Machine Gun Preacher

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Von Andreas Meier – Sam Childers (Gerard Butler) ist der Ebenezer Scrooge der maschi­nen­ge­wehr­be­wehr­ten Prediger. Zunächst ein mür­ri­scher, dro­gen­dea­len­der, gewalt­tä­ti­ger (und natür­lich Hardrock-hören­der) Ex-Knacki, wird Childers schnell zu einem selbst­lo­sen Philanthropen, als er die Stimme Gottes hört. Angespornt von sei­ner plötz­li­chen Erkenntnis, ein böser Sünder zu sein, ent­sagt er von einem Tag auf den ande­ren allen Übeln und reist nach Uganda, um dort huma­ni­tä­re Hilfe zu lei­sten. Doch schon weni­ge Filmminuten nach sei­ner Ankunft ver­schlägt es ihn trotz Warnungen in den ter­ro­ri­sier­ten Sudan, wo er mit­ten in die Gräuel des Bürgerkriegs stol­pert. Entsetzt ange­sichts der Verbrechen der Lord’s Resistance Army greift er wie­der zur Waffe und schliesst sich dem Kampf an, in des­sen Verlauf er hun­der­te von Kindern ret­tet, die von der LRA aus ihren Dörfern ver­schleppt wor­den waren.

Der auf einer wah­ren Begebenheit basie­ren­de «Machine Gun Preacher» (2011) ist wie so vie­le ande­re «wah­re Geschichten» ein Film mit dem Ziel, zu inspi­rie­ren. Wieder kämpft ein schein­bar selbst­lo­ses Individuum gegen das kol­lek­ti­ve Böse der Welt, um am Ende allein durch sei­ne Entschlossenheit und Selbstaufopferung sämt­li­che Hürden ent­ge­gen aller Wahrscheinlichkeit zu über­win­den. Und wie­der ist der Held ein ganz nor­ma­ler Mensch; oder hier eher einer, der noch wei­ter ent­fernt ist vom Ideal eines guten Menschen als der Standardbürger. Doch wie so vie­le ande­re auf Film gebann­te wah­ren Geschichten ist auch die­se hier nicht glaub­haft.

Besonders schwer wiegt das Fehlen von Motivation in der Handlung. Childers’ Wandel vom Saulus zum Paulus, der sich in weni­gen Minuten Filmzeit voll­zieht, wirkt unmo­ti­viert und kaum nach­voll­zieh­bar, auch wenn Butlers gelun­ge­ne Darbietung dies etwas ver­decken kann. Gott war es, scheint der Film zu sagen, und macht es sich damit ein wenig zu leicht. Anstatt auf psy­cho­lo­gi­sche Tiefe setzt der Film auf christ­li­che Klischees und wun­der­sa­me Bekehrungen, die ja zum Glück nicht erklärt wer­den müs­sen. Die glei­che unkri­ti­sche Oberflächlichkeit zieht sich durch den gesam­ten Film. Für den Grossteil der Laufzeit ver­spielt sich der Film jeg­li­ches Potenzial, das in sei­nem zwie­späl­ti­gen Protagonisten steckt, und scheint die Ironie des Gewaltverbrechers, der im Sudan in den Krieg zieht, kaum zu bemer­ken. Anstatt einer kohä­ren­ten Geschichte mit ver­tief­ter Auseinandersetzung mit sei­ner durch­aus inter­es­san­ten Materie bie­tet der Film nicht viel mehr als eine unin­spi­rier­te Aufzählung von Ereignissen. Childers’ inne­rer Konflikt betritt die Bühne erst rela­tiv kurz vor dem Ende, als jede Rettung schon zu spät ist. Im Kampf mit sei­nem grau­sa­men Feind tritt sei­ne eige­ne Brutalität zuta­ge und droht, ihn vom rech­ten (d.h. christ­li­chen) Weg abzu­brin­gen. Doch kaum ist der Film inter­es­sant gewor­den – auch wenn die Gefahren der «dark side» selbst in «Star Wars» bereits mit grös­se­rer Tiefe beleuch­tet wor­den waren –, ist der Konflikt auch schon auf­ge­löst, und alles ist auf ein­mal wie­der in Ordnung. Dass der Beginn der Geschichte eben­so unmo­ti­viert und unglaub­haft ist wie ihre Auflösung am Ende ver­setzt dem Film den Todesstoss, auch wenn man ihm eine gewis­se Konsequenz nicht abspre­chen kann.

Doch wenn die Darstellung von Childers’ inne­ren Konflikten ent­täuscht, kann dann wenig­stens die­je­ni­ge der äus­se­ren über­zeu­gen? Der Krieg im Sudan wird mit erschrecken­der Brutalität gezeigt, und immer wie­der wird der Zuschauer mit Gewalt vor allem gegen Kinder kon­fron­tiert. Das kann man mutig nen­nen, oder auch mani­pu­la­tiv. Natürlich gelingt es dem Film, mit sol­chen Bildern Emotionen zu erzeu­gen. Doch schluss­end­lich lenkt er mit die­sen Szenen eher von sei­nen Unzulänglichkeiten ab, als sinn­voll zur Handlung bei­zu­tra­gen. Dazu kommt, dass die Darstellung von Gewalt letz­ten Endes aus­schliess­lich zur Verherrlichung eines ein­zi­gen Mannes dient. Dies ist so oder so pro­ble­ma­tisch, ganz egal wie bei­spiel­haft die­ser eine Mensch auch sein mag. So betont das Leid die­ser Menschen bloss Sam Childers’ Geschichte, anstatt dass Sam Childers’ Geschichte das Leid die­ser Menschen betont.

«Machine Gun Preacher» ist ein unin­spi­rier­ter Inspirationsfilm, der trotz – oder gera­de wegen – sei­ner wah­ren Hintergründe hoch­gra­dig künst­lich und kon­stru­iert wirkt. Trotz eini­ger halb­ga­rer und unwil­li­ger Versuche, sei­ne bana­le und ober­fläch­li­che Heldengeschichte zu hin­ter­fra­gen, bleibt der Film von Anfang bis Ende unkri­tisch und umgeht sicher und in wei­tem Abstand die mei­sten Fragen, die etwas Tiefe hät­ten erzeu­gen kön­nen, als wären sie gefähr­li­che Tretminen.

Regie: Marc Forster. Drehbuch: Jason Keller. Darsteller: Gerard Butler, Michelle Monaghan, Michael Shannon. USA, 2011.

Foto: zVg.
ensuite, April 2012

 

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