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Unoriginelles Mittelmass

Am besten, ich schicke es gleich vor­aus. Dann ist es gesagt. Die ande­ren Zuschauer und Zuschauerinnen fan­den es gut. Unterhaltsam. Frech. Lustig. Sie haben sich amü­siert und gelacht. Ich nicht – über­haupt nicht. Ich habe mich genervt. Gelangweilt. Nicht gelacht. Hätte die Vorstellung ver­las­sen, wäre mein Auftrag nicht die­se Kritik gewe­sen.

Angekündigt hat­te das Migros-Kulturprozent, auf des­sen Kleinkunstbühne Im Hochhaus die Veranstaltung statt­fand, ein augen­be­täu­ben­des Trash-Tratsch-Happening mit Larifari-Lyrik und Phantom-Scherzen. Das klingt lustig. Nach unver­blüm­tem, viel­leicht der­bem Humor. Nach Wortspielen und Sprachakrobatik, deren ein­zi­ger Sinn und Zweck die Freude an der Sprache ist. Nach Sprüchen, bei denen einem das Lachen im Hals stecken bleibt, weil sie hem­mungs­los ver­kün­den, was man selbst nur denkt.

Freilich ist es ein schma­ler Grat zwi­schen rei­nem Schwachsinn und lusti­gem Schwachsinn. Und eine gebrüll­te Inkorrektheit mag erschrecken, beinhal­tet für sich allein aber noch kei­ne tref­fen­de Aussage, ist noch nicht beson­ders mutig. Das Bremer Brüder-Duo Peter und Willi Podewitz ver­mag die­sen Grat nicht zu mei­stern. Der Abend hin­ter­lässt einen flau­en Nachgeschmack, einen Nachgeschmack von Beliebigkeit, Belanglosigkeit.

Schwach in Idee und Umsetzung

Es beginnt beim Thema. Worum geht es dem Duo Podewitz? Was ist sein Programm und sei­ne Aussage? Es scheint, dass die bei­den sich nicht ent­schei­den kön­nen zwi­schen gesell­schafts­po­li­ti­scher Satire, unsin­ni­gen Wortspielereien und rei­ner Blödelei.  Selbstverständlich könn­te man die­se Genres kom­bi­nie­ren – doch dann bräuch­te es einen roten Faden, der die 90 Minuten Spielzeit zusam­men­hält. Ohne einen sol­chen wirkt es so, als hät­ten die Brüder Podewitz schlicht zu weni­ge Ideen, um ein kon­si­sten­tes Programm auf die Beine zu stel­len. 
Dann die Ausführung. Auf der Bühne zu sehen ist ein Tisch, bedeckt mit einem sam­te­nen Tischtuch in grel­lem Blau, dane­ben ste­hen zwei Stühle. Je nach Sketch kom­men ein selbst­ge­ba­stel­tes Mikrophon, eine grie­chi­sche Tunika und eine Harfe ins Spiel. Die Ausstattung wirkt bemüht ori­gi­nell, ist jedoch zu wenig häss­lich, um wirk­lich tra­shig zu sein. 
Mit gros­sen Bewegungen und lau­ten Stimmen pol­tern die bei­den Podewitz über die Bühne, ihre Mimik ist über­zeich­net, die Artikulation lei­der immer gleich. Egal, ob sie den Modeschaumoderator, Linienrichter oder Reporter mimen – die Brüder set­zen die immer­glei­chen zwei, drei Gesichter und Stimmen auf und gestal­ten ihre Figuren flach, lang­wei­lig und wenig über­zeu­gend.

Bemüht frech, aber eigent­lich nur bie­der

«Die haben das jetzt gut auf den Punkt gebracht – das ist näm­lich wirk­lich so!», höre ich in der Pause, als sich neben mir zwei Frauen über das typisch weib­li­che und das typisch männ­li­che Verhalten unter­hal­ten. Wie die Frau und wie der Mann ist, scheint neben Burka und isla­mi­sti­schem Selbstmordattentäter momen­tan das belieb­te­ste Thema der Podewitz zu sein. Allesamt also ziem­lich aus­ge­lutsch­te Themen, über die schon ziem­lich viel gesagt wor­den ist, zumeist Undifferenziertes und Uninteressantes. Es sind aber auch Themen, mit denen sich das Publikum – sofern es eher unkri­tisch gestimmt ist – pri­ma kau­fen lässt. Hat doch jeder sei­ne Meinung dazu, und es gefällt schliess­lich, wenn man sich dar­in laut­stark bestä­tigt sieht. Bei jeman­dem, der solch kli­schee­be­la­de­ne Themen künst­le­risch ver­ar­bei­tet, wür­de man sich statt­des­sen eine intel­li­gen­te Auseinandersetzung wün­schen. Denn was sonst dabei her­aus­kommt, ist rei­ne Polemik. Und die ist unlu­stig und unin­ter­es­sant.

Hemmungsloses Parodieren von Gruppierungen oder Weltanschauungen ist nur dann lustig, wenn die Künstler ent­we­der eine kla­re Aussage haben – dann kann man sich damit iden­ti­fi­zie­ren oder auch nicht – oder aber ein­fach vor nichts halt­ma­chen: Wenn sie sich über jeden und alles lustig machen, gera­de auch über sich selbst und über das Publikum. Wenn sie es schaf­fen, das Publikum mit ihren Sprüchen auf ihre Seite zu zie­hen, nur um es im näch­sten Augenblick wie­der gna­den­los bloss­zu­stel­len. Das bringt beim Zuschauenden etwas in Gang, macht ihn lachen, lässt ihn aber auch eige­ne Positionen über­den­ken.

Schon zu oft gese­hen

«Die schon mal gese­hen?», heisst das Programm, und man möch­te ent­geg­nen, dass man die­se Art Sketch und plum­pen Witz schon zu oft gese­hen hat. Die Stimmung bei Duo Podewitz ist nicht sprit­zig-frisch, die Sprüche haben weder fei­nen Witz, noch sind sie explo­siv hem­mungs­los. Duo Podewitz war an die­sem Abend unori­gi­nel­les Mittelmass.

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