Interview mit dem italienischen Kult-DJ und Radiomoderator Mario Fargetta
Von Luca D’Alessandro
Mario Fargetta aka Get Far ist einer der berühmtesten DJs Italiens und Stimme des Mailänder Kultsenders Radio Deejay. Gemeinsam mit seinem Co-Produzenten Alberto Molfetta «Albertino» hat Fargetta in den neunziger Jahren der Italo-Discomusic seinen Stempel aufgesetzt. In Italien ist er so etwas wie eine Ikone, und es scheint fast, als würde zunehmend auch die Dance Szene in Europa Gefallen an ihm finden. Erst kürzlich hat das französische DJ Radio FG den Spezialisten der Kommerz orientierten Dance Music auf Platz fünfzehn des Rankings der 30 besten europäischen DJs gesetzt. Fargetta freut’s: «Es ist eine grosse Ehre für mich». Geehrt fühlt er sich auch durch das Interesse der italienischen Community in der Schweiz, die mit dem Namen Fargetta unzählige Erinnerungen an längst vergangene Sommerferien verknüpft und daher gespannt auf den 20. Februar wartet. Dann nämlich wird Fargetta im Wankdorf Club einfahren, um anlässlich der Fiat Glam Club Night seine aktuelle Single «The Radio» zu präsentieren.
ensuite-kulturmagazin hat Mario Fargetta im Vorfeld an den Event zu einem kurzen Gespräch eingeladen.
Mario Fargetta, vor uns liegt eine Compilation aus den Neunzigern: DJ Parade Volume 5 mixed by Albertino & Fargetta.
(lacht) Ja, ich erinnere mich. Das waren noch Zeiten…
Was kommt dir in den Sinn beim Anblick dieser CD?
DJ Parade 5 war eine der zahlreichen Compilations, die Alberto Molfetta und ich während der neunziger Jahre im Rahmen unserer Radiosendung «Deejay Parade» produzierten. Die Sendung war der Dance Music gewidmet. Unser Publikum bestand vorwiegend aus DJs und Partygängern, die sich an den zahlreichen Neuheiten von Albertino und mir inspirierten. Rückblickend betrachtet, ist diese Radiosendung mit Abstand das erfolgreichste Format, das ich jemals produziert hatte.
Übt Radio Deejay für DJs noch heute eine Referenzfunktion aus?
Nein, nicht mehr. Das Tagesprogramm hat inzwischen eine ganz andere Ausrichtung. In den Neunzigern, dagegen, waren Dance Tracks feste Bestandteile. Ich erinnere mich zum Beispiel an die Sendung Deejay Time oder die erwähnte Sendung Deejay Parade. Nun, die Sendung Deejay Time gibt es zwar heute noch, allerdings wurde sie auf eine Randzeit verschoben, Freitagnacht von 22 bis 24 Uhr.
Aus einer einstigen «Musique d’avant-garde» ist ein antiquarischer Stil geworden.
Es ist schon richtig, dass die Dance Music in den vergangenen Jahren stark gelitten hat. Dies hatte vor allem mit dem Mangel an neuen Ideen zu tun.
Hatte?
Ja, denn die Dance Music Produzenten hatten ihr Repertoire ausgeschöpft. Um Neues zu schaffen, griffen sie zu immer gewagteren Mitteln, das Resultat war in den meisten Fällen fast ein bisschen peinlich. Als Radiomoderator konnte ich diese Tracks nimmer über den Sender lassen. Diese Ausgangslage führte dazu, dass die Dance und House Music zusehends einen elektronischeren Weg einschlug.
Und wie ist die Situation heute?
Die Dance Music hat neuen Auftrieb erhalten. Heute würde ich sofort wieder ein Dance Programm auf Radio Deejay starten.
Auch für das Tagesprogramm?
Natürlich. Denn heute gibt es wieder neue, qualitativ gute Produktionen. Diese kann man dem Publikum zumuten.
