Bimbel, Bambel, Weihnachtsmannderl

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Von Stephan Fuchs - Viel weiss kei­ner über den Weihnachtsmann. Im 4. Jahrhundert, ver­mut­lich war er Bischof, leb­te er wohl im tür­ki­schen Myra und ist etwa zwi­schen 345 und 352 in den Himmel gekom­men, nach­dem er damals schon eini­ge Wunder voll­brach­te. Drei armen Mädchen schenk­te er reich­lich Gold um ihnen die Heirat zu ermög­li­chen. Er ret­te­te drei Unschuldige vor dem Blutrichter und soll drei zer­stückel­te und ein­ge­pö­kel­te Schüler wie­der zum Leben erweckt haben. Handfest erin­nert an ihn nur ein Sarkophag in der Basilika, obschon die Gebeine ver­schwun­den sind. Einzig ein paar Skelettreste wer­den noch im nahen Antalya auf­be­wahrt und ob die wirk­lich vom hei­li­gen Nikolaus sind ver­mag wohl nie­mand mit Bestimmtheit zu sagen. Und doch: im klei­nen Park von Myra, umge­ben von Bäumen, Fächerpalmen und Rosen, steht er auf einem run­den Sockel, hat einen Vollbart und einen lan­gen Mantel mit Kapuze. Einige Kinder schmie­gen sich an ihn und wer weiss, viel­leicht sind es die zum Leben erweck­ten ein­ge­pö­kel­ten, aber auch das weiss kei­ner so recht. Eines ist sicher: er zeigt sich als der, den wir alle aufs innig­ste lie­ben: Nikolaus der Weihnachtsmann, in vol­ler Pracht. Aber, der Mann hat’s faust­dick hin­ter den Ohren.

Der Weihnachtsmann ist ein Tausendsassa der Wandlung. Die Katholiken von heu­te ken­nen ihn als Christkind, para­do­xer wei­se als eine Schöpfung von Martin Luther. Zu Luthers Lebzeiten wur­den Kinder am 6. Dezember, dem eigent­li­chen Nikolaustag beschenkt. Da eil­ten Nikolaus und sei­ne Gehilfen von Haus zu Haus und ver­teil­ten Birnen an die übers Jahr als brav auf­ge­fal­le­nen und für die bös gefal­le­nen, gab es die Rute. Die gros­se Bescherung, so wie wir sie heu­te ken­nen, exi­stier­te damals noch nicht und die Protestanten lehn­ten die katho­li­schen Heiligen fun­da­men­tal ab. Damit war das Problem frei­lich nicht aus der Welt und schon gar nicht im Himmel, denn die Protestanten woll­ten vom Nikolaus-Brauch, wohl aus einem prak­ti­schen, päd­ago­gi­schen Aspekt nicht abrücken. Luther der Schlaumeier, ersetz­te des­halb den Nikolaus durch den Heiligen Christ bzw. das Christkind, das an sei­nem Geburtstag, dem 25. Dezember, Geschenke an die bra­ven Kinder ver­teilt. Im 19. Jahrhundert wur­de das Christkind dann von der katho­li­schen Kirche über­nom­men, wäh­rend es im pro­te­stan­ti­schen Weihnachtsbrauch eine immer gerin­ge­re Rolle spiel­te, sich qua­si aus dem Staub mach­te und lang­sam vom säku­la­ri­sier­ten Weihnachtsmann ver­drängt wur­de. So kommt das ursprüng­lich pro­te­stan­ti­sche Christkind heut­zu­ta­ge vor allem in katho­li­schen Haushalten vor. Ob Katholik oder nicht, der Weihnachtsmann, der lie­be Opa mit der lusti­gen Zipfelmütze, ist ein Zwitter.

