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«Europa, Frick dich selbst!»

Thomas C. Breuer ist für uns Schweizer der per­fek­te Vorzeigedeutsche. Er ver­kör­pert auf der Bühne all das, was wir Schweizer an den Deutschen nicht mögen und das, was wir an ihnen mögen. Thomas C. Breuer ist selbst­si­cher, von gros­ser Statur, breit­schult­rig, kürzt sei­nen zwei­ten Vornamen mit dem ersten Buchstaben ab und er ist direkt. Er imi­tiert unse­ren Dialekt, wit­zelt über unse­re Politiker (Mörgeli) und unse­re weni­gen Kulturexporte (DJ Bobo). Er ist schnell, elo­quent, rede­ge­wandt, humor­voll, intel­li­gent und kann über sich sel­ber lachen. Sein Opfer kennt er ver­dammt gut. In sei­nem aktu­el­len Programm «Schweizerreize» ist dies: unse­re Eidgenossenschaft.

Fremder, Inder, Nacht

Die Schweizer bekom­men an die­sem humo­ri­sti­schen Abend also zünf­tig ihr Fett weg. Doch auch das deut­sche Volk kriegt so eini­ges zu hören. Immer wie­der nimmt Breuer sei­ne Heimat sel­ber auf die Schippe, wenn er betont, «Reiz ist geil», und erklärt, dass Hartz IV nicht etwa ein Fussballclub aus dem Ruhrgebiet sei. Er imi­tiert deut­sche Dialekte, als sprä­che er sie alle seit Kindsalter.

Zugegeben, der Zug kommt etwas zöger­lich ins Rollen. Selbst für Schweizer Verhältnisse. Denn der Abend star­tet mit den viel­ge­hör­ten «war­um Schweizer Deutsche hassen»-Klischees. Weil sie uns die Jobs weg­neh­men, weil sie kein Schwyzerdütsch spre­chen oder ver­ste­hen. Doch dann, gera­de, bevor man der Klischees genug gehört hat, kratzt Breuer die Kurve und kommt auf den eigent­li­chen Punkt zu spre­chen: Unsere Angst vor dem Fremden, die Xenophobie.

Um Phobien geht es dem Komiker in sei­nem aktu­el­len Programm. Und bald beginnt er das Publikum im bis auf den letz­ten Platz gefüll­ten Saal von «Im Hochhaus», der Kleinkunstbühne des Migros-Kulturprozent am Limmatplatz, zu the­ra­pie­ren oder aber mit gut gemein­ten Ratschlägen zu ver­sor­gen. Denn Angst vor dem Fremden, weiss Breuer, hat­te schon Peter Beil, 1966, als er die deut­sche Version «Fremder in der Nacht» ver­öf­fent­lich­te. Oder sang Beil nicht viel mehr die Worte «Fremder, Inder, Nacht»?

Bis aufs Letzte aus­ge­reizt

Reiz ist ein dank­ba­res Wort für ein solch wort­spiel­in­ten­si­ves, dop­pel­deu­ti­ges Comedy-Programm wie das­je­ni­ge von Thomas C. Breuer. Ein Reiz kann sowohl etwas Gutes, wie auch etwas Schlechtes sein. Vielleicht reizt mich ein Spontanurlaub in die Ägäis – oder aber der Nachbar? Schweizerreize kann ste­hen für Schweizerreise, für die Reize der Schweiz, für das Reizen der Schweizer. Ist Breuer am Ende selbst der Schweizerreiz, wenn er in sei­nem knall­ro­ten Anzug und den weis­sen Tretern auf der Bühne steht und uns über unser eige­nes Land auf­klä­ren möch­te? Findet er unse­re Verniedlichungsform «-li» viel­leicht rei­zend, oder reizt es ihn, dass ein Schalganfall, das «Schlägli», gar zum Tode, also zum «Tödli» füh­ren kann? Breuer kann dem Reiz nicht wider­ste­hen und treibt es auf die Spitze.

Breuers Ortspiele

Kurz: Thomas C. Breuer ist geni­al. Seine Wortspiele sind gran­di­os, sei­ne Aussagen reflek­tiert. Er ist Rhetoriker und Schauspieler in glei­chem Masse. Am besten aber ist er dann, wenn er das letz­te biss­chen Scham ablegt und sich selbst fast ver­gisst, wenn er ganz allei­ne ver­sucht, der Stimmung mit einem Countrysong ein­zu­hei­zen. Oder mit einen Reggaebeat über die Cayman Islands. Dann ist er näm­lich ganz typisch Deutsch und zeigt uns, dass man sich sel­ber nicht immer so Ernst neh­men soll­te und man auch rich­tig gut über sich selbst lachen kann.

Das Highlight der Vorstellung ist letzt­lich aber kein Lied, son­dern ein Gedicht. Es sind Breuers «Ortspiele» mit Schweizer Ortschaften, Bergen und Gewässern. Es ist ein Gedicht über die Ängste und Sorgen der Schweiz und ihren Einwohnern und besteht aus Wortschöpfungen aus Breuers Feder, wie etwa die «Eglisauerei», «Sargans und gar nicht!» oder «Europa, Frick dich doch sel­ber!». Es ist ein Fluch und eine Hymne gleich­zei­tig, an ein Land, das so ein- und aus­la­dend ist, wie die Schweiz.

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