Finn-timi­tät

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Man glaubt kaum, dass es in die­sem Miniatur-Zirkuszelt von zehn Metern Durchmesser Platz für Geheimnisse hat. Der Finne Jani Nuutinen, eine son­der­li­che Erscheinung mit sei­nen lan­gen, zot­te­li­gen Haaren, dem wild wuchern­den Bart und den spit­zen Zähnen, scheint aber einen Pakt mit der Geheimniskrämerei geschlos­sen zu haben. Obschon sich das Publikum 50 Minuten lang wun­dert, was wohl hin­ter die­sem nord­län­di­schen Kobold stecken mag, ist Nuutinens Vorführung ehr­li­cher und direk­ter Zirkus in kom­plett unge­schmink­ter Form: Hier wird geschwitzt und geschuf­tet für ein biss­chen Aufmerksamkeit.

Waghalsiger Finne

Jani Nuutinens One-Man-Show beginnt zart und lei­se mit Schattenspielen und tan­zen­den Teelichtern. Sie endet eben­so zart und lei­se mit einem selbst geba­stel­ten, über­gros­sen Mobile, das Schatten von Tierfiguren an die Zeltwand pro­ji­ziert. Dazwischen aber kann Nuutinen auch ganz laut und bra­chi­al wer­den: Wenn er sei­ne Zuschauer das Fürchten lehrt.

Dieser klei­ne, kom­pak­te Mann wirft mit bis zu acht Kilogramm schwe­ren Metallkugeln um sich. Er turnt mit zwei Meter lan­gen Holzstangen. Den Besuchern in der dicht besetz­ten ersten Reihe stockt der Atem. Was, wenn ihm eine Kugel ent­weicht? Was, wenn er sich in der Distanz ver­schätzt?

Doch Jani Nuutinen ver­schätzt sich nicht. Als erster Finne über­haupt schloss er die Ausbildung am Centre National des Arts du Cirque in Châlons-en-Champagne ab. Seither ist er alles in einem: Regisseur, Skriptschreiber, Bühnenbildner, Kostümschneider und Performer. Was auf sei­ne Bühne kommt, hat er ent­wor­fen oder gefun­den. Wie sein Zirkus aus­zu­se­hen und zu wir­ken hat, weiss er bis ins Detail. Totale Kontrolle, der mit ech­ten Schweissperlen gezollt wird.

Atembezaubernd

Magie und Ästhetik, hier ist der Finne Meister. Reichert der Autodidakt sei­nen Nouveau Cirque schliess­lich mit einer Prise Humor an, hat er ihn gefun­den, den per­fek­te­sten aller Zirkusse. Mit dem ersten Teil der Trilogie, «Un cir­que tout juste» im Jahr 2007, begann die Suche nach der künst­le­ri­schen Vollendung; mit dem zwei­ten Teil «Un cir­que plus juste» hat Nuutinen sie gefun­den. Was auch immer sich hin­ter Teil drei, «Un cir­que juste, juste», ver­birgt: Noch bes­ser lässt es sich dem Publikum kaum klar machen, war­um Zirkus schon immer fas­zi­niert hat.

Vielleicht liegt es am Magier selbst, viel­leicht auch an den fran­zö­si­schen Chansons, die sei­ne Kunst beglei­ten, aber der Zauber, der in der Luft liegt, ist fühl­bar. Die Spannung in der Luft wird zu Elektrizität, Zeit und Ort ver­schmel­zen zu einer wei­te­ren Dimension – Staunen und Schrecken schüt­teln sich die Hand.

Nuutinen und sei­ne klei­ne run­de Bühne. Die Geschichten, die er dar­auf wort­los erzählt, haben Seele und Geist. Sie mögen zwar son­der­lich anmu­ten, genau wie der Künstler sel­ber auch. Aber für eine knap­pe Stunde neh­men sie einen mit in ihre rie­sen­gros­se Welt der Geheimnisse. Diese fin­det sogar in die­sem klei­nen Zirkuszelt Platz. Typisch Jani Nuutinen: Magie pur.

Copyright © 2011 Kulturkritik • Kritische Stimmen zum Zürcher Kulturgeschehen Kulturkritik.ch ist ein Projekt der Plattform Kulturpublizistik • Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)

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