Weshalb unter­stützt die Universitätsleitung das Fach Medienwissenschaft nicht?

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Von Eva Pfirter - Alles, was wir von der Welt wis­sen, wis­sen wir von den Medien. In der Interaktion mit Kultur, Wirtschaft und Politik spie­len Medien eine immer wich­ti­ge­re Rolle. Medienschaffende kön­nen mit ihrer Berichterstattung CEO’s zu Fall und Politiker in Erklärungsnotstände brin­gen. Oder aber einem «Musicstar» mit ent­spre­chen­der Publicity zu kur­zer Berühmtheit ver­hel­fen.

Die Medien suchen in ihrer Orientierungsfunktion die Wirklichkeit abzu­bil­den und schaf­fen dadurch eine neue Wirklichkeit, die nur sel­ten objek­tiv ist. Wer Zeitung liest oder die Tagesschau schaut, ist sich des­sen kaum bewusst. Die immer stär­ke­re Vernetzung der Welt macht uns glau­ben, jeder­zeit via Medien objek­tiv infor­miert zu sein. Den Tsunami in Südostasien schei­nen wir eben­so haut­nah mit­er­lebt zu haben wie die Stimmung nach der Wiederwahl von George W. Bush in New York. Doch ist es nicht gera­de dann nötig, sich den Spielregeln und Tücken der Medienmaschinerie bewusst zu wer­den, wenn die­se immer stär­ker unse­re eige­ne Wirklichkeit prä­gen?

Ein Studium der Kommunikationsund Medienwissenschaft führt nicht zwin­gend ins Berufsfeld Journalismus oder Pressearbeit. Künftige Bundesräte, Konzerleiter und Kulturbetreiber soll­ten eben­so Bescheid wis­sen über Propaganda und Pseudo-Ereignis wie ange­hen­de Feuilletonisten. Doch lei­der schei­nen das vie­le noch immer miss­zu­ver­ste­hen: Medien sind nicht bloss inter­es­sant für Medienschaffende, son­dern betref­fen uns alle, durch­drin­gen unser Leben tag­täg­lich ob uns das lieb ist oder nicht.

Auch die Berner Universitätsleitung scheint sich weder über Bedeutung noch Inhalt des Instituts für Kommunikationsund Medienwissenschaft im Klaren zu sein. Neben eini­gen medi­en­prak­ti­schen Kursen wird vor allem Grundlagenforschung betrie­ben; jene Forschung, die für die Fachhochschulen nötig ist, um Journalisten und PR-Fachkräfte seri­ös aus­bil­den zu kön­nen.

Natürlich: Kommunikationsund Medienwissenschaft ist ein jun­ges Fach. Und muss des­halb immer wie­der gegen Vorurteile kämp­fen. Obwohl es bes­ser ist als sein Ruf. Während das Fach in Basel lin­gu­istisch, in Zürich publi­zi­stisch und in Lugano unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­tiv aus­ge­rich­tet ist, zeigt das Berner Institut klar sozi­al­wis­sen­schaft­li­che Tendenzen mit Schwerpunkt Politische Kommunikation was begrün­det ist durch die poli­ti­sche und media­le Bedeutung der Stadt Bern. Das Berner Modell ist somit kei­nes­falls aus­tausch­bar mit einem Kommunikationsund Medienwissenschaftsstudium in einer ande­ren Schweizer Stadt. Nicht zuletzt auch, weil man mit Roger Blum einen äus­serst fähi­gen Praktiker und Vermittler an Land gezo­gen hat.

Am Podium «Wieviel Medienwissenschaft braucht Bern?» ver­steck­te sich Rektor Urs Würgler hin­ter Sparmassnahmen und fand, das «Problem Medienwissenschaft» müs­se gesamt­schwei­ze­risch dis­ku­tiert wer­den. Konkrete Gespräche fan­den bis­her aber kei­ne statt. Statt den hohen Studentenzahlen gerecht zu wer­den, begrün­det Würgler die man­gel­haf­te Unterstützung damit, in erster Linie müss­ten Hauptfächer geför­dert wer­den. Da das Fach Kommunikationsund Medienwissenschaft aber kei­ne Ausbaumittel erhält, kann es nicht Hauptfach wer­den. Und weil es nicht Hauptfach ist, erhält es kei­ne Ausbaumittel.

Sieben posi­ti­ve exter­ne Evaluationen, eine stu­den­ti­sche Petition und ein offe­ner Brief des pro­mi­nen­ten Beirats des Fördervereins für Kommunikationsund Medienwissenschaft konn­ten die Verantwortlichen nicht zu einer ande­ren Haltung bewe­gen. Man schämt sich nicht, zuzu­schau­en, wie sich der ein­zi­ge Dozent mit 80 Stunden-Wochen abrackert. Und über 900 Studierende im schlech­te­sten Betreuungsverhältnis des Schweiz ein Fach stu­die­ren, das zwei­fels­oh­ne Zukunft hat. Medien schaf­fen Realitäten und haben eine Macht, die unheim­lich ist. Die aktu­el­le Hysterie um eine all­fäl­li­ge Volgelgrippe-Epidemie zeigt dies auf ein­drück­li­che Art und Weise. Der Pharmakonzern Roche hat sei­nen Verkauf von Tamiflu um mehr als 240 Prozent gestei­gert. Ohne Medien wüss­ten wir nicht ein­mal von den Volgelgrippe-Fällen in Kroatien und Russland.

Die alten, histo­risch begrün­de­ten Wissenschaften haben ihre Berechtigung. Aber es wäre auch an der Zeit, der gegen­wär­ti­gen gesell­schaft­li­chen Entwicklung Rechnung zu tra­gen und einem jun­gen Fach Raum zu geben. Gerade hier, in der Stadt Bern. Anstatt das Problem typisch schwei­ze­risch den ande­ren Kantonen und ihren Universitäten zuzu­schie­ben.

Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch

ensuite, November 2005

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