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Starke Collagen in schwa­chen Räumen

Die Künstlergruppe «pulp.noir» ver­folgt das Ziel, die Absurdität des Lebens auf künst­le­ri­sche Art und Weise zu erkun­den. In ihrem neue­sten Werk «match­cuts» kre­ierten die Künstler zwölf digi­ta­le Collagen. Jede die­ser Collagen besteht aus kon­trär zusam­men­ge­setz­ten Audio- und Video-Einzelteilen, wel­che inhalt­lich mit­ein­an­der ver­linkt sind und dabei in einer Endlosschleife asso­zia­tiv von grös­se­ren Themenkomplexen erzäh­len. Die Themen erstrecken sich dabei von Leben und Tod, Schönheit und Zerstörung bis zu Angst und Hoffnung. Dabei wird vor allem auf der Bildebene sym­bol­haft auf die Themen ver­wie­sen, was beim Zuschauer diver­se Sinnzusammenhänge ent­ste­hen lässt.

Erstmals prä­sen­tiert wur­den die Collagen im «Message Salon» im Haus Perla-Mode an der Langstrasse. An vier Computern konn­te sich der Besucher mit Kopfhörern aus­stat­ten und in die Welt der Collagen ein­tau­chen. Die Wahl und Einrichtung des Raumes schwä­chen aller­dings die Wirkung der Collagen und hin­dern einen fast dar­an, das Umfeld zu ver­ges­sen und auf Erkundungsreise zu gehen, da die Unruhe im Raum und die ande­ren Besucher einem die Konzentration rau­ben kön­nen.

Einsam und in Ruhe kann man aber auf der Internetseite http://www.matchcuts.ch/exhibition.html über Links die Collagen nach Belieben aus­wäh­len und betrach­ten. Die Links geben zugleich den Titel des Inhalts wie­der, wel­cher die ver­schie­de­nen Ebenen zusam­men­hält. Um voll und ganz in die Collagen ein­tau­chen zu kön­nen, lohnt es sich, das Licht zu löschen und den Ton auf­zu­dre­hen.

Spielfeld und Schlachtfeld

Die Collage «field» zum Beispiel geht vom Spielfeld über ein Spannungsfeld zum Schlachtfeld: Sie zeigt auf der lin­ken Seite ein Schachbrett mit einer Schachfigur, wel­che bewegt wird. Sobald der Zug aus­ge­führt ist, fällt auf der rech­ten Seite ein Soldat. Im Hintergrund erkennt man schwach die phy­si­ka­li­sche Formel für Spannung. Unterlegt wer­den die Bilder von Militärmärschen, Todesröcheln und Schachbegriffen.

Die Collagen erin­nern oft an Computerspiele oder Träume. Manchmal mit fast pla­ka­ti­ven Elementen ver­knüpft, schafft es jede Collage, bei genaue­rer Betrachtung in tie­fe­re Ebenen ein­zu­tau­chen, grös­se­re Zusammenhänge zu erfor­schen und durch die ewi­gen Wiederholungen Schwebezustände zu erzeu­gen. Durch den Facettenreichtum, der den Collagen inne­wohnt, kann jeder Betrachter sei­nen eige­nen Sinn erzeu­gen und sei­nen Assoziationen frei­en Lauf las­sen.

Fragen und Humor

Mit einer Prise Humor kann unter ande­rem aber die Collage «pro­gres­sing» über­zeu­gen. Durch eine völ­lig ver­pi­xel­te Stadt krab­belt eine Baby und wird ohne wei­te­re Umschweife direkt zum alten Mann, der sich mit einem Rollstuhl wei­ter bewegt, bis sich der alte Mann wie­der zum Baby trans­for­miert. Bei jeder Verwandlung wird ein «LEVEL UP» ein­ge­blen­det. Vor allem bei «pro­ges­sing» erkennt man die Affinität der Künstler zu Computerspielen, da Ton und Bild ein­deu­tig und gekonnt auf die Spiele der 1990er-Jahre ver­wei­sen.

Die hand­werk­lich gut gebau­ten Collagen, die her­vor­ra­gend Bild und Ton ver­knüp­fen, lösen beim Zuschauer Fragen aus – über das Leben und des­sen Inhalt, wel­che die vie­len Assoziationen, Spielereien und Zweideutigkeiten zulas­sen. Jedoch bleibt es bei Fragen, denn die skur­ri­len und kon­tra­stie­ren­den Motive wir­ken einen Schritt zu kon­stru­iert, um tie­fe emo­tio­na­le Berührungen zu erzeu­gen. Man ist damit beschäf­tigt, die vie­len Einzelteile zu ana­ly­sie­ren, und ver­liert dabei das gros­se Ganze aus den Augen.

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