«Ich lie­be es, häss­lich zu sein»

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Von Sarah Elena Schwerzmann – Mit ihrem aktu­el­len Film «Eine zau­ber­haf­te Nanny – Knall auf Fall in ein neu­es Abenteuer» prä­sen­tiert Emma Thompson einen mit­reis­sen­den Familienfilm für Jung und Alt. Im Gespräch erzählt die oscar­prä­mier­te Künstlerin, die nicht nur das Drehbuch ent­wickelt hat, son­dern auch die Hauptrolle der Nanny McPhee spielt, war­um sie sich wei­gert, Kinder zu unter­schät­zen und wer am Filmset die gröss­te Diva war.

Emma Thompson, die­ser Film ist bereits die zwei­te Geschichte um Nanny McPhee, die Sie geschrie­ben haben. Was fas­zi­niert Sie an die­ser Figur?

Ich bin vor eini­gen Jahren über die Kinderbücher von Christianna Brand gestol­pert, auf denen die Figur der Nanny McPhee basiert, und ich war sofort von der Idee ange­tan, einen Familienfilm dar­aus zu machen. Einerseits fin­de ich die Idee span­nend, dass Nanny McPhee zu Beginn des Filmes mit Knollennase und Warzen sehr häss­lich ist, dass sich ihr Erscheinungsbild mit dem Lernprozess der Kinder aber immer wei­ter ver­än­dert. Andererseits hat es mich gereizt, mit die­ser wit­zi­gen Figur Geschichten zu ent­wickeln, die sowohl Kinder wie auch Erwachsene anspre­chen.

Gehen Sie als Drehbuchautorin anders an eine Geschichte her­an, die sich in erster Linie an Kinder rich­tet?

Ja, ich bin mir mei­nes Zielpublikums schon sehr bewusst. Der Film spielt zu Kriegszeiten, und da ist natür­lich der Tod auch ein Thema. Kommt der Vater aus dem Krieg zurück oder nicht? Das ist ein emo­tio­nal sehr schwie­ri­ges und heik­les Thema und mir ist da sehr wich­tig, dass man das für die Kinder nicht all­zu trau­ma­tisch dar­stellt. Da bin ich schon vor­sich­tig, gleich­zei­tig schrei­be ich aber nicht spe­zi­fisch für Kinder.

Wie mei­nen Sie das?

Mein Vater war ein sehr berühm­ter Autor und er hat die­ses Konzept des Schreibens für Kinder nie ver­stan­den. Er sag­te immer: «Aber das sind ein­fach Menschen, die noch nicht so lan­ge gelebt haben wie wir. Warum soll­te ich für sie anders schrei­ben?» Das hat auf mich abge­färbt. Ich fin­de es unglaub­lich wich­tig, Kinder ernst zu neh­men und sie nicht zu unter­schät­zen.

Ihr Vater hat sich damit aber nicht son­der­lich beliebt gemacht.

Das stimmt. Er hat in sei­nen Geschichten manch­mal kom­ple­xe Sätze und Formulierungen wie «jeman­den mit sei­nen eige­nen Waffen schla­gen» ver­wen­det, eine Wendung aus Shakespeares Werken. Er hat dann immer Leserbriefe von Erwachsenen erhal­ten, die ihm vor­ge­wor­fen haben, das wäre für Kinder zu kom­pli­ziert. Meistens hat er dann in mög­lichst lan­gen Worten zurück­ge­schrie­ben, einer­seits, um die­se Leute zu ärgern, ande­rer­seits, um zu zei­gen, dass jeder Mensch, egal wel­chen Alters, etwas ver­ste­hen kann, wenn es in einem Zusammenhang steht.

Sind Sie da mit ihm einer Meinung?

Ja natür­lich. Kinder ver­ste­hen Formulierungen und Fremdwörter im Zusammenhang der Geschichte und geben ihnen so sel­ber einen Sinn. So funk­tio­niert Sprache. Und dadurch dass sie den Inhalt des Wortes sel­ber ent­dek-ken, machen sie es sich zu Eigen und kön­nen es so auch in einem ande­ren Zusammenhang ver­wen­den. Es ist viel ein­fa­cher und effek­ti­ver für Kinder Wörter und Ausdrücke so zu ler­nen als aus einem Lehrbuch. Ich sel­ber habe als Kind so unglaub­lich viel gelernt, ein­fach indem ich Bücher gele­sen habe.

Wie schaf­fen Sie es aber, mit Ihrer Geschichte um Nanny McPhee nicht nur Kinder, son­dern auch Erwachsene zu fes­seln?

Es war von Anfang an mein Ziel einen Film zu schrei­ben, der Menschen jeden Alters zu fes­seln ver­mag. Aber ob mir das bei die­sem Film bereits gelun­gen ist, das kann ich nicht sagen. Ich ver­su­che mir da ein Beispiel an den Fertigkeiten eini­ger mei­ner Lieblingsautoren, wie Jane Austen, zu neh­men. Egal ob man ihre Bücher im Alter von zehn oder 80 Jahren liest, man ist fas­zi­niert und geniesst die Geschichten – aber aus ganz unter­schied­li­chen Gründen. Das ist geni­al, aber sehr her­aus­for­dernd, und ein Universalrezept gibt es dafür nicht.

