Alle sind froh über die WEKO!

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Von Manu Gehriger – Da sind wir jetzt alle beru­higt und glück­lich zu wis­sen, dass die IFPI eine ganz lie­be und ehren­wer­te Gesellschaft ist, die über­haupt nicht betrügt und nie­mals lügt. Das hat jeden­falls das Schweizer Fernsehen in den Abendnachrichten vom 20.07.12 uns so rüber­ge­bracht. Demnach war es sozu­sa­gen nur ein klei­nes Versehen, dass die IFPI jah­re­lang Parallelimporte mit ille­ga­len Mitteln ver­hin­der­te.

Die IFPI ist die inter­na­tio­na­le Organisation der Musik- und Videoproduzenten, deren Schweizer Tochter vor andert­halb Jahren wegen Betrugs und Steuerdelikten in die Schlagzeilen geriet. Inzwischen ist die Geschäftsleitung prak­tisch aus­ge­wech­selt wor­den.

Beat Högger wur­de schon vor mehr als einem Jahr frei gestellt, wäh­rend der Anwalt Peter Vosseler sich sel­ber aus dem Schussfeld nahm. Wie ver­mu­tet wird, ist er aber wei­ter­hin für die IFPI tätig und Insider behaup­ten sogar, dass auch Beat Högger nach wie vor in ihren Büros wan­delt und han­delt.

Froh ist jeden­falls Shigs Amemiya von iMusician digi­tal, der die Sache ins Rollen brach­te, weil die IFPI einen sei­ner Hits, die nur online gekauft wer­den, äus­serst hohe Verkaufszahlen erreich­te, in den Charts aber wäh­rend Wochen kei­ne Beachtung fand. Er hat die Wettbewerbs Kommission WEKO auf die Illegalität die­ser Praktiken mit einer über 60-sei­ti­gen Einsprache begrün­det. Froh ist er, weil er nun in Zukunft damit rech­nen kann, dass sei­ne Verkäufe von der IFPI aner­kannt und in den Charts immer Beachtung fin­den wer­den. Weniger froh ist er dar­über, dass die Hitparade sozu­sa­gen durch die IFPI hei­lig gespro­chen wur­de. Wie der neue Chef der IFPI, Lorenz Haas, stolz in den SF Nachrichten ver­kün­de­te, «… sind wir froh, dass gemäss WEKO die Erstellung der Hitparade recht­mäs­sig ist.» Für Insider wie Shigs Amemiya von iMusicians oder ande­re Branchenkenner ist dage­gen völ­lig klar, dass es der WEKO schlicht nicht gelun­gen ist, die Manipulationen der IFPI, die über fast drei Jahrzehnte üblich waren, nach­zu­wei­sen. Froh ist aber auch die IFPI, da die WEKO nur eine mini­ma­le Strafe aus­ge­spro­chen hat. Wen man bedenkt, dass das Strafmass bis zu 10% des Umsatzes der letz­ten drei Jahre betra­gen kann. Bei einem Jahresumsatz von rund 750 Millionen Franken sind die­se 3,5 Millionen ein Nasenwasser, gegen­über einer mög­li­chen maxi­ma­len Busse von also 225 Millionen.

Froh sind jetzt auch alle dar­über, dass im Vorstand der Hitparadenkommission nun auch von Seiten der Musiker selbst zwei gestan­de­ne Vertreter Einsitz neh­men. Cla Nett ist seit Januar 2000 Direktor der SIG, der Organisation der Musik Interpreten in der Schweiz und sel­ber akti­ver Musiker als Gittarist der Lazy Poker Blues Band, die seit 1975 exi­stiert. Von der Swissperform ist es der neue Chef Dr. Poto Wegener, wäh­rend Jahren Abteilungsleiter der SUISA und Herausgeber des Standartwerkes «Musik & Recht – Schweizer Handbuch für Musikschaffende». Cla und Poto haben wie eini­ge ande­re auch gezö­gert, die­sen Job anzu­neh­men und allen­falls nur als «Feigenblatt» zu die­nen. Auf Anfrage erklär­te Cla Nett, dass sie gemein­sam har­te Fragen an Andy Renggli stell­ten, seit 2005 Leiter der MediaControl Zürich, der unter ande­rem von 1998 bis 2004 der A&R Director bei Warner Music Switzerland war. Es gab im letz­ten Jahr ja auch die­se Geschichte, dass Rengglis Freundin gleich­zei­tig die Sängerin der Band Tinkabelle ist, die damals etwas uner­war­tet hoch in die Charts ein­stieg. Zufall? Naja, Cla Nett will jeden­falls genau hin­se­hen und ist mit den Antworten zufrie­den, die er und Poto auf ihre «har­ten Fragen» erhal­ten habe. Er habe vol­les Vertrauen, auch in Herbert Pfortmüller, der so eine Art «unab­hän­gi­ge Beschwerdeinstanz» der MediaControl sei.

Doch froh sind nicht ganz alle. Es gibt auch die noto­ri­schen Skeptiker und Kenner der Branche, die genau wis­sen, wie die Manipulationen der Hitparade von­stat­ten gehen. Es braucht nur ein paar loya­le Einkäufer bei den gros­sen Shops wie Mediamarkt und Ex Libris, die jeweils Ende Woche ihre Verkaufszahlen direkt an Media Control mel­den, die dann ein wenig auf­run­den, wenn es der Firma eben wich­tig ist, dass sie jetzt ihren neue­sten Hit auch in die Top Ten bringt. Wenn Cla glaubt, dass sich das heu­te finan­zi­ell gar nicht lohnt, weil die Charts ihre Bedeutung ver­lo­ren haben und die Margen eh zu klein sei­en, ist dies sein Glaube. Doch den Verkaufsmanagern geht es vor allem um die Anerkennung durch ihren Chef und des­sen Chef, der in der Regel in Deutschland oder direkt in den USA sitzt, und für die zählt eben die Hitparade noch heu­te als Gradmesser, ob ihre Verkäufer sich im Markt auch durch­set­zen kön­nen. Vor einem guten Jahr, als die IFPI durch Vosselers Betrugsgeschichte in ein übles Rampenlicht gezerrt wur­de, gab es sehr plötz­lich har­te Entlassungen wie bei Mediamarkt Lyssach, eine davon war Franco Ceppi: Er ist jetzt beim Musikvertrieb tätig. Oder Edith Stadelmann von Sihlcity, sie ist jetzt bei Musik Hug. Oder Silya Trummer, Einkäuferin in der EXLibris Zentrale in Dietikon, zufäl­lig auch die Ehefrau eines Verkäufers von Universal. Wen wun­dert es, dass man sie gele­gent­lich an Superevents wie die Rolling Stones damals in Dübendorf mit einem Backstage Pass hin­ter der Bühne antraf. Wie ein Insider mein­te, sind eben die Grenzen zwi­schen Kundenbetreuung mit klei­nen Gefälligkeiten und akti­ver Bestechung flies­send. Naja, jeden­falls fast alle sind doch jetzt froh über die­ses salo­mo­ni­sche Urteil der WEKO.

Foto: zVg.
ensuite, August 2012

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