Was ist ein Schlüferli?

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Von Barbara Roelli – Ich las das Wort auf der Aushängetafel einer Bäckerei in einer frem­den Stadt: Schlüferli. Was ist ein Schlüferli? Ich schiel­te kurz durchs Schaufenster der Bäckerei und hoff­te, das Schlüferli in der Auslage zu ent­decken. Meine Augen such­ten nach dem Unbekannten, aber alles was ich sah waren die lachen­den Gesichter der Spitzbuben. Ich hat­te es pres­sant und muss­te wei­ter. Seit die­sem Tag den­ke ich immer wie­der an das Schlüferli. Schlüferli…was für ein lie­bens­wer­tes Wort. Ich habe ver­sucht, das Schlüferli in einen logi­schen Zusammenhang zu brin­gen: Auf jeden Fall ist es etwas klei­nes, ein –li, das der Bäcker kne­tet, dreht und viel­leicht sogar ver­ziert. Das Schlüferli ist also ein Gebäck, ein Stück haus­ge­mach­te Pâtisserie. Es könn­te aus ela­sti­schem Hefeteig, brö­se­li­gem Mürbe- oder geschich­te­tem Blätterteig gemacht sein. Aber war­um die­ser Name: Schlüferli? Er ergibt kei­nen Sinn – und trotz­dem berührt er mich. Schlüferli tönt zärt­lich, lieb­ko­send fast…willst Du mein Schlüferli sein? Vielleicht nennt der Bäcker sei­ne Frau Schlüferli und hat ihren Namen auf die Aushängetafel der Bäckerei geschrie­ben – als Liebesgeste…wohl kaum. Ich spre­che das Wort mehr­mals laut aus: Schlüferli, Schlüüferli, schlüü­fen. Das Schlüferli kommt vom schwei­zer­deut­schen Wort schlüü­fen, was krie­chen und schlüp­fen bedeu­tet. Könnte es also sein, dass sich das Schlüferli sogar noch bewegt? Vielleicht habe ich es des­halb nicht ent­deckt in der Auslage. Der Bäcker hält es ver­mut­lich in der Backstube in einem Zuber. Und die Augen bereits vol­ler Mehl, war­tet das Schlüferli dort auf einen qual­vol­len Tod. Tod durch ver­bren­nen im Ofen.

Natürlich hät­te ich Mitleid mit dem Schlüferli, einem schein­bar unschul­di­gen Stücklein Teig. Nur – ist es denn tat­säch­lich so unschul­dig? Stellt man sich nur schon all die ande­ren Backwaren vor, die sich in der Ablage der Bäckerei ver­sam­meln: Der Pfaffenhut dicht am Meitschibei, das Weggli neben dem Schenkeli, der jetzt grin­sen­de Spitzbub – und mit­ten­drin das Schlüferli…

Auch wenn es klein ist, so unschul­dig kann es nicht sein. Denn das Schlüferli ist vor allem eines: Ein Fettgebäck. In der ein­schlä­gi­gen Fachliteratur des Schweizerischen Bäcker-Konditorenmeister-Verbandes ist das Schlüferli in der Kategorie «Schwimmend Gebackenes» auf­ge­li­stet. Das Schlüferli nimmt also ein aus­gie­bi­ges Bad im Öl, bevor es der Bäcker im Zucker wen­det. Laut dem Bäcker-Konditorenmeister-Verband heisst das Schlüferli übri­gens wegen sei­ner Machart so: Der Teig – eine spe­zi­el­le Rezeptur; unter ande­rem aus Butter, Eier, Zitronenrinde, Rahm und Mehl bestehend – wird einen hal­ben Zentimeter dick aus­ge­wallt und in Rechtecke von zehn Zentimeter Länge und fünf Zentimeter Breite geschnit­ten. Dann wer­den die Rechtecke in der Mitte der Länge nach auf­ge­schnit­ten. Und durch die­sen Schlitz wird ein Ende des Rechtecks gezo­gen – die­ses eine Ende schlüüft also durch den Schlitz. Das Schlüferli ist dem­nach nichts ande­res als ein ver­dreh­tes Stücklein Teig – und ich fin­de es nach wie vor lie­bens­wert.

Foto: Barbara Roelli
ensuite, November 2010

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