Karl der Grosse war wirk­lich gross. Eine Zeitreise ins Mittelalter

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Karl der Grosse war wirk­lich gross: genau einen Meter und 92 Zentimeter! Auch war er Herrscher über ein sehr sehr gros­ses Reich. Oder aber ein­fach ein Kaiser, der sowie­so alles kann und das selbst­ver­ständ­lich bes­ser als alle ande­ren. So klingt die Einleitung von Barbara Fischer und Priska Senn zum Workshop «Karl der Grosse war wirk­lich gross!» Spätestens jetzt ist klar, dass die ein­stün­di­ge Lesung zu den Karls-Legenden haupt­säch­lich für Kinder und Familien ver­an­stal­tet wird. Leider wur­de die­se Information zu wenig deut­lich publi­ziert, wes­halb sie unter­schied­lich­stes Publikum anzog. Der Workshop fin­det par­al­lel zur Wechselausstellung «Karl der Grosse und die Schweiz» statt. Die Ausstellung bie­tet viel­fäl­ti­ge und inter­es­san­te Aspekte des mäch­ti­gen Kaisers und sei­ner engen Verbindung zur Schweiz und Zürich, wäh­rend der Workshop unter­halt­sa­me Geschichten des mäch­ti­gen Kaisers im Repertoire hat.

Unerfüllte Erwartungen erfüllt

Unglücklicherweise ver­las­sen bereits die ersten ent­täusch­ten Gäste den Prunksaal Palazzo Pestalozzi des Landesmuseums, in Erwartung einer Lesung für Erwachsene. Die Kinder, die sich auf Kissen sit­zend gebannt um die Schauspielerin und die Verantwortliche für Bildung und Vermittlung scha­ren, küm­mert dies wenig. Auch die bei­den Damen las­sen sich nicht aus der Ruhe brin­gen. Obwohl nach eige­nen Aussagen das Pilotprojekt «Workshop» gera­de Premiere fei­ert, wir­ken sie wie ein ein­ge­spiel­tes Team und erzäh­len in ein­fa­chen Worten, mit Spannung und Witz von der Biographie des frän­ki­schen Kaisers. Einer sei­ner Freunde, der Mönch Einhard, habe das dicke Buch ver­fasst. Auch der Kaiser selbst war sehr bele­sen, viel­sei­tig inter­es­siert und zähl­te intel­li­gen­te Männer wie Astronomen, Mathematiker und Philosophen zu sei­nen eng­sten Vertrauten. Die Geschichten wer­den durch anschau­li­che Bilder und mit­tel­al­ter­li­che Gegenstände auf­ge­lockert, die den Kindern zum Anfassen wei­ter­ge­reicht wer­den. Interaktive Fragerunden for­dern zudem das Mitdenken und Mitspielen der jun­gen Zuhörer.

Legenden und Mythen

Für die Kleinen wird ein leb­haf­tes Bild Karls des Grossen gezeich­net. Sie erfah­ren unter ande­rem, dass sein blau­er Mantel aus dem teu­ren Stein «Lapislazuli» her­ge­stellt wur­de und daher so wert­voll und eines Kaisers wür­dig war. Neben sei­ner Leidenschaft für gutes Essen und schö­ne Frauen erzäh­len die zwei Veranstalterinnen von Karls Lieblingspfalz in Aachen, in des­sen Garten es sogar einen Elefanten zu bestau­nen gab – wenn das kein gelun­ge­ner Weihnachtswunsch wäre. Die Eltern stöh­nen auf, die Kleinen bekom­men glän­zen­de Augen.
Anhand von Legenden wird Karl der Grosse immer wie­der mit Zürich in Verbindung gebracht. Das eine Mal, als er einen rie­si­gen weis­sen Hirsch vor die Flinte bekam und die­sen bis nach Zürich jag­te. Dort fiel das magi­sche Tier auf die Knie, eben­so Karls Jagdhunde und Pferde. Der got­tes­fürch­ti­ge Herrscher wuss­te, es konn­te sich hier nur um ein Wunder han­deln. Zwei auf­tau­chen­de Einsiedler erklä­ren dem Franken, dass an die­sem Ort einst die Gebeine von Felix und Regula, den Zürcher Stadtpatronen, begra­ben wur­den. Gemäss einer früh­mit­tel­al­ter­li­chen Legende star­ben sie zu Zeiten der dio­kle­tia­ni­schen Christenverfolgungen den Märtyrertod. Als Gedenkort hat Karl an die­ser Stelle das Grossmünster erbau­en las­sen.

Ein hei­li­ger Sünder?

Mit sei­ner Heiligsprechung durch Friedrich Barbarossa 1165 erfuhr die Karlsverehrung einen Aufschwung und er wur­de bis zur Reformation 1519 als drit­ter Stadtpatron neben Felix und Regula ver­ehrt. Ein Heiliger war er jedoch sicher nicht, son­dern ein noto­ri­scher Ehebrecher und Vater von 18 Kindern. Vielleicht macht genau die­se Diskrepanz zwi­schen einem Leben in vol­lem Genuss und dem stän­di­gen Bestreben, den christ­li­chen Glauben zu ver­tei­di­gen und zu ver­brei­ten, die Faszination Karls des Grossen aus. Wenn auch sei­ne Liebschaften unchrist­lich waren, so hat er doch auf vie­len Gebieten bis heu­te erhal­te­ne Veränderungen ein­ge­führt. Karl war der erste und ein­zi­ge Herrscher des Mittelalters, der eine plan­mäs­si­ge Bildungspolitik betrieb, die Skriptorien in den Klöstern för­der­te und ver­lo­ren gegan­ge­nes Wissen aus der Antike wie­der­be­leb­te. Denn um ein so immens gros­ses Reich zusam­men zu hal­ten und zu regie­ren – so erfah­ren die Kinder – bemüh­te sich Karl um eine ein­heit­li­che Schrift, die der unse­ren sehr ähn­lich ist, gemein­sa­me Gesetze, Christianisierung bis zu den Sachsen im hohen Norden sowie einem ein­heit­li­chen Münzwesen. Das Münzsystem Karls blieb in Teilen der Schweiz bis zur Einführung des Frankens 1850 in Gebrauch. Welche Errungenschaften eben­falls zu Karl dem Grossen gehö­ren und wel­che kai­ser­li­chen Spuren in Zürich zu fin­den sind, zeigt die abwechs­lungs­rei­che Ausstellung noch bis zum 2. Februar 2014.

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