Das ging die Donau run­ter

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Die Vorankündigung des Konzerts von Taraf de Haidouks, auch mei­ne eige­ne, ver­sprach einen aus­ge­las­se­nen Abend mit­reis­sen­den Balkansounds (was immer das eigent­lich ist). So war das Kaufleuten trotz nicht uner­heb­li­cher Kartenpreise aus­ver­kauft und die Erwartungen der freu­dig ein­tref­fen­den Partypeople hoch. Um es vor­weg zu neh­men: Am Spiel der Musiker lag es nicht, dass der Funke nicht bis in die letz­te Reihe über­sprang. Aber ich kann mich nicht erin­nern, wann ich zuletzt in einem Konzert war, das von so vie­len Nebengeräuschen über­la­gert war. Da war zum einen natür­lich die Bar, an wel­cher pau­sen­los Getränke aus­ge­schenkt wur­den. Vor allem waren es aber die Feierabendgespräche vie­ler Gäste, die gekom­men waren, um sich bespie­len zu las­sen. Eigentlich ging es dar­um, bei einem ele­gan­ten Drink über die stres­si­ge Kollegin oder das miss­ra­te­ne Praktikum in der Agentur abzu­lä­stern. Auch hat­te es den Anschein, dass eini­ge Jungs ein­fach mit­ge­gan­gen waren, um ihrer welt­mu­sik­af­fi­nen Freundin einen Gefallen zu tun.

In der Tradition der Fahrenden

Nun sind es Zigeunermusiker ja gewohnt, für Geld vor Menschen zu spie­len, die für sich in Anspruch neh­men, einer sozi­al höhe­ren Schicht anzu­ge­hö­ren. Schliesslich ist das ihr Beruf. Die Tradition der «Cafés Cantante» in Andalusien beruh­te auf der Tatsache, dass die jun­gen Gutsherren zahl­ten und die Gitanos spiel­ten. Das eigent­li­che Fest ging aber erst nach dem offi­zi­el­len Programm ab. Mit dem Image der Gipsyband posi­tio­nie­ren sich die­se Roma aus der Walachei dann auch, und dem Zuhörer steht es frei, weg­zu­hö­ren, wäh­rend sich die Musiker die Seele aus dem Leib fie­deln und bla­sen. Die fröh­li­che Tanzmusik schrie nach Tanz, nur lei­der tanz­te kei­ner. Dafür schrie jemand – näm­lich «Buh!», schon nach dem zwei­ten Lied. Beim drit­ten Lied kamen noch Pfiffe hin­zu, aber die kann man ja in ver­schie­de­ne Richtungen deu­ten.

Um es klar zu sagen: Zwischen den Stücken brau­ste jeweils kurz Applaus auf, der aller­dings wenig kon­gru­ent mit dem Verhalten war, das das Publikum zeig­te, wäh­rend dem die Musik spiel­te. Hier begeg­ne­ten sich zwei Kulturen, aber sie tra­fen sich nicht. Auch als die neun­köp­fi­ge Gruppe ihre älte­ste Garde, drei Musiker der Grossvater-Generation, vor­schick­te, war der «Jöö-Effekt» nur von kur­zer Dauer. Zu wenig dif­fe­ren­zier­ten die rüsti­gen Alten in ihrem Spiel und ihrer Ausstrahlung gegen­über ihren Kollegen.

Noch schnel­ler ist nicht noch bes­ser

Ein Problem des Abends lag dar­in, dass auch das Repertoire zu wenig dif­fe­ren­zier­te, zumin­dest für nicht aus­ge­bil­de­te Musikethnologen. Weder durch eine Konzertdramaturgie, noch durch opti­sche Elemente wie Kostüme, Tanzeinlagen oder Bildprojektionen wur­de für Abwechslung gesorgt. Doch auch die fein­ste Delikatesse oder das vir­tuo­se­ste Kunststückchen ver­liert bald ihren Reiz.

Erschwerend kommt sicher die Sprachbarriere hin­zu. Da anzu­neh­men ist, dass 99% der Besucher des Kaufleuten nicht der rumä­ni­schen Sprache mäch­tig sind, blie­ben die weni­gen Texte rein laut­ma­le­risch. Ansagen oder Erklärungen wur­den nicht gemacht. Da die visu­el­len Elemente fehl­ten, konn­te auch nicht ver­mit­telt wer­den, um was für Inhalte es sich gera­de han­del­te.

Jeder nach sei­ner Façon

Ein domi­nan­tes Instrument der rumä­ni­schen Ensemblemusik scheint eine Naturtonflöte zu sein, deren Tonumfang der Pentatonik (Fünfton-Musik) zuge­schrie­ben wer­den muss. Unter den Vollblutmusikern stach auch das beein­drucken­de Spiel des Zymbalisten her­vor. Auf dem rumä­ni­schen Nationalinstrument, in unse­ren Breiten auch als Hackbrett bekannt, fas­zi­nier­te er durch sein schnel­les Spiel.

Auf jeden Fall war es ein gelun­ge­ner Abend: für den har­ten Kern, der um jeden Preis fei­ern woll­te; für die Gäste, die sich ein­mal 80 Minuten lang unun­ter­bro­chen mit ihrem iPhone beschäf­ti­gen konn­ten, und hof­fent­lich auch für die­je­ni­gen, die das Konzert schon lan­ge vor Schluss ver­las­sen hat­ten.

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