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«Activity» im Familienduell

Hand aufs Herz: Wären die bei­den bei «Wetten, dass…?» und es gäl­te zu erra­ten, wel­che Theater Spektakel-Aufführung Ueli Bichsel unter Anleitung von Tochter Anna Frey hier nach­spielt, sie wür­den die Wette ver­lie­ren. Dafür erspie­len sie sich die Gunst des Publikum im Nu, weil Tolpatschigkeit halt auch ihren Charme hat.

Kraut for free

Die Aufgabe ist fast unmög­lich, und doch wagen sich der Clown, Schauspieler und Bühnenkünstler Ueli Bichsel und sei­ne Tochter Anna Frey, Rapperin und Theaterstudentin, dar­an: In nur zehn Minuten wol­len die bei­den näm­lich jeweils eine Vorstellung des Theater Spektakel zusam­men­fas­sen. Und das pro­gramm­ge­treu, in rich­ti­ger Reihenfolge und gra­tis.

An die­sem Montagabend um 19.45 Uhr heisst das nach­zu­spie­len­de Stück «Freiheit ist, das Theater auch ein­mal vor Ende der Vorstellung ver­las­sen zu dür­fen» von der kraut_produktion. Wahrlich kei­ne leich­te Aufgabe für Bichsel, den Programmtext per­for­ma­tiv zu über­set­zen. Denn die­ser ist gespickt mit Wörtern wie «Live-Act-Organismus» oder «evo­lu­tio­nä­rer Verdauungsvorgang». Bichsel kommt ins Schwitzen. Nicht nur auf­grund der 30 Grad draus­sen.

Pausenclown statt Slapstick-König

Die gan­ze Aufmachung von Bühne und Schauspielern ist in grün/weiss/orange stark an das Migros Budget-Design ange­lehnt. Hier gibt’s aller­dings kein ver­gün­stig­tes Toilettenpapier, dafür gra­tis Unterhaltung. Während Anna vom hohen Schiedsrichterstuhl aus den Pressetext des zu inter­pre­tie­ren­den Stückes vor­liest, macht Papa Bichsel unten den Clown. Dies tut er wie immer äus­serst char­mant und eher zurück­hal­tend – schliess­lich kennt Bichsel sein Publikum, ist er doch ein alter Hase am Zürcher Theaterspektakel. Seinen ersten Auftritt auf der Landiwiese hat­te er 1982 gemein­sam mit Marcel Joller als «Die Lufthunde».

Der gelern­te Hochbauzeichner, Sozialarbeiter und Krankenpfleger ist heu­er 60 Jahre alt. Ende der 70er-Jahre ent­deck­te er sei­ne Leidenschaft beim Zwischen-den-Zeilen-Theater. Der frei­en Theaterszene blieb Bichsel stets treu, der umtrie­bi­ge Clown war schon immer auch Tüftler, Regisseur und Geschichtenschreiber. Er konn­te die Menschen schon immer zum Lachen brin­gen. Lachen tut das Publikum auch heu­te, weil einen Clowns ein­fach zum Lachen brin­gen. Mit dem Slapstick der Kühlschrank-Nummer «Die Lufthunde» etwa hat das aber nichts mehr zu tun.

Und so wirkt die­ses äus­serst impro­vi­sier­te Zusammenspiel von Vater und Tochter wie ein Familienduell beim Brettspiel «Activity». Mit sei­nen unge­len­ken Verrenkungen erin­nert Bichsel aber etwas stark an einen Pausenclown. Etwas, was er nie sein woll­te. Vielleicht haben die bei­den beim näch­sten Stück mehr Glück: In der Produktion von Jakob Ampe & Pieter Ampe / Campo geht es um anar­chi­schen Humor. Das sieht Bichsel irgend­wie ähn­li­cher.

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