Ein Klavier ist ein Klavier ist ein Klavier ist ein Klavier

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«Eben nicht!» erör­ter­te der Organist und Musikwissenschaftler Dominik Sackmann schon in sei­nen ein­lei­ten­den Worten. Mit sei­ner poin­tier­ten Sprache klär­te er gleich zu Beginn des Konzerts «… Tasten?!», dass das heu­te gebräuch­li­che Wort Klavier ursprüng­lich mit C geschrie­ben wur­de und die Klaviatur sämt­li­cher Tasteninstrumente bezeich­ne­te. Dadurch war die erste Frage des Abends nach dem rich­ti­gen Instrument für Bach schon zu einem gros­sen Teil beant­wor­tet.

Gemeinsam mit dem Spezialisten für histo­ri­sche Tasteninstrumente, Michael Biehl, taste­te Sackmann auf der Suche nach Antworten wei­te­re Themenbereiche wie Tempo, Klangcharakter und Notation ab. Am Beispiel des h‑moll Präludiums und der dazu­ge­hö­ri­gen Fuge (WTK I) von Bach – abwech­selnd und ver­glei­chend auf der Orgel und dem Cembalo gespielt – wur­de klar, dass es für die­se Musik kei­ne abschlies­sen­de und ein­zig gül­ti­ge Entscheidung in die­ser Frage braucht. Gerade Bach lässt durch sei­nen Notentext einen gros­sen Handlungsspielraum, sowohl hin­sicht­lich der musi­ka­li­schen Gestaltung als auch in der Wahl des Instruments.

Weltraumklänge

Das Instrument gänz­lich zu über­win­den ver­such­te der Jazz-Pianist und Spezialist für Improvisation Chris Wiesendanger. Und es gelang ihm auch! Durch das aus­schliess­li­che Spiel im Innern des Flügels erzeug­te er eine erstaun­lich brei­te Klangpalette: Von Klopfgeräuschen über myste­riö­se Flageolette bis hin zu Atmungsimitationen und täu­schend echt klin­gen­den Space-Sounds ent­lock­te er dem moder­nen Klavier mit blos­sen Händen unzäh­li­ge fas­zi­nie­ren­de Stimmungen und Farben, wel­che auf­hor­chen lies­sen.

Die eige­ne musi­ka­li­sche Vorstellung in Klang umzu­set­zen sei auch die eigent­li­che Kunst im her­kömm­li­chen Klavierspiel, erklär­te Wiesendanger. Das kom­ple­xe Hebelsystem der Tastenmechanik brem­se den natür­li­chen Fluss der Musik und kön­ne nur durch ein Weiterdenken des Interpreten tran­szen­diert wer­den.

Ohr- und Fingerspiele

Transzendenz ist eines der zen­tra­len Elemente in György Ligetis Musik, beson­ders in sei­nen Klavieretüden. Ohne auf die Realisierbarkeit Rücksicht zu neh­men, ver­langt er den zwei Händen des Pianisten per­ma­nent das Äusserste ab. Trotz die­ser Herausforderungen konn­te der Pianist Stefan Wirth die stren­ge kano­ni­sche Struktur der Stücke klar und über­zeu­gend her­aus­mo­del­lie­ren. Es war kühn, dass Wirth die kom­pak­ten Meisterwerken Ligetis danach mit sei­nen eige­nen Kompositionen top­pen woll­te. Seine Klavieretüden wirk­ten im direk­ten Vergleich mit Ligeti pri­mär auf bra­vou­rö­sen Effekt hin kon­zi­piert. Sie bil­de­ten denn auch den ein­zi­gen Beitrag des Abends, wel­cher sich nicht aus der klang­li­chen Idee, son­dern aus pia­ni­sti­schen oder ana­to­mi­schen Gegebenheiten ent­wickel­te.

Stiefkind Musikdepartement

Das hoch­ste­hen­de Gesprächskonzert wirk­te trotz sei­ner span­nen­den Diskussionspunkte und inter­es­san­ten musi­ka­li­schen Beiträge rein auf­grund der äus­ser­li­chen Aufmachung etwas plump. Die Akteure des Abends stan­den oft ver­lo­ren zwi­schen den unglück­lich posi­tio­nier­ten Instrumenten her­um, gaben sich die Handmikrophone wei­ter oder wuss­ten nicht recht, wer wann und wie die Bühne betre­ten oder ver­las­sen soll­te. Obwohl die Veranstaltung inhalt­lich ande­ren Produktionen der ZHdK – eine der gröss­ten und fort­schritt­lich­sten Kunsthochschulen Europas – qua­li­ta­tiv eben­bür­tig war, wur­de hier eine stief­müt­ter­li­che Behandlung des Musikdepartements spür­bar: Während in den ande­ren Departementen der­sel­ben Hochschule bei­na­he kei­ne Kosten und kein tech­ni­scher Aufwand gescheut wer­den, um die Künste auch optisch und logi­stisch pro­fes­sio­nell zu ver­mit­teln, scheint man an der Florhofgasse nach wie vor dem Irrtum zu erlie­gen, dass die Publikumsattraktivität allei­ne der Kunstform Musik und ihren Diskursen auf die Schultern gela­den wer­den kann. Der Umzug aller Departemente ins Toni-Areal im Jahr 2013 wird in die­ser Hinsicht hof­fent­lich Abhilfe schaf­fen.

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