Dargestellt als freund­li­cher alter Mann mit lan­gem wei­ßem Bart, gehüllt in sei­ne rote, mit wei­ßem Pelz besetz­ter Kutte, über sei­ne star­ke Schulter gestemmt den prall gefüll­ten Geschenk-Sack und in sei­ner Hand, es ist dies in der Regel die Rechte… die stra­fen­de Rute. So bringt er den lie­ben Kindern in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember Geschenke und bestraft die Bösen. Bei der Gelegenheit erin­ne­re ich mich, wie ich als Kind tat­säch­lich angst­er­füllt unter das Bett gekro­chen bin. Das schlech­te Gewissen, übers gan­ze Jahr suk­zes­si­ve auf­ge­baut, muss sich wohl auf einen Schlag in Angst und Entsetzen umge­wan­delt haben. Der Weihnachtsmann ver­ei­nigt merk­wür­di­ger­wei­se die Eigenschaften des gut­mü­ti­gen Sankt Nikolaus und sei­nes stra­fen­den Knechtes Ruprecht, der die Ruten ver­teilt oder noch schlim­mer dem Krampus, der damit auch häu­fig kräf­tig zuschlägt.

Die euro­päi­schen Auswanderer schließ­lich, brach­ten den St.-Nikolaus-Brauch qua­si als blin­den Passagier mit nach Amerika. Insbesondere in den hol­län­di­schen Kolonien um New York, wur­de das Sinterklaas feest gefei­ert und aus Sinterklaas wur­de Saint Claus und schließ­lich Santa Claus. Im Jahre 1823 wur­de dar­aus eine gan­ze Armada von Renntieren die einen sagen­haf­ten flie­gen­den Schlitten hin­ter­her zogen. Im Gedicht A Visit From St. Nicholas von Major Henry Livingston Jr. wur­de die­se Geschichte zum ersten Mal ver­öf­fent­licht. Durch die­se Geschichte erst, kam der Santa Claus rich­tig in Fahrt: Heimlich steigt er nun durch die Kamine in die Häuser, macht sich auf die Suche nach Socken und, heu­te wäre das ja umge­kehrt, er nimmt nicht etwa Wertsachen mit, son­dern bringt Geschenke. Seine Renntiere, Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner und Blitzen, war­ten der­weil beim Kamin auf die Rückkehr des Helden. Und so zieht der Santa Claus, vom hohen Norden her kom­mend mit einer Schar stol­zer und muti­ger Renntiere von Haus zu Haus. Ab 1862 bekommt der Himmelsreiter, stets in höl­li­schem Tempo unter­wegs, vom deutsch­stäm­mi­gen Cartoonist Thomas Nast für die Zeitschrift Harper’s Weekly einen rau­schen­den Bart um sein Kinn. Am 27. November 1927 schrieb die New York Times: „Ein stan­dar­di­sier­ter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern. Größe, Gewicht und Statur sind eben­so ver­ein­heit­licht wie das rote Gewand, die Mütze und der wei­ße Bart.“ Dies war also der Moment, als Santa Claus zur DIN Norm wur­de, den kind­li­chen Träumen und Vorstellungen ent­ris­sen und als Produkt auf den frei­en Markt gewor­fen wur­de. Vermarktet wur­de der gute alte Mann aber erst rich­tig 1931. Damals beauf­trag­te die Coca-Cola Company den schwe­disch-ame­ri­ka­ni­schen Zeichner Haddon Sundblom den Santa Claus für eine win­ter­li­che Werbekampagne zu zeich­nen. Sundblom schuf einen sym­pa­thi­schen, knud­li­gen „Weihnachtsmann zum Anfassen“, ziem­lich genau so wie er heu­te durch die Kamine steigt. Seine Vorlage war das Gesicht eines pen­sio­nier­ten Coca-Cola Fahrverkäufers und seit dem waren man­che sicher, der Weihnachtsmann sei eine Erfindung von Coca-Cola. Was für eine Strategie!