Sind Kinder dabei ein ein­fa­che­res oder schwie­ri­ge­res Publikum?

Viele Menschen neh­men Familienfilme oder Komödien nicht so ernst, weil sie glau­ben, es sei ein­fach, Kinder zu fes­seln. Das stimmt natür­lich nicht. Es ist viel ein­fa­cher, ein Drama zu schrei­ben, bei dem man alle zum Weinen bringt als eine Komödie, bei der alle wirk­lich laut­hals lachen. Und Kinder sind da noch viel anspruchs­vol­ler und auch ehr­li­cher. Wenn sie einem etwas nicht abneh­men oder es nicht lustig fin­den, dann lachen sie ein­fach nicht. So ein­fach ist das. Sie geben nicht vor, etwas zu mögen oder lustig zu fin­den, so wie wir das tun.

Sie haben eine elf­jäh­ri­ge Tochter. Wie ist ihre Reaktion auf den Film aus­ge­fal­len?

Sie wird den fer­ti­gen Film erst heu­te Nachmittag sehen, wenn ich ihn der gan­zen Schule zei­ge. So muss sie dann in den Pausen nicht immer erklä­ren, wor­um es geht und wie vie­le Warzen ihre Mutter jetzt wirk­lich auf der Nase hat. Ich glau­be, sie wird sich gut unter­hal­ten.

Ist Ihre Tochter in irgend­ei­ner Weise von Ihrer Karriere oder Ihrem Beruf beein­druckt?

Nein, ganz im Gegenteil. Das Ganze lang­weilt sie unge­mein. Und ich kann sie da sehr gut ver­ste­hen. Mein Vater war ein sehr berühm­ter Autor, und er hat ein Buch geschrie­ben, das «The Magic Roundabout» heisst und in den 60er- und 70er-Jahren zu einer Art Kultbuch wur­de. Ich habe das Buch zwar geliebt, aber ich war auch ziem­lich unbe­ein­druckt von dem gan­zen Rummel. Und bei Gaia ist das genau­so. Sie spricht über alles lie­ber, als über mei­ne Schauspielerei oder mei­ne Filme. Ich fin­de das aber ganz gesund, wenn es anders wäre, wür­de ich mir Sorgen machen. (lacht)

Die Kinder, mit denen Sie im Film arbei­ten, sind alle in Gaias Alter. Wie war die Zusammenarbeit?

Sie waren alle ein­fach phan­ta­stisch, weil sie immer gut drauf und sehr moti­viert waren. Für mich war es aber auch sehr anstren­gend, weil man sich zwi­schen den Takes um sie küm­mern muss­te. Sie ver­aus­ga­ben sich und sind sehr lei­den­schaft­lich, sodass man sich in den Pausen mit ihnen beschäf­ti­gen muss, damit sie ihre Batterien wie­der auf­la­den kön­nen. Dafür sind sie dann so enga­giert und so unver­fälscht in ihrer Leistung, wie das ein Erwachsener kaum ablie­fern kann. Wir waren alle sehr beein­druckt.

Neben den Kindern waren aber auch eine gan­ze Menge Tiere am Set, die natür­lich sehr unbe­re­chen­bar sind. Gab es Momente, in denen Sie nicht dar­an glaub­ten, die­sen Film je fer­tig­stel­len zu kön­nen?

Ja, es gab da eine Darstellerin, die unglaub­lich zickig war. Es war die Kuh, Meryl war ihr Name. Als ich das gehört habe, habe ich Meryl Streep eine E‑Mail geschrie­ben: «Deine Namensvetterin stellt sich am Set unglaub­lich müh­sam an.» Ihr Problem war, dass sie unse­ren künst­li­chen Schlamm nicht moch­te. Also wei­ger­te sie sich ein­fach aus ihrem Anhänger zu kom­men. Es war ner­ven­auf­rei­bend.

Viele Schauspielerinnen in Ihrem Alter las­sen sich auf der Leinwand ver­schö­nern. Sie hin­ge­gen schei­nen sich in Warzen und Knollennase wohl zu füh­len. Sind Sie ger­ne häss­lich?

Ich lie­be es, häss­lich zu sein, es befreit mich. In unse­rer west­li­chen Gesellschaft wer­den Frauen unter viel Druck gesetzt, was ihr Aussehen angeht. Und Nanny McPhee ist da mei­ne klei­ne Rebellion dage­gen. Viele Menschen den­ken, Schauspielerinnen sei­en alle unglaub­lich eitel, aber das stimmt so nicht. Ich bin mir sicher, Cameron Diaz oder Nicole Kidman wür­den auch ger­ne ein­mal Warzen tra­gen. Es ist ja nicht so, dass man sie die gan­ze Zeit tra­gen muss. Und wenig­stens sehe ich so in echt bes­ser aus als im Film. Es hat also wirk­lich nur Vorteile für mich, mich ver­un­stal­ten zu las­sen. (lacht)

Bild: Emma Thompson mal Nanni mal als Professor Sybil Trelawney / Foto: zVg.
ensuite, Mai 2010

 

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