EDITORIAL Nr. 90/91

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Von Lukas Vogelsang – In der Kulturförderung redet man haupt­säch­lich vom Geld, wel­ches «in die Kultur» gesteckt wird. Wir reden über Subventionen und dar­über, wel­che «ren­ta­bel» sind und wo das inve­stier­te Steuergeld zu wenig fliesst. Wir reden dar­über, wo wir noch mehr Geld brau­chen. In der Wirtschaftswelt wür­de dies unter dem Thema «Wirtschaftsförderung» dis­ku­tiert. Und Kultur möch­te ja, wie die Wirtschaft auch, Steuererleichterungen, Sozialversicherungen und Ferientage berech­nen. So begrün­den heu­te Kulturschaffende sel­ber die Wichtigkeit der Kultur: Sie schaf­fe Arbeitplätze. Ein Unterschied, mal abge­se­hen von der inhalt­li­chen Diskussion, besteht also nicht wirk­lich zwi­schen den bei­den Gebieten.

Aber las­sen wir das mal so ste­hen und blei­ben wir noch beim Geld. Kulturförderung dreht und win­det sich ja nur um Geld. Es gibt kei­ne mora­li­sche oder inhalt­li­che Kulturförderung. Und sie nennt sich sel­ber ja Kulturförderung und nicht Kunstförderung. Ich habe aber noch nie von einer Instanz gehört, die kul­tu­rel­len Inhalt beglei­tet oder aus­ar­bei­ten hilft. Es gibt unter­des­sen Kulturmanager-Ausbildungen – aber deren AbsolventInnen sind eher für die Kommunikation, Planung, Produktion und für das Geld zustän­dig. In der Kunst haben wir wenig­stens Hochschulen und Universitäten, die eine Basis schaf­fen hel­fen – aber aus­ser­halb die­ser Institutionen ist dann auch mal Schluss. Zudem: Ein «kul­tu­rel­les» Coaching ist nicht das Gleiche wie eine künst­le­ri­sche Begleitung – auch die Kulturbüros, wie sie die MIGROS betreibt, hel­fen da nicht wei­ter.

Wir defi­nie­ren nicht jedes Musik-CD-Projekt als ein Kunstobjekt. Viele Arbeiten sind mehr im sozia­len Zusammenleben zu defi­nie­ren, also in der kul­tu­rel­len Funktion. Ein Theaterfestival ver­mit­telt sicher einen künst­le­ri­schen Wert und wird eine ent­spre­chen­de Leitung vor­wei­sen, aber wer über­wacht die kul­tu­rel­le Funktion?

Die mei­sten Veranstalter fal­len übri­gens in die Kategorie Kultur und nicht in die Kunst. Doch auch hier reden wir sel­ten über Funktion. Und die ein­zi­gen Institutionen, wel­che Kultur in der Funktion bewer­ten, sind also die öffent­li­chen oder pri­va­ten Kulturförderungsinstitutionen. Das sind aber oft rei­ne Verwaltungsstellen, wel­che Budgets «ver­tei­di­gen» müs­sen. Sie dis­ku­tie­ren nicht über kul­tu­rel­len Inhalt und schie­ben die­se Diskussion gar in die Politik.

Für Kunstfragen wer­den dann im besten Fall Kommissionen ein­ge­setzt und wir machen ein Kreuz an die Decke, wenn die­se Kommissionen mit den «KulturförderInnen» die glei­chen Gespräche auch noch ein­mal füh­ren. Der Nachteil die­ser Prozeduren liegt auch auf der Hand: Nur wer ein Projekt ein­ge­ge­ben und sich gut sicht­bar gemacht hat, erhält eine Chance. Wer dazu nicht fähig ist, aber kul­tu­rell oder künst­le­risch was Grosses bie­ten könn­te, bleibt unsicht­bar. Eben: Kultur und Kunst sind kei­ne mess­ba­ren Werte – umso schwie­ri­ger die Wertung, Abgrenzung und eine fai­re Behandlung von Gesuchen – und «Nicht-Gesuchen».

Schlussendlich kön­nen wir anhand der meist eini­ger­mas­sen öffent­lich zugäng­li­chen Förderlisten nach­voll­zie­hen, wel­che Kultur in wel­cher Region als sol­che aner­kannt wird. Die Pop-Gruppe «So und So» hat also 2 000 Franken für die erste CD-Produktion, das Theater-ensem­ble «XYZ» 10 000 für das Theaterstück, die­ser schreck­li­che Film hat dop­pelt so viel wie der gute DOK-Film hier erhal­ten. Diese Listen sind dann eine Art Spiegel des kul­tu­rel­len und künst­le­ri­schen Verständnisses – und jenes der zustim­men­den PolitikerInnen –, reprä­sen­ta­tiv für eine gan­ze Gesellschaft. Dafür wäre eigent­lich auch ein Kulturkonzept brauch­bar – aller­dings sind die­se Papiere oft­mals sehr frei inter­pre­tier­bar und zei­gen nur Stossrichtungen auf – oder ein Budget.

Mich wür­de jetzt inter­es­sie­ren, was in die­sen Förderungsprozessen durch die Maschen fällt, wer oder was es in die­ser prag­ma­ti­schen Budgetwelt nicht schafft, sich ein­zu­ni­sten. Aus der bil­den­den Kunstszene wis­sen wir, dass die gros­sen Namen oft­mals erst nach einem arm­se­li­gen und erbärm­li­chen Leben zu Ruhm und Ehre gekom­men sind – sprich, die Nachwelt sich am Leid eines Künstlers berei­chert hat. Was ver­liert also eine Stadt, eine Region oder gar die Welt durch Absagen von Gesuchen? Was geschieht mit den Ideen, Projekten, wenn sie abge­lehnt wer­den? Interessant wäre dann auch zu wis­sen, mit wel­chen Begründungen die­se Absagen erfolgt sind und wer, oder wel­che Instanz, ent­schie­den hat.

Senden Sie mir also Ihre abge­lehn­ten Gesuche zu, lie­be LeserInnen. Wir wür­den uns freu­en, mehr dar­über zu erfah­ren. Ich ver­mu­te, dass, wie in der Musik, in der Stille ganz viel Musik schlum­mert.


 

Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 90/91, Juni/Juli 2010

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