Aber da muss mehr als Coca-Cola dahin­ter stecken. Wenn wir den Weihnachtsmann auf sei­nem Schlitten, im Höllenritt gezo­gen von 8 wil­den Renntieren, sei­nen Rauschebart hero­isch wehend über unse­re Gassen und Dächer flit­zen sehen, dann ist das der pen­sio­nier­te Coca-Cola Fahrverkäufer, auf… Speed? Muss er! Wie sonst soll­te er die über 93 Millionen euro­päi­schen Haushalte belie­fern und dann das gan­ze noch ein­mal plus eini­ge Haushalte mehr in Amerika. Wohl gemerkt einen Tag spä­ter. Damit aber nicht genug, denn bekannt­lich gibt es ja noch eini­ge christ­li­che Enklaven im Süden und im wil­den Osten und in Asien, wo eben­falls bra­ve Kinder auf einen gros­sen Lego-Baukasten, einen GameBoy, oder eine Barbie-Puppe war­ten. Die mei­sten von ihnen aller­dings, war­ten wohl lei­der das gan­ze Leben, aber da kann der lie­be Weihnachtsmann natür­lich nichts dafür. Auch wenn der Weihnachtsmann in eini­gen Ländern Probleme mit den Einreise-Bestimmungen bekom­men wür­de, kei­nen gül­ti­gen bio­me­tri­schen Ausweis vor­zei­gen könn­te, beim Drogen-Test posi­tiv auf­fal­len könn­te, sei­nes Bartes wegen als ver­klei­de­ter Taliban durch Spezialisten auf gehei­men Stützpunkten ver­hört wür­de, oder schlicht durch Flak-Feuer getrof­fen not­lan­den müss­te, der Weihnachtsmann ist ein armer, gestress­ter Kerl.

Für jede Familie hat er näm­lich, Anfahrt inbe­grif­fen, nur mal knapp eine tau­send­stel Sekunde Zeit. Da bleibt nicht viel zum plau­dern und schon gar nicht zum prü­geln. Aus Kinderaugen betrach­tet, ist die zeit­tech­ni­sche Situation in Kinderheimen natür­lich inter­es­san­ter. Offensichtlich gibt es da einen Quantums-Zeit-Rabatt, was dem Weihnachtsmann wirk­lich hoch ange­rech­net wer­den kann. Naturgemäss müss­ten dem Kinder-Held eigent­lich sol­che Visiten bes­ser beha­gen, doch sei­ne Verpflichtung will mög­lichst breit gestreut sein. Wenn also jedes Kind ein mit­tel­gros­ses Lego-Set bekom­men wür­de, wel­ches in etwa einem Kilogramm ent­spricht, sofern sich das die Zulieferer des Weihnachtsmannes nach den Steuern und Krankenkassen Prämien noch lei­sten kön­nen, dann hat der Schlitten ein Gewicht von sagen­haf­ten 378.000 Tonnen. Für den Transport die­ser gewal­ti­gen Tonnagen an Legos wür­de er 210 000 Rentiere und ent­spre­chend vie­le Schlitten benö­ti­gen. Mindestens 120 Millionen Kilometer müss­te er so, man beach­te, der Erdumfang liegt bei etwa 40‘000 Km, in rund 36 Stunden zurück­le­gen. Das wür­de die 4000fache Schallgeschwindigkeit erfor­dern. Beim Anfahren müss­ten er und sei­ne Rentiere das 17 500fache der Erdbeschleunigung aus­hal­ten – da kommt jede Zipfelmütze ins glü­hen.

822,6 Besuche pro Sekunde! Man stel­le sich das mal bild­lich vor! Parken, aus dem Schlitten sprin­gen, den Schornstein run­ter­klet­tern, sofern Klettern hier noch in Frage kommt, die Socken fül­len, sofern sie nicht ver­steckt sind, die übri­gen Geschenke unter dem Weihnachtsbaum ver­tei­len, wenn er denn da unter den Baum kommt und sor­tiert nach Name, alle übrig geblie­be­nen Reste des Weihnachtsessens ver­til­gen, man den­ke an den Bauch, den Schornstein wie­der rauf­klet­tern, wenn er denn noch rein passt, rein­ge­hech­tet in den Schlitten, wenn die Renntiere noch am ste­hen sind und hopp zum näch­sten Haus geflo­gen. Hut ab, denn das ist ein Wunder! Doch ist das zuläs­sig? Aus rein mensch­lich-ethi­schen und aus Gründen des Tierschutzes müss­te man näm­lich kon­se­quen­ter­wei­se scharf für eine Kriminalisierung der Kinder und Jugendlichen plä­die­ren in der Hoffnung, der Weihnachtsmann könn­te dadurch ein biss­chen ent­la­stet wer­den. Doch wol­len wir das? Hand aufs Herz, zu uns Erwachsenen kommt der Weihnachtsmann ja nur nicht, weil er durch sei­nen Stress kei­ne Zeit dazu hat um uns mit der Rute zu prü­geln.

Bild: zVg.
ensuite, Dezember 2004

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