Frühlingsputz am Leib

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Von Barbara Roelli – Heute ist einer die­ser Tage, an denen ich von mor­gens bis abends nur im Pyjama rum­lüm­meln könn­te. In die­ser zer­knit­ter­ten, inti­men Hülle, die sich immer noch etwas bett­warm an die Haut schmiegt. Draussen scheint weder die Sonne noch schneit es, was Ende Februar durch­aus der Jahreszeit ent­spre­chen wür­de. Stattdessen reg­net es, der Himmel ist grau und es stört mich über­haupt nicht. «Spazieren fällt also ins Wasser. Du hast kei­ne Verabredung, die dich in die Stadt zwingt, und Einkäufe brauchst Du auch kei­ne zu machen, denn der Kühlschrank ist voll», mel­det sich mein inne­rer Schweinehund. Ich zün­de eine Kerze an und bestrei­che ein Stück Lebkuchen – ein letz­tes Überbleibsel von Weihnachten – mit Butter. Die Butter schmilzt auf mei­ner Zunge, und ich über­le­ge mir, wie sich die lang­sam stei­gen­den Temperaturen auf das Essverhalten der Grossstädter aus­wir­ken könn­ten. Ein immer wie­der­keh­ren­der Wunsch scheint, sich vom Ballast der letz­ten Monate befrei­en zu wol­len. Erst noch freu­te man sich auf die Winterzeit mit Fondueabenden und Schnapsorgien – auf die Zeit der saf­ti­gen Festtagsbraten, der selbst gemach­ten Guetzli, der knal­len­den Korken von Schaumweinflaschen und ihren prickeln­den Inhalt. Doch sobald einen die ersten war­men Sonnenstrahlen ins Schwitzen brin­gen, und vio­let­te Krokusse aus dem Boden schies­sen, besinnt man sich wie­der auf die Figur und ihre Linien. Dann springt das Stadtvolk in Trainerhose und mit Schweissband in den Wald, um sich beim Jogging an der fri­schen Luft der ange­fres­se­nen Speckröllchen zu ent­le­di­gen. «Du brauchst dem Frühling nicht ent­ge­gen zu ren­nen, der kommt auch so», gähnt mein inne­rer Schweinehund. Recht hat er.

Schon jetzt ver­mis­sen wir zwei sol­cher grau­en Tage wie heu­te, an denen uns die Welt da draus­sen mit gutem Gewissen gestoh­len blei­ben kann. Und ich ver­mis­se auch schon die Kost des Winters, die sich in kei­ne Pyramide irgend­wel­cher Gesundheitsgötter ein­pas­sen lässt, weil sie näm­lich vor allem eins ist: fet­tig. Bevor ich mich also von den gesun­den Spargeln des Frühlings erobern las­sen muss, zele­brie­re ich ein letz­tes Mal Dörrbohnen mit Speck und Saucisson, nach deren Verzehr ich von einem woh­li­gen Völlegefühl über­mannt wer­de – und in die­sem Gefühl suh­le ich mich dann, mit einem Glas schwe­rem Rotwein in der Rechten. Mit gerö­te­ten, leicht speckig-schim­mern­den Wangen grin­se ich dabei in den Spiegel, und Schweinehund grunzt zurück. Danach fal­le ich in einen tie­fen Schlaf und träu­me vom Schlaraffenland.

Zurück zu den Grossstädtern: Die kau­fen der­weil den Bauern auf dem Wochenmarkt die Stände leer. Her mit den grü­nen Blättern: Dem zar­ten Spinat, dem kräf­ti­gen Löwenzahn und dem wür­zi­gen Bärlauch! Sich die Energie aus dem Boden gleich salat­tel­ler­wei­se ein­ver­lei­bend. Und in den Vasen auf den Küchentischen nicken die Tulpen mit den Köpfen. So wird der Kampf gegen den Winterspeck eröff­net, der bei kal­ten Temperaturen den Körper zu wär­men, und dann im Frühjahr mög­lichst schnell und schmerz­los wie­der zu ver­schwin­den hat. Jetzt ist Zeit für den Frühlingsputz. Am Besten fängt man beim eige­nen Körper an, raten die Gesundheitsmagazine: Trainiere, und star­te gesund und fit in den Frühling!

Immer noch im Pyjama höre ich mei­nem inne­ren Schweinehund zu: Er singt den Blues vom zu Ende gehen­den Winter.

Foto: Barbara Roelli
ensuite, März 2011

 

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