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Zwei, die Heiterkeit ver­brei­ten

Einhaarige Dachshaarpinsel, Hagebuttenöl, ein Hardcore-Hebammenchor – das muss man erst ein­mal in einem Abend unter­brin­gen. Michel Gsell und Gerhard Tschan ali­as Schertenlaib & Jegerlehner gelingt dies mit Schwäfu – ein stil­les Glück pro­blem­los. Das Duo, das die­ses Jahr ver­dien­ter­mas­sen mit dem Salzburger Stier aus­ge­zeich­net wird, begei­stert das Publikum im gut besuch­ten HOCHHAUS, der Kleinkunstbühne des Migros-Kulturprozent.

«Yeah, Yeah, Jegerlehner!»

«Mir wei nöd phi­lo­so­phie­re», stellt Schertenlaib gleich zu Beginn klar. Dass sich die bei­den nicht an die­se Programmansage hal­ten, zeigt sich jedoch bald. Schenkelklopfer, Wortspiele, Predigten, Bademeister-Durchsagen und Auftragsarbeiten (sehr emp­feh­lens­wert sind Liebeslieder auf Bestellung) rei­hen sich anein­an­der. Es ist ein lust­vol­les Spiel mit Floskeln und Allgemeinplätzen, mit Zweideutigkeiten und Zitaten. Leise und unter­schwel­lig, jedoch immer mit einem lie­be­vol­len Blick, wer­den Kleingeister und Doppelmoralvertreter ange­klagt. Liebevoll-sti­chelnd ist auch der Umgang der bei­den Künstler mit­ein­an­der. Beide wis­sen um die Schwächen des ande­ren, die immer wie­der Anlass zum Lachen geben, sie sind sich aber auch ihrer eige­nen Unzulänglichkeiten bewusst. Die Diskussionen gip­feln in Liedern, die sich weder the­ma­tisch noch sti­li­stisch unter einen Hut brin­gen las­sen. Manche sind raf­fi­niert-dane­ben, ande­re uner­war­tet und komisch, wie­der ande­re ein­fach nur schön. Fast über­gangs­los kippt dabei die Stimmung, ver­zwei­fel­te Sinnsuche und begin­nen­der Wahnsinn wech­seln sich ab mit kind­li­cher Heiterkeit und alber­ner Ausgelassenheit. Die Dialoge fal­len dabei gegen­über den musi­ka­li­schen Einlagen leicht ab, blei­ben teil­wei­se etwas gar harm­los und vage.

Alles in allem macht das aber vor allem eines: gros­sen Spass. Die Freude am gekonn­ten Spiel mit Sinn und Unsinn ist abso­lut ansteckend für alle, die sich dar­auf ein­las­sen. Dies liegt zum einen dar­an, dass das Duo über ein schein­bar unbe­grenz­tes musi­ka­li­sches Repertoire ver­fügt: über Blues, Tango, Chanson und Balkanmusik ist alles dabei. Mundharmonika, Schlagzeug, Trompete, Ukulele, Megafon, zweck­ent­frem­de­te Löffel und zahl­rei­che wei­te­re Instrumente kom­men teil­wei­se sogar gleich­zei­tig zum Einsatz (und wer­den zum Schluss mit einem Extra-Applaus bedacht). Zum ande­ren ist auch der vol­le Körper- und Gefühlseinsatz auf der Bühne beein­druckend: Es wird getanzt, gegrölt, getobt und gejo­delt. Die Zugaben zum Schluss wären gar nicht mehr nötig gewe­sen, die Aufnahmefähigkeit des Publikums war nach neun­zig Minuten Schertenlaib & Jegerlehner erschöpft. Während man den Eindruck hat­te, die Künstler sel­ber hät­ten noch stun­den­lang so wei­ter­ma­chen kön­nen.

Zwei Jäger mit Fischerpatent

Wer aber sind Schertenlaib & Jegerlehner? Der eine bünz­lig, neu­ro­tisch, humor­los mit einem Hang zu selbst­ver­ges­se­nen Tanzmoves, der ande­re kind­lich, über­schwäng­lich, naiv – und dann zau­bert er die­se rau­chi­ge Bluesstimme her­vor. Zwei abso­lu­te Profis, die ihre Kunst, die mal an Stiller Haas, dann wie­der an Kutti MC erin­nert, per­fek­tio­niert haben. Sie spie­len gekonnt mit ver­schie­de­nen Rollen und Klischees, die sie genüss­lich par­odie­ren und bewusst immer wie­der bre­chen. Auf der Bühne sind sie das alte Ehepaar, das im Wald mit Würmern jagen geht, Verveinetee schlürft und sich gemein­sam um den Holzfussboden küm­mert (da kommt der Dachshaarpinsel ins Spiel). Nach der Bühne, auf dem Nachhauseweg auf der A1, tüf­teln sie hof­fent­lich schon wie­der am näch­sten Programm. Die Welt lässt sich viel­leicht nicht so leicht erklä­ren und in Schubladen stecken, aber es hilft, wenn man sich den komi­schen Blick auf sie bewahrt.

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