Geständnisse eines Terminators und ande­re Geschichten

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Von Bettina Hübscher – Die Frankfurter Buchmesse 2012 prä­sen­tier­te sich far­big und viel­sei­tig. Vom Neudruck mit­tel­al­ter­li­cher Atlanten bis zum inter­ak­ti­ven Videospiel war alles zu sehen. Diesjähriger Ehrengast war Neuseeland, das unter dem Motto «Bevor es bei euch hell wird» die Vielfalt neu­see­län­di­scher Kultur prä­sen­tier­te.

Verträumt zupft sie am gel­ben Kunsthaar, klim­pert mit den dich­ten, schwar­zen Wimpern und setzt die lan­gen, wohl­ge­form­ten Beine in Pose. Sie ist eine der vie­len Jugendlichen, die die Buchmesse als Bühne nutz­ten und sich einen Spass dar­aus mach­ten, als Mangafiguren, Superman oder Prinzessin ver­klei­det durch die Gänge zu strei­fen. Die Messe war far­big und ver­spielt und mach­te Lust aufs Entdecken.

Auch die­ses Jahr war die gröss­te Buchmesse der Welt ein Publikumsmagnet. Die ersten Tage war die Ausstellung der Fachwelt vor­be­hal­ten. Agenten ver­han­del­ten über Rechte und Lizenzen, Verleger, Autorinnen, Buchhändler und Bibliothekare tra­fen sich zum fach­li­chen Austausch. Am Wochenende öff­ne­te die Messe dann ihr Tore für Privatbesucher. 280’000 Menschen woll­ten auch die­ses Jahr schau­en, blät­tern, fla­nie­ren, aber auch sich zei­gen und Kontakte knüp­fen. Rund 7’300 Aussteller aus 104 Ländern stell­ten aus. Publikumsmagnet war das «Blaue Sofa». Viel Interesse erhielt Arnold Schwarzenegger mit sei­ner Autobiografie «Total Recall. My Unbelievably True Life Story». Man war ja schon lan­ge gespannt auf die Geständnisse des Ex-Politikers und Hollywoodstars. Aber auch Autorinnen wie Juli Zeh, Sibylle Berg, Donna Leon stell­ten ihre neue­sten Werke vor. Autorinnen und Autoren aus aller Welt waren gekom­men, um ihre neue­sten Geschichten zu prä­sen­tie­ren. Geschichten sind es ja, die uns so fas­zi­nie­ren.

Geschichten vom ande­ren Ende der Welt «Long befo­re the­re were books, the­re were sto­ries» war an der Schlussfeier zur Messe auf einer Leinwand zu lesen. «Die Neuseeländer sind Meister im Geschichtenerzählen über alle Formatgrenzen hin­weg, und wer­den sich auf der Buchmesse lite­ra­risch und mul­ti­me­di­al in den ver­schie­de­nen Facetten prä­sen­tie­ren», ver­sprach Buchmesse-Direktor Juergen Boos an der Eröffnungsfeier. An der Schlussfeier war dann ein sicht­lich gerühr­ter, mit den Tränen kämp­fen­der Direktor zu sehen, der die Ehrengäste aus Neuseeland nur ungern zie­hen liess. Jenseits von Folklorekitsch war ein Kaleidoskop an höchst inter­es­san­ten Autorinnen und Künstlern zu ent­decken. Die cha­ris­ma­ti­sche neu­see­län­di­sche Projektleiterin Tanea Heke hat­te auf jeden Fall nicht nur das Herz des Direktors erobert. Sie rief an der Schlussfeier dem Publikum zu, wie stolz sie sei, hier in Europa zu sein; die Begeisterung war gegen­sei­tig. Rund 70 neu­see­län­di­sche Autoren prä­sen­tier­ten ihre Bücher, dar­un­ter bekann­te Namen wie Antony McCarten. Sein Buch «Superhero» ist die Vorlage für den in den letz­ten Wochen in der Schweiz gezeig­ten Film «Death of a Superhero». Dieses Jahr erzählt er in sei­nem neue­sten Buch «Ganz nor­ma­le Helden», wie es mit der Familie Delpe wei­ter geht, nach­dem der Protagonist des Buches und Films von «Superhero», der Sohn Donald, gestor­ben ist. Der Autor führt die Leser nun ins Reich der Onlinespiele.

