«Demokratisierung der Kultur»

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Von Lukas Vogelsang – In den letz­ten Wochen ging es in Bern über­ra­schend ner­vös zu und her. Sie erin­nern sich an die Ankündigung der öffent­li­chen Berner Kulturkonferenz und das inter­ne Kulturhearing der Stadt Bern? Beide Events arbei­ten in die Richtung eines neu­en Kulturkonzeptes für die Stadt. Die Annahme aber, dass dies nur ein städ­te­po­li­ti­sches Thema sei, ist falsch. Gerade in Bezug auf die neu­en Konzepte und deren Umsetzung von Kanton und Stadt Bern, dem neu­en Geflecht und der Abhängigkeiten der Regionen, erhal­ten die­se Veranstaltungen und Gespräche neue Dimensionen.

Kultur geht uns alle an – wir sind alle ein­ge­bun­den, ob wir wol­len oder nicht. Kultur ist unser Alltag, unser gemein­sa­mes Zusammenleben und was wir zusam­men dar­aus erschaf­fen. Wir haben natür­lich immer die Wahl: Mitgestalten oder gestal­tet wer­den. Es ist ver­ständ­lich, dass wir nicht immer gleich viel Kraft in die Mitgestaltung legen kön­nen oder aber, dass unse­re Leben in unter­schied­li­chen Abschnitten ande­re Bedürfnisse beinhal­ten. Aber die Kultur bleibt – und damit auch wir als Teil davon. Man kann ein­stei­gen und umstei­gen – aus­stei­gen geht nicht.

Auf der Strasse wur­de ich ange­fragt, wo man heu­te KünstlerInnen und gene­rell Kulturschaffende fin­den kön­ne. Wo sind die Szenen, wo die Treffpunkte. Wo fin­den die öffent­li­chen Dialoge und Auseinandersetzungen statt? An Veranstaltungen ist oft kei­ne Zeit für die­se Gespräche, sehr sel­ten ist auch, dass die Organisatoren oder KünstlerInnen sich im Anschluss noch unter das Publikum mischen. An Vernissagen in Galerien und Museen oder Premierenvorstellungen noch am ehe­sten – doch da sind tief­grün­di­ge Gespräche oft­mals kaum mög­lich.

Wie kön­nen wir als viel­leicht nicht expli­zit Kulturschaffende trotz­dem an der Kultur mit­ge­stal­ten? Wie, wo und mit wem kön­nen wir unse­re Ideen, Erkenntnisse aus­tau­schen? Wo kön­nen wir unse­rer Unzufriedenheit Ausdruck ver­lei­hen, wo unse­re Zufriedenheit kund­tun?

Die Definition «Demokratisierung der Kultur » hat für mich eine inter­es­san­te Bedeutung erhal­ten. Selbst als Verleger und Chefredakteur die­ses Kulturmagazins spü­re ich, wie wich­tig es wird, nicht expli­zit für die «Kulturszenen» zu arbei­ten, son­dern für all die ande­ren. Kultur ist immer im Wandel mit der Zeit, und eben­so ver­än­dern sich die Szenen. Wer nur auf eine Szene fokus­siert, und neh­men wir doch die Kulturszene als sol­che, wird frü­her oder spä­ter, ana­log den rück­läu­fi­gen Besucherzahlen, der Leere gegen­über­ste­hen. Der Austausch, die Auseinandersetzung muss immer und täg­lich neu aus­ge­lo­tet wer­den. Es reicht nicht, ein «pole­mi­sches Thema» in die Runde zu wer­fen – so wie vie­le Medien momen­tan ihre Zeitungen füh­ren –, und auf die­sen «Peaks» zu sur­fen. Wir müs­sen viel wei­ter zurück und die Menschen abho­len, wel­che bereits das Vertrauen
ver­lo­ren haben, nicht mehr oder noch nicht inte­griert sind. Das ist ja auch, was an uns SchweizerInnen immer wie­der kri­ti­siert wird: Es ist schwie­rig, den Anschluss an die Gesellschaft zu fin­den. Dieses Fazit über unse­re Gesellschaft soll­te zu den­ken geben. Das ist ganz offen­sicht­lich ein kul­tu­rel­les Problem.

Die «Demokratisierung der Kultur» ist des­we­gen einer der wich­tig­sten Punkte auf der Agenda der näch­sten Jahre. Wenn Kulturinstitutionen über­le­ben und wir nicht nur für Schaukästen pro­du­zie­ren wol­len, dann müs­sen wir die bis­he­ri­ge Vorgehensweise bei den Kulturkonzepten unbe­dingt neu über­den­ken. Wo ste­hen wir in 10 Jahren? Wie wird sich die Gesellschaft bis in 10 Jahren ver­än­dern? Ohne nähe­re Auseinandersetzung mit der Gesellschaft redu­ziert sich unse­re «Kultur» zu einem lee­ren Objekt.

Kulturschaffende nei­gen heu­te zur Überzeugung, den Wohlstand als gege­be­nen Zustand zu defi­nie­ren, und for­dern Geld. Das Publikum wie­der­um will gra­tis unter­hal­ten wer­den, will hoch­ste­hen­des in ver­ständ­li­chen und gefäl­li­gen Häppchen kon­su­mie­ren. Die Politik will Leuchttürme zum Spottpreis, und gleich­zei­tig sind die Kultur- und Kunstmärkte Investitionsund Anlagegeschäfte, wo Renditen teils die BankerInnen bleich wer­den las­sen. Der Tourismus möch­te auch noch irgend­was, und die Wirtschaft weiss nicht mehr, was sie will. Doch in der Kultur kann weder gefor­dert noch stan­dar­di­siert wer­den. Kultur formt sich aus der Gesellschaft – Kulturschaffende sind eigent­lich nur Vermittler der Kultur, aber sie erfin­den sie nicht. Das heisst: Spiegel der Gesellschaft. Und die­ser Spiegel scheint zu erblin­den.

Ich bin über­zeugt, dass wir sol­che Fragen nicht ein­fach ste­hen las­sen soll­ten. Das sind die Grundlagen, wel­che für ein Kulturkonzept gel­ten und auf die wir auf­bau­en müs­sen. Zusammen, nach­voll­zieh­bar und in Freundschaft.

Am 6. März fin­det die 1. Berner Kulturkonferenz
im PROGR, Bern statt (14.00 – 18.00 Uhr)
www.kulturkonferenz.ch
(nur mit Anmeldung, Eintritt frei, Kollekte)

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