Woher kommt dieses erneute Interesse für die Dance Music?
In letzter Zeit wurden Stücke produziert, die einem gewissen Qualitätsstandard entsprachen und daher erfolgreich waren. Die Produzenten haben sich ins Zeug gelegt und gleich mehrere Hits gelandet. Und wie das halt so ist: Landest du einen Hit, wirst du wahrgenommen und kannst neue Trends setzen.
Und den Leuten gefällt’s.
Das ist die Hauptsache. Denn die Leute gehen in den Ausgang, um Spass zu haben. Ich als DJ habe diesem Bedürfnis stets Rechnung getragen. Ausserdem bin ich in Italien sehr berühmt, und das ist mein Plus: Für einen Veranstalter bin ich ein sicherer Wert. Die Leute kommen, um den Event mit mir zu erleben.
Seit über zwanzig Jahren prägst du die Radio- und Clubszene in Italien.
Ja, das ist richtig. Mein Markenzeichen ist die gesungene Variante der House Music. Ihr fühlte ich mich immer sehr zugetan. Die Texte handeln meist von Liebe… ja, das ist die Linie, die ich stets verfolgt habe. Und das ist auch gut so, dank dieser Kontinuität konnte ich mich über die Jahre hinweg halten.
«Fargetta» und «Get Far» – beides Künstlernamen, die mit dir in Verbindung gebracht werden. «Get Far» kommt aus dem Englischen und bedeutet «sich entfernen». Wovor hast du dich entfernt?
Get Far ist das Anagramm von Fargetta und symbolisiert den Wunsch, mich von Mario Fargetta der Neunziger zu trennen. Wenn heute jemand «Mario Fargetta» sagt, assoziiert er damit automatisch meine frühere Arbeit. Mit «Get Far» ist es, als hätte ich mir selbst eine neue Identität gegeben. Tatsächlich kennen mich im Ausland die Leute fast ausschliesslich als Get Far.
«Never change a winning brand», könnte man an der Stelle entgegnen. Birgt ein Namenwechsel nicht auch ein Risiko? All jene, die dich unter dem Pseudonym Fargetta kennen, werden im Plattenladen oder bei iTunes auch danach suchen.
Das Risiko gibt es, das ist korrekt. In meinem Fall habe ich aber festgestellt, dass dieser Namenwechsel viel Positives mit sich brachte: insbesondere im Ausland. In Nordeuropa bin ich nämlich nur als Get Far bekannt.
Auf künstlerischer Ebene, was sind die Unterschiede zwischen den beiden Personen, die du verkörperst?
Fargetta und Get Far sind wie Zwillinge. Sie ähneln sich sehr, wenn auch Get Far insgesamt ein bisschen elektronischer daherkommt. Eine Ausnahme macht die aktuelle Single «The Radio», die unter Get Far erschienen und sehr stark dance-lastig ist. Die Vorgängersingle «Shining Star» ist deutlich elektronischer und entspricht daher vielmehr meiner Identität als Get Far. Wichtig ist: Sie alle haben das gesungene Element als Grundlage. Davon rücke ich nicht ab.
Ist «The Radio» eine Ode an deinen Arbeitgeber Radio Deejay?
Ja. Radio Deejay hat mir viel gegeben und auch ich durfte dem Sender viel zurückgeben. «The Radio» umfasst mein Leben als DJ und Moderator. Denn ohne das Radio hätte ich als Produzent keine Chance gehabt, eigene Produktionen einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Es ist daher eines der wichtigsten Kommunikationsmittel überhaupt.
Eventinfo:
20. Februar 2010: Fiat Glam Club Night, Wankdorf Club, Bern.
DJs: Fargetta, Scaloni, Shun Danger, Igor Blaska, Rocca Monello, Alex Vocoder, Alexo, Tek Law, Salvi (Radio RaBe), Mathieu.
Info: http://fargetta.dj