Der eben­so renom­mier­te neu­see­län­di­sche Schriftsteller Alan Duff berich­te­te an der Messe über sei­ne Erfahrungen, die zum Roman «Once Were Warriors» geführt hat­ten. Als Sohn einer gewalt­tä­ti­gen Mutter auf­ge­wach­sen, lan­de­te er schon als Jugendlicher im Gefängnis. Der Roman war ein Bestseller und löste hef­ti­ge poli­ti­sche Debatten über die Rechte der Ureinwohner Neuseelands aus. Er wur­de 1990 publi­ziert, ist aber auch heu­te noch aktu­ell und lesens­wert. Duff zeig­te sich beein­druckt davon, «wie sehr die Deutschen Bücher lie­ben.» Die jun­ge Autorin Paula Morris beschäf­tigt sich eben­falls mit ihrem Erbe, und erzählt im Roman «Rangatira» die Geschichte ihres Vorfahren Paratene Te Manu, eines mao­ri­schen Häuptlings und Adligen. Wer es gru­se­lig mag, ist gut bedient mit den Romanen der Autoren Paul Cleave, Paddy Richardson und Alix Bosco. Paul Cleave wird als der neue Stephen King bezeich­net, sein Roman «Das Haus des Todes» bie­tet schau­er­lich-schö­nes Lesevergnügen.

Leidenschaft und Mut Von den über 7’000 Ausstellern sind vie­le Klein- und Kleinstverlage. Der Kleinverlag Fines Mundi zum Beispiel hat sich dar­auf spe­zia­li­siert, Bücher ab dem Mittelalter bis zum Anfang des zwan­zig­sten Jahrhunderts wie­der neu auf­zu­le­gen. Ein mitt­ler­wei­le brei­tes Sortiment an reich bebil­der­ten Reiseberichten über ver­sun­ke­ne Welten und edle Wilde ermög­licht den Zugang zu sonst nur in Bibliotheken erhält­li­chen Einzelexemplaren. «Meine Leidenschaft für alte Bücher war der Beweggrund, einen eige­nen Verlag zu grün­den», meint Verleger Rolf Kittler. Überhaupt, die alten Bücher schei­nen es vie­len ange­tan zu haben. Gleich eine Reihe von Kleinverlagen prä­sen­tier­te kost­ba­re Neudrucke von mit­tel­al­ter­li­chen Preziosen. Diese teu­ren Neudrucke schei­nen einen Markt zu fin­den. Die Freude am Schönen, Guten, Kostbaren führt vie­le dazu, sich mit einem die­ser Bücher ein Stück Geschichte in die gute Stube zu holen.

Auffallend vie­le der prä­sen­tier­ten Bücher waren mit Sorgfalt gefer­tigt und wur­den
attrak­tiv prä­sen­tiert. Immer noch fin­den kost­ba­re Bildbänder und Bücher mit attrak­ti­vem Layout einen Markt. Demgegenüber steht die rasan­te Entwicklung bei den elek­tro­ni­schen Medien.

Kindle, Apps und Videospiele E‑Book-Reader sind im Kommen. In Europa hat sich der Markt im letz­ten Jahr ver­dop­pelt. Im Jahr 2011 wur­den welt­weit 22,82 Millionen E‑Book-Reader ver­kauft. So steht denn auch die­se Messe ganz im Zeichen der neu­en Medien. Von 3‑D-Lehrmitteln, neu­en Lernapps, über Social-Reading-Anbieter bis zu Selfpublishing-Plattformen ist alles zu fin­den, was das Herz begehrt. Ob man sich in einem vir­tu­el­len Buchclub aus­tau­schen will oder beschliesst, doch noch Autorin zu wer­den und ein Buch im Eigenverlag zu ver­öf­fent­li­chen, alles ist mög­lich, vie­les wird erprobt. Sicher ist, das Lesen und
Schreiben wer­den sich wan­deln, die Faszina-tion Buch bliebt.

Foto: zVg.
ensuite, November 2012

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