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Lehrreich und amü­sant

Wer mein­te denn eigent­lich Doku-Theater sei immer trocken und lang­wei­lig? Mit «Simultaneous Translation» legt die argen­ti­ni­sche Dramaturgin und Regisseurin Sofia Medici klar, dass Dokumentations-Theater knackig, humor­voll und unter­halt­sam sein kann.

Die wohl belieb­te­ste und bekann­te­ste Form im Doku-Theater sind die Lecture-Performances: per­for­ma­ti­ve Werke, deren Inhalte sich meist an wis­sen­schaft­li­chen Themenfeldern ori­en­tie­ren und dabei aber die Form des rei­nen Präsentierens schöp­fe­risch durch­bre­chen. Medici blickt auf lang­jäh­ri­ge Erfahrung mit der per­for­ma­ti­ven Wissensgenerierung zurück und gehört in Buenos Aires zum festen Bestand der Doku-Theater-Szene. In «Simultaneous Translation» nähert sich die jun­ge Argentinierin ihren Wurzeln und ver­mit­telt ganz neben­bei Wissen über die Geschichte ihres Landes.

Galanter Beginn

Ganz unschein­bar tritt Sofia Medici auf und nimmt an einem klei­nen Tischchen Platz. In nüch­ter­nem Ton, fast wie in einer Universitätsvorlesung, beginnt sie zu erzäh­len.

Alles begann mit dem Auftrag an Sofia Medici eine Performance über die argen­ti­ni­sche Provinz Tucumán zu ent­wickeln. Die klei­ne Provinz im Norden ist der Geburtsort der argen­ti­ni­schen Unabhängigkeit und bie­tet mit die­sem geschichts­träch­ti­gen Hintergrund genü­gend Futter. Doch, erklärt Medici, blieb die Recherche nicht ganz ohne Schwierigkeiten. Klar wird nun, was Medici in ihrer halb­stün­di­gen Lecture-Performance dem Publikum näher brin­gen wird, näm­lich die Performance über die Performance – oder genau­er gesagt, über das Recherchieren für eine anste­hen­de Performance.

Humorvolle Entwicklung

Erzählerisch erklärt die kes­se Argentinierin ihre krea­ti­ven Ideen, die von neu­en Banknoten über abstrak­te Kartographie bis zu Karaoke füh­ren. Sehr didak­tisch lei­tet Sofia Medici durch ihre Aufführung und bebil­dert jeden Schritt mit­tels Projektion auf einer Leinwand. Dabei legt sie nicht nur Beherztheit in ihrer Präsentation dar, auch ihre humor­vol­le Seite wird nicht ver­steckt. Schliesslich deck­te sie in ihrer Recherche Zusammenhänge auf, die sehr zum schmun­zeln anre­gen. Wenn man bei­spiels­wei­se die Strassen in Tucumán, wel­che die Namen der Gründungsväter tra­gen, nach­zeich­net, so lässt sich mit etwas Phantasie ein wei­nen­des Gesicht erken­nen. Auch das Sternzeichen sowie der Aszendent Argentiniens wer­den berech­net und das gene­rier­te Profil wird rasch mit der Geschichte des Landes ver­gli­chen.

Alles erhei­ternd, meint Medici, aber nicht aus­rei­chend für eine Performance. Über meh­re­re Umwege lan­de­te Medici dann doch bei der argen­ti­ni­schen Unabhängigkeitserklärung. Diese exi­stiert in zwei Sprachen, näm­lich in Spanisch, der Sprache der Kolonisatoren und in Quechua, der Sprache der Ureinwohner. Medicis Entdeckertrieb, von neu­em ent­facht, führt schluss­end­lich zu der Entstehung einer eige­nen Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung aus dem Quechua ins Spanische. Damit lässt Medici die Reise durch die Geschichte der argen­ti­ni­schen Unabhängigkeit enden und ent­lässt das Publikum, wel­ches etwas klü­ger und etwas hei­te­rer geht, als es gekom­men ist.

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