EDITORIAL Nr. 104: Nicht lustig

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Von Lukas Vogelsang – Das Editorial, wel­ches ich schrieb, habe ich soeben gelöscht. Ein schwie­ri­ger Sommer war das bis jetzt, und heu­te sieht die Welt noch düste­rer aus. Wir flie­hen in die Ferien, und wäh­rend wir unse­re Stranderlebnisse auf Facebook prä­sen­tie­ren, läuft einer in Oslo Amok, sprengt Regierungsgebäude und erschiesst Jugendliche. Gleichzeitig sind Züge ent­gleist, um Fukushima wur­den wei­te­re Häuser eva­ku­iert. Amerika kämpft noch immer gegen den Bankrott, Griechenland hat ihn bereits, in Italien kommt nichts bes­ser, und der Rest von Europa beginnt sich in den Lösungen lang­sam zu ver­hed­dern. Amy Winehouse, begna­de­te Sängerin, ist heu­te mit sie­ben­und­zwan­zig Jahren gestor­ben. Und dem­nächst platzt die Internetblase, spä­te­stens dann näm­lich, wenn die Investoren begrei­fen, dass man 750 Millionen regi­strier­te User nicht besit­zen, und noch weni­ger mit ihnen etwas anfan­gen kann. Der Mensch bleibt immer ein Individum, auch in der Masse, und die­ses Individuum bleibt immer unab­hän­gig und ver­letz­lich, irgend­wo. Das heisst Mensch sein.

Man kann die­sen Planeten nicht besit­zen, und schon gar nicht steu­ern. Das ist kein Auto. Man kann mit der Erde nur zusam­men sein und mit dem Rest dar­auf aus­kom­men. Da kön­nen wir noch so frem­den­feind­lich trot­zen, oder igno­rant Öl ins Meer schüt­ten. Für unse­re Egos Geld zu schef­feln bringt nichts, und es hilft ein­fach nicht, wenn wir Amok lau­fen. Wer die Toleranz ande­ren Meinungen gegen­über nicht hin­kriegt, der hat ein ernst­zu­neh­men­des Problem. PolitikerInnen soll­ten ler­nen, über die Dinge nach­zu­den­ken, und nicht nur über die Punkte, wel­che sie sam­meln kön­nen. Wir alle müs­sen ler­nen, uns der Welt anzu­pas­sen, und nicht umge­kehrt. Die Intelligenz des Menschen ist ja: Er könn­te, wenn er woll­te. Dieser Wille unter­schei­det uns von vie­lem hier. Doch wo ist die­ser Wille, Mensch zu sein?

«Kultur» ist ein Begriffskonstrukt. Als Individuum haben wir kei­ne eige­ne Kultur, das defi­niert sich nur über die Gemeinschaft. Und Gemeinschaften soll es vie­le geben – nicht nur eine. Viele Gemeinschaften brin­gen die­se Spiegelbilder der Gesellschaften zustan­de, jene wel­che der «Kultur» immer wie­der zuge­spro­chen wer­den. Viele Gemeinschaften bedeu­ten vie­le Ansichten, bedeu­ten viel Toleranz und viel Nachdenken und Reflektieren. Kultur ist Inhalt, nicht Form. Kultur ist Sein, nicht Haben.

Was also geschieht mit uns, wenn wir die­sen Planeten ver­ein­heit­li­chen? Wenn wir die Individuen neu­tra­li­sie­ren? Was geschieht, wenn nur noch eine Meinung herrscht, oder nur noch einer die Entscheidungen fällt? Wie kön­nen wir ver­sucht sein, unse­re Meinung ande­ren auf­zu­drän­gen? An der «Macht über Kultur» sind schon vie­le Menschen krank gewor­den.

Ich muss lei­der einen Notruf ver­kün­den: Dieser Ausgabe liegt ein Einzahlungsschein bei und es wäre sehr wich­tig, wenn Sie, lie­be LeserInnen, mit oder ohne Abo, uns einen klei­nen Beitrag spen­den könn­ten. Der Grund: Wir haben erst nach acht Monaten, im Juni erfah­ren, dass wir in die­sem Jahr kei­ne Kulturförderung erhal­ten. Zum einen ist da die Stadt Bern – lesen Sie unbe­dingt auf Seite 6 –, und dann noch der Kanton Bern, wel­cher nur noch «sub­si­di­är» Beiträge spricht. Das heisst, wenn kei­ne wei­te­ren öffent­li­chen Gelder gespro­chen wer­den, gibt es eben «sub­si­di­är» vom Kanton Bern auch nichts. – Zürich will seit Jahren ein eige­nes Kulturmagazin her­stel­len – und dar­über die Kontrolle besit­zen – so wie über alle Kultur die Stadt wacht – von ihr gibt es auch nichts.

Ich hof­fe auf ein letz­tes biss­chen Demokratiebewusstsein unse­rer LeserInnen. Bitte hel­fen Sie uns jetzt! Wir brau­chen jede finan­zi­el­le Unterstützung: Insgesammt müs­sen wir über 50’000.- Franken auf­fan­gen! Sie kön­nen spen­den, Probeabos lösen, Abos ver­schen­ken, Fördermitglied wer­den… Ein Einzahlungsschein liegt die­ser Ausgabe bei.


Foto: zVg.

Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 104 Bern, August 2011

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