(Constantin Seibt – http://blog.tagesanzeiger.ch/deadline)

Dies ist ein Service-Beitrag zur Social Media Week im Newsnet. Ob auf Facebook, Twitter oder in den Kommentarspalten: Viele, oft die aktivsten Leser zeigen den Wunsch, professionelle Journalisten auf ihrem Weg ein Stück weit zu begleiten. Auf dem Weg in die Ecke, in die Depression oder wenn möglich in die Berufsaufgabe.
Nur sind die Methoden dazu noch unausgereift. Populär sind bisher folgende Strategien:
- Die tödlichste Variante: Man weist ernsthafte Schummeleien bei der Recherche nach. (Ein Beispiel etwa hier.) Doch dieses Glück hat man selten.
- Häufiger, aber harmlos ist die Deutschlektion: Rechtschreibfehler beweisen die Inkompetenz des Ganzen und der Person. Der Haken: Das funktioniert nur, wenn die Zielperson ebenfalls an den Duden glaubt. (Ich etwa berufe mich auf die Goethe-Zeit, in der ein Wort in bis zu fünf Varianten schreibbar war. Mit dem Resultat von Regalmetern Klassik.)
- Viel effektiver ist purer Schwurbel. Es wird nicht etwas gegen, nicht für, nicht zum Text gesagt. Sondern irgendetwas. Das tut wirklich weh. Denn jeder ernsthafte Schreiber hat ein feines Ohr für Geschwätz entwickelt: Guter Stil besteht im Wesentlichen darin, Unfug zu streichen. («The most essential gift for a good writer is a built-in, shock-proof shit detector», schrieb Hemingway.) Zudem ist Schreiben eine Quälerei. Und man quält sich auch aus Achtung vor dem Publikum. («Qualität – das ist Respekt vor dem Volk!», schrieb Mao.) Das heisst, Sie können jeden Journalisten durch spontanes Geschwätz gleich doppelt deprimieren: Durch die schiere Hässlichkeit Ihres Beitrags. Und durch die Vorstellung, für lauter Dummköpfe zu schreiben.
Sascha Lobo hat dieser Sorte von aktivem Leser ein schönes Portrait gewidmet: Der digitale Spiesser.
Doch das alles sind erst Kratzer. Es bleibt die Frage, wie man den Journalisten seiner Wahl nachhaltig lahmlegen kann. Mein Vorschlag wäre: Versuchen Sie es mit einem langsamen, süssen, aber tödlichen Gift. Versuchen Sie es mit Lob.
Und zwar so:
- Schon ehrlich gemeintes Lob bringt – gehäuft verabreicht – jeden Produktionsmotor ins Stottern. Das Opfer wird versuchen, sofort etwas ähnlich Begeisterndes aufs Papier zu bringen. Die Folge: Es sieht auf die Wirkung, nicht auf die Sache. Was zuverlässig dazu führt, dass der nächste Text grausam missrät.
- Zerstörungswillige Leser können diesen Effekt nutzen und ihre Zielperson möglichst schamlos loben. («Sie sind ein Genie!» und dann langsam steigern.)
- Am besten verstopft man dabei den berufsnotwendigen Schwurbel-Filter seines Opfers, indem man die unklarsten Passagen und die banalsten Texte am Heftigsten lobt. («Ich möchte Ihnen herzlich zu dem Mut gratulieren, dass einer endlich einmal etwas gegen Handy-Benutzer schreibt!» oder: «Der komplexe Endlossatz im Abschnitt zwei hat mich hingerissen! Der hatte NZZ-Niveau!»)
- Konsequent, aber zeitaufwändig ist der Aufbau einer Fanbeziehung. Sie loben zunächst schamlos. Dann, bei einem wirklich gelungenen Text, melden Sie vorsichtig Enttäuschung an. Und dann, beim nächsten Text, ein weiteres Mal. Fragen Sie schüchtern nach, was los ist: Müdigkeit? Schreibstau? Private Probleme? Und dann loben Sie wieder beim ersten missratenen Text. Und loben auch den nächsten. Aber mit der Einschränkung, dass sich der Autor ein wenig wiederhole… Sie werden viel Arbeit, aber auch viel Spass haben.
- Nicht wenig Melancholie bei ihrem Opfer erwecken Sie, indem Sie den Text missverstehen. Also indem Sie das Gegenteil loben. Nach einer einfühlsamen Sozialreportage etwa danken Sie für den Mut, diese Schmarotzer ans Licht gezerrt zu haben. Einem «Weltwoche»-Journalisten hingegen danken Sie dafür, es «zwischen den Zeilen» der SVP kräftig gegeben zu haben.
- Überlebt ihr Opfer das alles, setzen Sie die Atomwaffe ein. Loben Sie ihr Opfer erneut – bei seinen Kollegen. Möglichst mit dem Zusatz, diese sollten sich «ein Vorbild» an jenem nehmen. Der Betreffende wird bald das Gefühl eines kleinen, bebrillten Jungen kennen, der einen Pausenplatz betritt.
- Wollen Sie das ganze Biotop ausräuchern, adressieren Sie ihr Lob an die Spitze. Das perfekte Ziel sind ältere, meinungsstarke Herren in formeller oder informeller Machtposition. Sind diese erst einmal süchtig nach Lob, werden sie wie alle Junkies zuverlässig ihre ganze Umgebung demoralisieren. Etwa mit Anrufen an Untergebene, in denen sie offiziell Kritik an ihren Werken fordern, in Wahrheit aber immer nur phantastischeres Lob. Das Resultat: Grosse Teile der Redaktion verlieren das Rückgrat, den klaren Blick, den Respekt. Die Lüge blüht. Und Sie haben gewonnen.
Soweit einige Verbesserungsvorschläge für interaktive Leser. («Die höchste Form der Aggression ist die Umarmung», schrieb der Zürcher PR-Berater Klaus Stöhlker.) Viel Glück damit. Seien Sie geküsst.
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