin­den. Warum glau­ben wir dar­an, dass unse­re Arbeitskraft und Arbeitszeit beschränkt sind? Müssen wir wirk­lich Organisationen ver­las­sen, um uns als umfang­reich lebens­be­ja­hend wahr­zu­neh­men, als gren­zen­lo­ses Potential, in dem Verschwendung kei­nen Sinn mehr macht, weil das Potential unse­rer Ressource, die wir selbst sind, gren­zen­los ist. Ja, ist die Antwort, weil es auch dafür bereits gegen­gift-spe­zia­li­sier­te Organisationen gibt: die Kirche, spi­ri­tu­el­le Zirkel, Meditations- und Yogaschulen. So gese­hen ist die Ressource der einen Organisation gleich­zei­tig das Potential für die ande­re.

*bewirt­schaf­tet von frank.dievernich@hslu.ch, Hochschule Luzern – Wirtschaft.

Foto: zVg.
ensuite, März 2014

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