Ohne Gottes Gnade

Von

|

Drucken Drucken

Tore tanzt – der Titel klingt nach Spass und lau­en Sommernächten. Doch es ist eine trau­ri­ge Geschichte, die Katrin Gebbe erzählt. «Mir ist ein Artikel auf­ge­fal­len, der mich mehr berührt hat als ande­re Zeitungsartikel. Es war eine Geschichte über einen Jungen, der von einer Familie ver­sklavt wur­de. Und zur glei­chen Zeit hat­te ich einen Roman gele­sen: Dostojewskis Idiot», gibt die Regisseur als Inspiration für den Film an.

Es ist ein Film über Tore, der nicht fähig oder wil­lens ist, sich zur Wehr zu set­zen. Er betet viel. Er dankt für sein Essen, hofft auf gött­li­che Weisungen. Der Gläubige gehört zu den «Jesus Freaks», einer alter­na­ti­ven Sekte. Deren Anhänger tra­gen nie­ten­be­setz­te Lederjacken und legen ihren Glauben locker aus. Als der strik­te Tore rea­li­siert, dass sich nicht alle an die sexu­el­le Abstinenz hal­ten, türmt er. Unterschlupft fin­det er bei der Familie von Benno. Tore hat erst kürz­lich Bekanntschaft mit dem stäm­mi­gen Mann geschlos­sen. Trotzdem darf er im Schrebergarten blei­ben. Dort über­som­mert Benno mit sei­ner Frau und den zwei Kindern. Tore lebt mit den Vier zusam­men, freun­det sich mit der Tochter an und hilft im Garten. Er ist glück­lich.

Beten gegen das Böse

Doch die som­mer­li­che Idylle trügt. Die Gastfreundschaft, das Familienglück, gar der Sonnenschein ver­kommt zur hin­ter­häl­ti­gen Lüge. Die Bösartigkeit des Vaters bro­delt immer mehr. Benno wird zum Teufel, der Familie und Freund quält. Er ertränkt die Katze, würgt die Tochter, schlägt Tore blu­tig. Doch sein kran­ker Charakter giert nach mehr. Die kon­ti­nu­ier­li­che Steigerung der Gewalt bannt. Fast untrag­bar glaub­wür­dig sind die Figuren. Eine fast über­spit­ze, gar unter­halt­sa­men Verherrlichung des Bösen nach Hollywood bleibt Tore tanzt fern. Die Schocker sit­zen, die Glaubwürdigkeit bleibt. Die Erkenntnis, dass es für Tore kein Entrinnen gibt, kommt des­halb so spät wie klar. Einige Zuschauer ver­las­sen den Kinosaal. Den Hinweis «Nach einer wah­ren Begebenheit» erschüt­tert sie nicht mehr.

Copyright © 2011 Kulturkritik • Kritische Stimmen zum Zürcher Kulturgeschehen Kulturkritik.ch ist ein Projekt der Plattform Kulturpublizistik • Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo