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Wo hockt Gott?

Von Klaus Bonanomi - Das wis­sen auch die Gelehrten nicht so ganz genau. Aber sie arbei­ten dar­an. Zehn Professoren an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Uni Bern sind der­zeit damit aus­ge­la­stet, zusam­men mit 180 Studierenden die­ser Frage nach­zu­ge­hen. Den Seinen gibts der Herr im Schlaf, stellt man fest, ange­sichts der Tatsache, dass ein Theologieprofessor an der Uni Bern nur 18 Studierende zu betreu­en hat und sich somit ein biss­chen wie im Paradies vor­kom­men darf. Denn anders­wo sieht’s schlech­ter aus; im Durchschnitt kommt an der Uni Bern ein Professor auf 57 Studierende, und in der Psychologie zum Beispiel hat jeder Professor im Schnitt gar 140 Studierende in die Geheimnisse von Geist und Seele ein­zu­füh­ren.

Geradezu anar­chi­sche Verhältnisse herr­schen schliess­lich in der Medienwissenschaft: Für 900 Studierende hat die Uni Bern einen ein­zi­gen Professor ange­stellt, den wacke­ren und uner­müd­li­chen Roger Blum. Zusammen mit einem enga­gier­ten Stab von Assistentinnen, Gastdozenten und unter­stützt von einem Förderverein mit aller­lei Prominenz aus Medien, Politik und Wirtschaft, bie­tet Blum am IMW, dem Berner Institut für Medienwissenschaft, sei­nen Studierenden ein brei­tes Angebot an Vorlesungen, Seminarien und Diskussionsforen; Exkursionen in die diver­sen Medienhäuser berei­chern das Semesterprogramm.

Die aktu­el­len und histo­ri­schen Vorgänge in der Schweizer Medienlandschaft bie­ten reich­lich Stoff für Lehre und Forschung: Vorlesungen über Medienethik oder über die Mechanismen von Inszenierung und Personalisierung in der poli­ti­schen Kommunikation fin­den am IMW genau­so statt wie eine gros­se Forschungsarbeit zur Geschichte des Hauses Ringier von der klei­nen Zofinger Druckerei von Anno 1833 zum dritt­gröss­ten Schweizer Medienkonzern mit sei­nen mäch­ti­gen Boulevardblättern, die auch schon mal einen Botschafter oder einen Regierungsrat zu Fall brin­gen. Eine aktu­el­le Facharbeit unter­sucht die Informationsvermittlung in der Tagesschau und in «10 vor 10», eine ande­re die Berichterstattung zum Tschetschenien-Konflikt in der Schweizer Presse. Und zusam­men mit dem Förderverein Medienwissenschaft orga­ni­siert das Institut Publikums-Veranstaltungen zu aktu­el­len Themen; die näch­ste befasst sich mit der Katastrophen-Berichterstattung in den Schweizer Medien.

Doch die­ses reich­hal­ti­ge Menu ist in Gefahr: Trotz des gros­sen Nachholbedarfs und stei­gen­der Studentenzahlen hat es die Leitung der Universität abge­lehnt, dem Fach Medienwissenschaft einen wei­te­ren Professoren-Lehrstuhl zu finan­zie­ren, und statt­des­sen ande­re Fächer berück­sich­tigt. Deshalb hat man am IMW nun die Notbremse gezo­gen: Künftig soll es nicht mehr mög­lich sein, im Nebenfach Medienwissenschaft zu stu­die­ren. Dafür will man zusam­men mit der Universität Freiburg einen Master-Studiengang anbie­ten. Master statt Nebenfach, das heisst zwar weni­ger, aber dafür bes­ser aus­ge­bil­de­te Studierende; es heisst mehr Spezialisierung und Professionalisierung. Und das wie­der­um bedeu­tet für unse­re Gesellschaft, dass es künf­tig zwar mehr Medien-Profis geben wird, dafür aber weni­ger Ökonomen, Politologinnen oder Historiker mit medi­en­wis­sen­schaft­li­chem Hintergrund.

Dass das Institut für Medienwissenschaft bei der Geldverteilung ein­mal mehr leer aus­ge­gan­gen ist, kri­ti­siert der Förderverein Medienwissenschaft in einem offe­nen Brief: «Wir kön­nen nicht nach­voll­zie­hen, dass die Universitätsleitung in der Bundesstadt Bern, einer Hochburg von Politik, Verwaltung und Medien, nicht einen Schwerpunkt und ein veri­ta­bles Kompetenzzentrum jener Fächer schafft, die durch den Standort aus­ge­zeich­net begrün­det sind, näm­lich Politikwissenschaft, Medienwissenschaft, Verwaltungswissenschaft und öffent­li­ches Recht.» Und die Journalisten-Gewerkschaften Impressum und Comedia war­nen in einem gemein­sa­men Communiqué: «In Zeiten ver­schärf­ter Medienkonzentration, Sparprozessen bei Zeitungen und elek­tro­ni­schen Medien, der aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Entwicklung in Richtung ‚Mediokratie‘, muss die Medienwissenschaft höch­ste Priorität genies­sen. Wir brau­chen mehr kri­ti­sche Reflexion und nicht weni­ger!»

Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch

ensuite, April 2005