Batman Genesis

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So viel vor­ne­weg: Batman, getrie­ben von sei­ner Mission, das Böse aus Gotham City zu til­gen, gibt es so in der Inszenierung von Laura Koerfer nicht zu sehen. Vielmehr bleibt er den gan­zen Abend über in den Seilen hän­gen. Gefangener sei­ner Ängste, selt­sam pas­siv das Geschehen. Im Verlauf wech­selt sein Gesichtsausdruck von Zweifel über Langeweile zu Gleichgültigkeit. Das Trauma um den gewalt­sa­men Tod der Eltern hat ihn fest im Griff.

Dynamit, Benzin, Schiesspulver

Der Abend beginnt mit einem Witz – und nie­mand lacht. Der weis­se Clown (Yanna Rüger) erzählt ihn und scheint gleich­zei­tig die Fäden des Geschehens in der Hand zu hal­ten. Dirigiert die Zuschauer auf ihre Plätze, betreibt Konversation, wir­belt über die Bühne und erzählt dabei die Anekdote von die­sem Clown, der aus lau­ter Trauer nicht wei­ter weiss, zum Arzt geht und auf den Ratschlag des Arztes, er sol­le doch einen Clown auf­su­chen, sagt: «Ich bin doch ein Clown.» Doch kaum sind auch die letz­ten Zuschauer auf ihren Plätzen, macht Joker (Claudio Gatzke) klar, dass er der Entertainer des Abends ist. Einem TV-Moderator gleich, steht er auf der Bühne und ver­spricht den Zuschauern ein sozia­les Experiment, an dem sie teil­ha­ben wer­den. Er erzählt locker plau­dernd etwas aus sei­nem Leben, gibt dem gan­zen einen inti­men Rahmen. Mit sei­nem rosa Haar und den schwarz lackier­ten Nägeln, dazu die­sem leicht irren Ausdruck im Gesicht, erin­nert er stel­len­wei­se an Jack Nicholson, der im Film von Tim Burton 1989 den Joker gab. Es wun­dert wei­ter nicht, dass er eine beson­de­re Vorliebe hat für alles, was knallt und brennt und dazu noch gün­stig zu erwer­ben ist. Auf der Bühne, domi­niert von Neonröhren und glän­zen­den Podesten (ein­ge­rich­tet von Thomas Giger) befin­den sich zudem drei Gefangene und eine Rolle. Der Reihe nach befrei­en sich Two-Face (Mehmet Atesci), Catwoman (Rahel Sternberg) und, aus der Rolle am Boden, Penguin Man (Maximilian Kraus). Er spricht nicht, hum­pelt gehetzt über die Bretter, um gleich dar­auf wie­der zu ver­schwin­den. Einzig Batman (Urs Humbel) bleibt vor­erst an sei­nem Ort. Die Figuren, die – bis auf den weis­sen Clown – im Batman-Comic ihren Ursprung haben, sind ein­ge­führt. Zu Beginn wird viel gere­det. Joker, und mit ihm der weis­se Clown, las­sen buch­stäb­lich die Puppen tan­zen. Auch wenn der Aufforderung «Mach den Batman» nur zöger­lich nach­ge­kom­men wird.

Der nack­te Mann

Nacktheit im Theater ist etwas, auf das immer wie­der ger­ne zurück­ge­grif­fen wird. Noch immer gilt sie als Provokation, obwohl man sich doch mitt­ler­wei­le an Nacktheit gewöhnt haben soll­te, so prä­sent sie auf Plakaten, in Zeitschriften und den beweg­ten Bildern ist. Hier ist die Nacktheit klug gewählt. Denn die­ser Batman hat ganz ein­fach Angst und das vor so ziem­lich allem. Er kommt nicht über den Tod sei­ner Eltern hin­weg, fürch­tet sich vor dem Leben und auch vor Fledermäusen. Um dem Ausdruck zu geben, lässt er erst­mal die Hosen run­ter. Da bleibt nicht viel vom Mythos des gestähl­ten und uner­schrocke­nen Helden oder Mannes übrig. Ist sei­ne Zeit vor­bei oder noch nicht gekom­men? Gibt es nichts, gegen das er kämp­fen kann? Hat das Böse die Welt so fest im Griff, dass selbst er, der es doch radi­kal aus­rot­ten woll­te, resi­gniert? Ermattet zieht er sich nach die­sem kur­zen erup­ti­ven Ausbruch zurück und schlüpft frei­wil­lig wie­der in die Fesseln.

«Dieses Herumwirbeln von allem, ich halt das nicht aus»

Mit die­sen Worten ver­sucht Two-Face in der Folge immer mal wie­der das zuneh­mend wil­der wer­den­de Geschehen zu zügeln, selbst macht er aber mun­ter mit. Er prä­sen­tiert sich als Romantiker, der an das Gute glaubt, gibt den Hippie, stimmt dazwi­schen Takte aus einem der Songs des Musicals «Hair» an und strotzt auch sonst nur so von posi­ti­ver Energie. Er rap­pelt sich immer wie­der auf. Ebenso Catwoman, zuneh­mend selbst­be­wuss­ter prä­sen­tiert sie sich im Verlaufe des Abends. Die Brille behält sie zwar auf, den High Heels ver­wei­gert sie sich, den­noch – Latexkleidung muss es schon sein, nicht mit Öhrchen und Maske wie einst Michelle Pfeiffer, aber als sie sich zum ersten Mal die Gummihaut über­streift, ist ihre Freude gross. Penguin Man lernt spre­chen, ent­lässt sei­ne anfäng­li­che Hilflosigkeit hin­ter die Bühne und geht, zwar immer noch hum­pelnd, doch auch er selbst­be­wusst, von der Bühne ab. Seine letz­ten Worte «ich bin nicht der Pinguin Man» wer­den durch den Frack, den er trägt, nicht voll­stän­dig ent­kräf­tet. Der weis­se Clown hat sich lei­se zurück­ge­zo­gen, sitzt im dunk­len hin­te­ren Teil der Bühne, schaut fern. Immer wie­der erin­nert der Verlauf an Reality TV. Erweckungsgeschichten wech­seln sich ab mit Gemeinschaftserlebnissen und der Aufforderung «Erfindet euch!» – das führt kurz­zei­tig zum Gruppenrausch, bei dem Joker die Fäden zieht. Doch der zu Beginn des Abends von Batman noch als Psychopath bezeich­ne­te, bleibt schliess­lich allei­ne zurück. Unklar dabei ist, ob er sein Werk voll­brin­gen konn­te und Two-Face, Catwoman und Penguin Man soweit mani­pu­liert hat, dass sie zu sei­nen Gestalten wur­den, oder ob sie sich schliess­lich ganz ein­fach gelang­weilt abwen­den. Batman steigt am Ende radi­kal und voll­stän­dig aus dem Spiel aus, ver­wei­gert sich sei­ner Bühnenfigur.

Was vom Mythos bleibt

Eine ver­wir­ren­de Fülle von Fragmenten, die Laura Koerfer auf die Bühne bringt: Die Schauspieler strei­fen mit Lust durch die­sen Irrgarten. Teilweise wird das Gezeigte zum Improvisationstheater, die eine oder ande­re Kürzung hät­te dem Abend wohl zu mehr Stringenz ver­hol­fen.

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